Zahlen, bitte! Die 200 MHz-CPU, die im NASA-Rover Perseverance den Mars erkundet

Die Leistungsdaten des Perseverance-Bordcomputers klingen aus irdischer Sicht nicht spektakulär. Aber er muss unter lebensfeindlichen Bedingungen bestehen.

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Inhaltsverzeichnis

Groß und schwer wie ein Kleinwagen erkundet der NASA-Rover Perseverance seit Kurzem unseren Nachbarplaneten und begeistert bisher mit spannenden Aufnahmen der Landung und seiner Umgebung im Jezero-Krater. Viel unspektakulärer sind dabei die Leistungsdaten seiner Hardware, die auf den ersten Blick keinen IT-Nerd hinterm Ofen hervorlocken würde. Der große Vorteil ist jedoch: Sie funktioniert auch unter den schwierigen Bedingungen des Mars!

Ein RAD750-Prozessor.

In der Tat ist die Technik des Bordcomputers RCE (Rover Compute Element) im Vergleich mit einem normalen Desktop-Rechner nicht der letzte Schrei: Der RAD750-Prozessor des britischen Herstellers BAE-Systems entspricht PowerPC 750-Technik (bzw. G3) und arbeitet im Prozessortakt zwischen 110 und 200 MHz. Das ist etwa 10 Mal so schnell wie die Vorgänger-Rover Spirit und Opportunity, aber noch meilenweit entfernt von einem Raspberry Pi.

Zahlen, bitte!

In dieser Rubrik stellen wir immer dienstags verblüffende, beeindruckende, informative und witzige Zahlen aus den Bereichen IT, Wissenschaft, Kunst, Wirtschaft, Politik und natürlich der Mathematik vor.

Außerdem verfügt der Computer über 256 Megabyte RAM, sowie 2 Gigabyte Flash-Speicher. Über eine Warm Electronics Box (WEB) genannte Wärmeisolierung wird die Temperatur konstant gehalten. Und das System überwacht sich dabei selbst. Über zwei Netzwerke, die den hohen Sicherheitsanforderungen von Luft- und Raumfahrt entsprechen, ist der Rechner mit den einzelnen Systemen verbunden.

Der entscheidende Vorteil gegenüber den irdischen Systemen ist seine Robustheit: der RAD750 arbeitet im Temperaturbereich zwischen -55° C und 125° C. Außerdem ist er unempfindlich gegenüber Strahlen und Ionen, die handelsübliche Laptops und Smartphones innerhalb kürzester Zeit lahmlegen würden. Der Prozessortyp, der auch bereits seit 2011 im Rover Curiosity seinen Dienst verrichtet, soll laut dem Hersteller Strahlendosen bis 10.000 Gy vertragen. Zum Vergleich: Ein Wert von 6 Gy gilt für einen Menschen als absolut tödlich.

Perseverance sieht auf dem ersten Blick dem Vorgänger Curiosity sehr ähnlich, ist aber eine Weiterentwicklung, sozusagen ein Facelift. Außerdem sind andere Experimente an Bord.

(Bild: NASA)

Die CPU, die im 0.25 Mikrometer-Verfahren gefertigt wird, verfügt über 10.4 Millionen Transistoren. Die Chipfläche betragt 130 mm². Die Rechnerleistung reicht dabei von 240 bis 366 MIPS. Und dabei benötigt der Prozessor eine Leistung von 5 Watt. Diese spezielle Robustheit hat auch ihren Preis: ein RAD750-Prozessor soll um die 200.000 Dollar kosten. Laut dem Hersteller BAE-Systems (ehemals Lockheed) kam dieser Prozessor bereits in über 250 Raumfahrzeugen zum Einsatz.

Und aus Gründen der Redundanz befinden sich zwei identische Systeme an Bord - wenn eine "Gehirnhälfte", wie die NASA sie nennt, irgendein Problem hat, wird die andere aktiviert, um nahtlos die Aufgaben übernehmen zu können. Außerdem besitzt Perseverance ein weiteres RAD750-System als Vision Compute Element (VCE): Der ist speziell ausgerüstet, um die Umgebung zu analysieren und die autonome Navigation zu erleichtern.

Die technische Evolution der Marsrover

Pathfinder Mission, 1997
Sojourner Rover:
CPU: Intel 80C85
Taktfrequenz: 2 MHz
RAM: 512 KB
Speicher: 176 KB

Baisstation Pathfinder Lander:
CPU: IBM RAD6000
Taktfrequenz: 20 MHz
RAM: 128 MB
Speicher: 6 MB via EEPROM

Mars Exploration Rover, 2004
Spirit & Opportunity:
CPU: IBM RAD6000
Taktfrequenz: 20 MHz
RAM: 128 MB
Speicher: 256 MB

Mars Science Laboratory, 2011
Rover Curiosity:
CPU: PowerPC 750 (G3)
BAE Systems RAD750
Taktfrequenz: bis 200 MHz
RAM: 256 MB
Speicher: 2 GB

Mars 2020, 2021
Rover Perseverance:
CPU: PowerPC 750 (G3)
BAE Systems RAD750
Taktfrequenz: bis 200 MHz
RAM: 256 MB
Speicher: 2 GB

Die Entwickler des Jet Propulsion Laboratory der NASA rechnen mit einem Absturz aufgrund von äußerer Umständen innerhalb von 15 Jahren. Und im Marsrover Curiosity, der seit 2011 den Mars erkundet und technisch von der Computereinheit fast identisch ist, arbeitet damit seit fast 10 Jahren sehr zuverlässig. Wenn er mal zickte, dann aufgrund eines Bugs.

Das Echtzeitbetriebssystem VxWorks ist in beiden Rovern im Einsatz. Es ist als eingebettetes System in mindestens 1,5 Milliarden weiteren Geräten innerhalb und außerhalb der Erde im Einsatz, und muss dann und wann mal gepatcht werden.

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Überhaupt sind sich beide Rover sehr ähnlich. Und doch unterscheidet sich Perseverance nicht nur in den unterschiedlichen Experimenten. Er soll sich durch eine verbesserte Steuerung und dank optimierter Hardware autonomer als Curiosity bewegen können. Außerdem liefern die Kameras hochauflöserende, bewegte Bilder: Die entscheidende und spektakuläre letzte Etappe der Marslandung wurde erstmals durchgehend gefilmt.

Das alles dank eines Computersystems, welches langsamer ist als jedes Einsteiger-Smartphone aber unter lebensfeindlichen Bedingungen zuverlässig seine Arbeit verrichtet.

Perseverance: Erste Fotos der Navigationskameras (11 Bilder)

(Bild: NASA/JPL-Caltech/heise online)

(mawi)