Pixel-Triebwerke
Nicht nur aus Kostengründen, sondern auch unter dem Leistungsaspekt ist PC-Hardware eine interessante Alternative zu Unix-RISC-Workstations. Grafikchips von PC-Ausrüstern erfüllen nicht nur die Anforderungen von CAD- und 3D-Design-Software, sondern bilden heute sogar die Spitze der technischen Entwicklung.
- Manfred Bertuch
Selbst klassische Workstation-Größen wie SGI und Evans & Sutherland haben die Entwicklung eigener Grafikhardware längst eingestellt und bestücken sogar ihre Unix-Systeme lieber mit Chips von Nvidia und ATI. Auch in Flugsimulatoren und Cockpit-Displays arbeiten immer häufiger dieselben Bausteine, die man bereits auf PC-Grafikkarten findet. Es ist einfach nirgends so viel Grafik-Know-how konzentriert wie in den beiden Chipschmieden. Der vor allem durch die PC-Spiele erzeugte Leistungsdruck hat einen heftigen Wettstreit um den jeweils schnellsten 3D-Chip entfacht und zwingt die beiden Kontrahenten, im 6-Monats-Rhythmus immer neue Leistungsrekorde aufzustellen. Inzwischen sind die Grafikchips mit über 100 Millionen integrierten Transistoren doppelt so komplex wie PC-Prozessoren von AMD und Intel. Und nur das Massengeschäft mit Consumer-Grafikkarten kann die immensen Entwicklungskosten erwirtschaften, die bei Nvidias aktuellem DirectX-9-Chip GeForceFX mehrere 100 Millionen Dollar betragen sollen.
Nur vereinzelt bauen Workstation-Hersteller noch eigene Grafikhardware. So kombiniert Sun auf seinen XVR-Karten den eigenen MAJC-Chip mit immens viel Speicher und besetzt damit letzte Nischen für äußerst texturintensive Anwendungen. Beim Polygon- und Pixeldurchsatz und damit der Geschwindigkeit beim Bildaufbau kann Sun den PC-Karten aber bei weitem nicht das Wasser reichen. In Vergleichen wie dem Viewperf auf www.spec.org taucht Sun gar nicht erst auf.
Als härteste Prüfung für Grafikhardware gelten VR-Anwendungen und CAVE-Installationen, bei denen gleich mehrere große Displays im stereoskopischen Betrieb mit flüssigen Bildraten zu betreiben sind. Selbst solche Anwendungen sind inzwischen auf PC-Plattformen lauffähig. Da es sich meist um Unix-Portierungen handelt, setzen sie allerdings Linux als Betriebssystem voraus. 3Dlabs, ATI und Nvidia sind daher bemüht, ihre Open-GL-Treiber mit allen unter Windows verfügbaren Extensions und derselben Leistungsfähigkeit auch unter Linux anzubieten.
Auf den Grafikkartenlinien, die ATI und Nvidia für den professionellen Einsatz mit CAD-, 3D-Design- und VR-Anwendungen anbieten, arbeiten dieselben Chips wie auf den Consumer-Versionen, was beide allerdings durch abweichende Bezeichnungen verschleiern. Auch die Grafikkarten sind genauso aufgebaut wie die Consumer-Ausführungen und lediglich mit einem ausfallsicheren Lüfter bestückt. Allein 3Dlabs ist mit seinen Produkten ausschließlich im Profisektor vertreten. Der britische Hersteller hat zwar im letzten Jahr versucht, im Consumer-Bereich Fuß zu fassen, konnte seinen Geldgeber Creative Labs aber letztendlich nicht davon überzeugen, mit einem 3Dlabs-Grafikchip gegen die mächtigen Platzhirsche ATI und Nvidia anzutreten.
Der Treiber machts
Obwohl die Profihardware mit den Consumer-Grafikkarten identisch ist, verlangen die Hersteller im Profisegment den zwei- bis vierfach höheren Preis. Er rechtfertigt sich allein durch spezielle Open-GL-Treiber, die für ein fehlerfreies und zügiges Zusammenspiel mit Profiapplikationen entwickelt sind. CAD-Anwender müssen sich beispielsweise darauf verlassen können, dass die Darstellung auf dem Bildschirm exakt mit dem Datensatz der CAD-Applikation übereinstimmt. Wenn der Grafiktreiber nach jeweils zwei Millionen 3D-Punkten ein Polygon unterschlägt, wäre dies bei einem PC-Spiel relativ belanglos, könnte bei einem CAD-Arbeitsplatz aber fatale Auswirkungen haben, wenn dieser in den Fertigungsprozess eingebunden ist. Die Treiberentwickler arbeiten daher mit den CAD- und 3D-Design-Softwarehäusern zusammen und lassen ihre Grafikkarten für deren Software zertifizieren. Falls Anwender trotzdem Bugs feststellen und an den Hersteller melden, können diese damit rechnen, dass er in der nächsten Treiberversion behoben ist. Käufer einer Consumer-Karte haben dagegen keine Chance, auf die Treiberentwicklung Einfluss zu nehmen.
Andererseits haben auch die Open-GL-Treiber der Consumer-Karten einen so hohen Entwicklungsstand, dass man kleinere Projekte mit einer gewöhnlichen Grafikkarte wagen kann. Allerdings muss man in für Spiele untypischen Situationen mit Problemen rechnen, wie mit Leistungseinbrüchen bei Drahtmodelldarstellungen oder dann, wenn Open-GL-Grafik in unterschiedlichen Fenstern oder auf mehreren Bildschirmen laufen soll.
Treiber für Profigrafikkarten unterstützen selbstverständlich Open-GL- und DirectX-Beschleunigung in mehreren Fenstern und auf mehreren Bildschirmen. Sie sind zudem darauf optimiert, gleichzeitig 2D-, 3D,-, Drahtmodell-(Wireframe-) und schattierte Darstellungen in verschiedenen Fenstern auszugeben. Die Profitreiber schalten in den 3D-Chips auch zusätzliche Funktionen frei, zum Beispiel geglättete Linien (antialiased Lines) für Wireframe-Darstellungen, Hardware-Overlays für Buttons und Menüfelder sowie User-Clipplanes für Schnittzeichnungen.
Wechselnde Anforderungen
Spiele sollen möglichst realistisch wirken, weshalb die 3D-Chips heute für große Mengen detaillierter Texturen ausgelegt sind und mit Bump- und Umgebungs-Mapping Prägestrukturen und Reflexionen realistisch wiedergeben können. Gemessen an diesen Anforderungen stellen die klassischen Einsatzgebiete CAD- und Datenvisualisierung geradezu minimalistische Ansprüche. In der Regel begnügen sie sich mit Linienzeichnungen oder schlichten 3D-Modellen mit einfarbigen Flächen. Applikationen für medizinische oder geologische Daten verlangen die Fähigkeit, Volumendaten in Form von 3D-Texturen verarbeiten zu können, was die Chips ebenfalls beherrschen. Der Bildaufbau muss nicht häufiger als zehnmal in der Sekunde erfolgen, um die Ansichten einigermaßen verzögerungsfrei mit der Maus bewegen zu können. Zum Standard gehört heute auch die Geometrieverarbeitung und die Beleuchtungsberechnung (Transform & Lighting - T & L) durch die Grafikkarte. Komplexe Objekte aus mehreren Millionen Polygonen würden die CPU überfordern, wenn der Grafikchip nicht die Transformation der Modelle in die gewünschte Lage vornehmen sowie die Beleuchtungsberechnung ausführen würde. Die CPU sendet nur Kommandos der Form ‘Drehe Objekt X um 30 Grad um die y-Achse’ an den Grafikchip, der außerdem für jede einzelne Fläche entsprechend ihrer Lage zur Lichtquelle die richtige Helligkeit berechnet.
Erst bei VR-, DCC- (Digital Content Creation) und Designanwendungen sind zusätzlich Texturierungen gefragt. Damit bei Animationen Bewegungen flüssig ablaufen, verlangt man in diesem Bereich mindestens 30 Bilder pro Sekunde. Der für den Bildaufbau erforderliche Datendurchsatz - die Textur- und Pixelfüllrate - liegen bei bis zu 1 Milliarde Texel und Pixel pro Sekunde, weshalb man die Pixelpipelines in den Grafikchips bis zu achtfach parallel auslegt. Die Pipelines beteiligen sich gleichzeitig am Aufbau des gerade zu berechnenden Bildes, um den Vorgang zu beschleunigen. Auch die vorgeschalteten Geometrieeinheiten sind inzwischen mehrfach vorhanden und erreichen einen Durchsatz von annähernd 100 Millionen 3D-Punkten pro Sekunde. Die Taktgeschwindigkeit von Chip und lokalem Speicher liegt bei über 300 MHz.
Der komplette Artikel in der Printausgabe gibt einen Überblick über den Markt für professionelle Grafikhardware inklusive einer tabellarischen Übersicht der entsprechenden Produkte von 3Dlabs, ATI und Nvidia. (ka)