Low Code: Starke Marktprognose für Low-Code-Entwicklung 2021
Marktforscher sehen Programmierung mit Modellierungs- und Designtools als Technologiebewegung, die an Fahrt gewinnt – der Marktwert von OutSystems & Co. steigt.
- Silke Hahn
"Low Code" ist das visuelle Programmieren von Komponenten, bei dem Unternehmen relativ rasch über eine grafische Oberfläche Softwareanwendungen zusammenstellen können, ohne unmittelbar Code zu schreiben. Den Begriff "Low-Code Development" hatte 2016 ein Marktforschungsinstitut eingeführt als Oberbegriff für eine Reihe von Anbietern. Die Idee dahinter ist allerdings nicht neu und beruht im Wesentlichen auf dem Vorläufer RAD (Rapid Application Development) aus den 1990er-Jahren, als Entwickler ihre Desktopanwendungen in Visual Basic, Delphi oder Oracle Forms visuell "zusammensetzen" konnten.
Zahlreiche RAD-Tools verschwanden wieder vom Radar. Delphi hingegen konnte sich halten – eine kompilierte Programmiersprache, die mit ObjectPascal Maschinencode generiert und von der mittlerweile 27 Compilerversionen vorliegen. Auch Visual Basic.NET ist weiterhin verfügbar, und die Programmiersprache Java kommt ebenfalls noch als RAD-Entwicklungssprache zum Zuge. Ein weiterer Vorläufer von Low Code ist die modellgetriebene Softwareentwicklung (MDSD, Model Driven Software Development): Hier haben sich die Unified Modeling Language (UML) und die Business Process Modeling Notation (BPMN) für Geschäftsanwendungen etabliert. Damit lassen sich nicht-triviale Prozesse, Strukturen und Zustände als Modell zu generieren. Das Modell dient zugleich als Dokumentation.
Bei der sogenannten Low-Code-Entwicklung geschieht das "Zusammensetzen" von Apps über grafische Oberflächen der Anbieter, die damit Unternehmen eine komponentenhafte Programmierung "ohne Programmierkenntnisse" offerieren.
Wachstum bei OutSystems & Co.
Dass Low-Code-Anwendungen derzeit hoch im Kurs stehen, zeigt das Beispiel OutSystems: Am heutigen Mittwoch hat der Anbieter einer Low-Code-Plattform durch Investoren eine Finanzierungsrunde in Höhe von 150 Millionen US-Dollar erhalten. Den Marktwert des vor 20 Jahren in Portugal gegründeten Unternehmens schätzen Analysten von Gartner auf 9,5 Milliarden US-Dollar. In einem Blogeintrag spricht auch Paulo Rosado, der CEO von OutSystems, von dem "Momentum" des vergangenen Jahres, das seinem Unternehmen ein Wachstum auf mittlerweile 1300 Angestellte (verteilt auf 87 Länder) und rund 350 Geschäftspartnerschaften beschert habe, unter anderem mit AWS, Deloitte und Infosys. Die Remote-Arbeit in der Entwicklung sei laut Marktanalyse von Gartner einer der stärksten Antreiber der Nachfrage.
"Low-Code-Manifest" der Siemens-Tochter Mendix
Als Katalysator für die Etablierung von Low Code sehen Marktforscher Software as a Service (SaaS) und die fortschreitende Automatisierung. Eine Reihe von SaaS-Anbietern ist zurzeit dabei, auch Low-Code-Technologien in ihr Portfolio zu integrieren. Umgekehrt sind etablierte Low-Code-Anbieter wie zum Beispiel OutSystems, Mendix und Dynatrace im Zuge der Prozessautomatisierung von Unternehmen gefragt. Mittlerweile decken die Betreiber dieser Plattformen – im Gegensatz zu simpleren Ansätzen in der Vergangenheit – den gesamten Lebenszyklus der Entwicklung ab, inklusive Continuous Integration und Continuous Deployment (CI/CD). Damit erschließen sie sich offenbar auch neue Anwenderschichten. Die Siemens-Tochter Mendix, Anbieterin einer Low-Code-Plattform, hat kürzlich Kernideen und -prinzipien der Low-Code-Entwicklung in einem "Low-Code-Manifest" dargelegt.
Das auf IT fokussierte Marktforschungsunternehmen Gartner sagt Low-Code-Technologien für das laufende Jahr und auch langfristig eine starke Marktentwicklung voraus. Das prognostizierte Wachstum für 2021 beziffert Gartner mit insgesamt 13,8 Milliarden US-Dollar (im Vergleich zu 9,2 Milliarden im Jahr 2019). Die Auswertung umfasst Bereiche wie die Prozessautomatisierung durch Roboter (RPA), Business Process Management Suites, sogenannte Citizen Automation and Development Platforms (CADP), aber insbesondere auch Low-Code-Plattformen zur Entwicklung von Unternehmensanwendungen.
Digitale Disruption und Automatisierung
Seit 2019 ist die gesamte Sparte laut Bericht um ein Drittel gewachsen – 5,8 Milliarden US-Dollar, also rund ein Drittel des erwarteten Gesamtumsatzes, werde auf die Anbieter von Plattformen entfallen. Grund für die offenbar steigende Nachfrage sei laut bei Gartner "ein Zusammenspiel aus digitalen Disruptionen, Hyperautomatisierung und der Aufstieg von Composable Business".
Im Verhältnis zu modernem Low Code fällt der Umsatz älterer Technologien wie klassischer Tools für RAD (Rapid Application Development) und RMAD (Rapid Mobile App Development) mit rund 87 Millionen US-Dollar in der Gartner-Prognose etwas bescheidener aus – allerdings ist auch hier ein Wachstum zu verzeichnen (von rund 60 Millionen US-Dollar 2019). Interessierte können den Bericht auf der Website von Gartner einsehen.
[Update-Hinweis vom 18.03.2021: Fehlinformation im historischen Abriss ausgebessert, Informationen zu Delphi und Visual Basic.NET ergänzt.]
(sih)