Neue Blender-Version 2.92: Modellieren mit Knoten

Das freie 3D-Paket Blender 2.92 legt die Grundlage für ein neues Bedienkonzept. Es bringt Verbesserungen in Videoschnitt, Tracking, Compositing und Rendering.

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Von
  • Gottfried Hofmann
Inhaltsverzeichnis

Die Blender Foundation hat Version 2.92 der gleichnamigen Open-Source-3D-Software freigegeben. Blender 2.92 steht ab sofort für Windows, macOS und Linux zum Download bereit.

Die größte Neuerung von Blender 2.92 ist die Einführung von Geometry Nodes. Dabei handelt es sich um den ersten Schritt des „Everything Nodes“-Projekts, das sich schon seit mehreren Jahren in der Vorbereitung befindet. Die Grundidee dahinter ist, möglichst viele Bereiche von Blender über sogenannte Nodes bedienbar zu machen, mit denen sich verschiedene Parameter des Programms visuell verknüpfen lassen. Mit den Geometry Nodes lässt sich Geometrie erzeugen und verändern. Bisher nutzen der Compositor und die Shader Editoren für Eevee und Cycles ein solches nodebasiertes Interface. In Zukunft sollen aber auch Partikelsysteme, Constraints usw. über Nodes ansprechbar sein.

Einzelne Bereiche von Blender lassen sich jetzt über sogenannte Geometry Nodes bedienen.

Während der Großteil der verfügbaren Nodes noch rudimentäre Basisfunktionen abdecken, gibt es dennoch ein paar Funktionen von höherer Komplexität, die darauf abzielen, Objekte auf der Oberfläche anderer Objekte zu verteilen. Diese Funktionalität wurde vom Team hinter dem Open Movie Sprite Fright gewünscht, da der bisherige partikelbasierte Ansatz zu viele Limitierungen aufweist. Gemäß der Philosophie von Blender, Features in enger Kooperation mit einem Team zu erstellen, das an einem Beispielprojekt arbeitet, werden die kommenden Features der Geometry Nodes sich an den Bedürfnissen der Sprite-Fright-Macher orientieren.

Ein Beispiel für den Einsatz von Geometry Nodes von Simon Thommes: Die Blumen und Gräser wurden nicht einzeln gesetzt, sondern parametrisch auf der Oberfläche verteilt.

Videokurs: Blender für Maker

Im Make-Videokurs zeigt der bekannte Buchautor und Blender-Tutor Carsten Wartmann anhand verschiedener kleiner Maker-Projekte, wie man das Open-Source-3D-Softwarepaket Blender für CAD-Aufgaben wie das Konstruieren eigener Vorlagen etwa für den 3D-Druck oder das CNC-Fräsen produktiv nutzen kann.

Neue Werkzeuge helfen beim Modellieren von 3D-Objekten. Primitive Körper wie Würfel, Kegel, Zylinder oder Kugeln, die als Basis für weitergehende Arbeiten dienen, lassen sich jetzt mit zwei Klicks hinzufügen, ähnlich wie bei den meisten anderen Programmen. Dabei wird mit dem ersten Klick die Grundfläche aufgezogen, der zweite definiert die Höhe des Objekts.

Mit dem „Bevel Modifier“ lassen Kanten von Objekten abflachen oder abrunden. Standardmäßig bearbeitet er nicht mehr automatisch allen Kanten, sondern greift erst ab einem bestimmten Winkel ein. Modifier an sich können jetzt über einen Operator von einem Objekt auf andere kopiert werden, erreichbar ist er über das Specials-Dropdown im Header der Modifier.

Mit dem „Video Sequence Editor“ bietet Blender rudimentäre Werkzeuge für Videoschnitt. Bei diesen wurde die Bedienung gegenüber den anderen Editoren in Blender vereinheitlicht, indem sich die Darstellung der Strips jetzt über Overlays steuern lässt. Textstrips können jetzt eine Hintergrundbox erhalten. Das Werkzeug zum Transformieren von beliebigen Strips wurde komplett überarbeitet und in seiner Bedienung an die Konventionen anderen Videoschnittapplikationen angepasst.

Die Benutzeroberfläche des Motion Trackers hat das Blender-Team passend zu den übrigen Bedienelementen angeglichen. Per Motion Tracking kann die Bewegung der Kamera oder eines Objekts in einem Video oder einer Bildsequenz errechnet und auf digitale Objekte angewandt werden, eine grundlegende Technik zur Erzeugung von visuellen Effekten in Filmen. Diese Berechnungen gehen in Blender 2.92 nun deutlich schneller von der Hand.

Beim Compositing fügen 3D-Künstler Bewegtbilder und Bildteile zusammen, ähnlich wie bei der Bildbearbeitung in Photoshop. In Blender lässt sich im Compositor jetzt auch die Belichtung eines Renderings oder Videos bearbeiten. Bisher war das nur im Farbmanagement möglich, das an letzter Stelle in der Pipeline vor der Ausgabe steht. Jenes Farbmanagement lässt sich bei der Ausgabe in Dateien jetzt für jede Ausgabe separat ein- oder ausschalten.

Das in Blender integrierte Simulationsframework für Flüssigkeiten und Gase Mantaflow kann jetzt viskose Flüssigkeiten realistischer simulieren, beispielsweise Honig, Karamell und alles andere, was dick- und zähflüssig ist. Diese können jetzt mit sich selbst interagieren und sich quasi stapeln. So kann man jetzt Sahne oder Softeis simulieren, die in einen Becher gegeben werden, inklusive Häubchen. In vorhergehenden Versionen hätte sich die Haube nicht aufgebaut, sondern wäre über den Rand gelaufen.

Bei der Simulation von viskosen Flüssigkeiten sollte man die neue APIC-Methode zu verwenden, da sich diese stabiler verhält als die bisher einzig verfügbare Methode FLIP. Letztere eignet sich eher für Situationen, in denen viele Spritzer erwünscht sind und Partikel durch die Luft fliegen. Die Einstellungen sind bis auf FLIP-spezifische Eigenschaften bei beiden Simulationsmethoden die gleichen. FLIP empfiehlt sich für Simulationen, die groß wirken sollen wie ein Wasserfall. Für Szenen im Kleinen wie das Befüllen eines Weinglases empfiehlt sich APIC. Wenn man mehrfach simuliert, ohne die Parameter zu verändern, sollte anders als zuvor jetzt immer das gleiche Ergebnis herauskommen.

Die auf Pathtracing basierende Renderengine Cycles kann jetzt über OpenCL auch mit den Iris und Xe-GPUs von Intel umgehen. Beim Rendern über nVidia OptiX kann man jetzt CPU und GPU gleichzeitig einsetzen. Alle Shadertypen werden unterstützt. Dafür ist aber eine Treiberversion von 450 oder neuer Voraussetzung.

Wenn man mit GPU und CPU gleichzeitig rechnet, ist meistens die Grafikkarte fertig, bevor der letzte CPU-Kern seine Berechnungen abgeschlossen hat. In diesem Fall kann jetzt die Grafikkarte die Berechnungen übernehmen. In Verbindung mit der optimierten Szenensychronisation wurden damit gleich zwei Flaschenhälse beim Rendern mit Cycles angegangen.

Beim sogenannten Baking wird der Lichteinfall auf ein Objekt berechnet. Die Daten werden in Texturen gespeichert. Dadurch müssen diese Berechnungen nicht immer wieder neu durchgeführt werden, was in Echtzeitanwendungen wie Computerspielen von Vorteil ist. Manchmal ist es sinnvoll, diese Daten direkt in der Geometrie zu speichern, den sogenannten Vertex Colors. Das ist nun erstmals auch mit Cycles möglich. Wenn man OptiX als Backend nutzt, ist Baking jetzt ebenfalls möglich, es wird dann aber über CUDA durchgeführt.

Über die Attribute Node lassen sich jetzt auch Werte für Transparenz beziehungsweise Alpha ausgeben. Sie bietet die Möglichkeit, auf selbst definierte Attribute zuzugreifen. Damit lassen sich Materialien definieren, die sich auf unterschiedlichen Objekten unterschiedlich verhalten.

Die verbesserte Attribute Node kann man auch in der OpenGL-basierten, echzeitfähigen Renderengine Eevee nutzen. Auch in anderen Bereichen nähern sich die beiden bei Blender mitgelieferten Engines in Sachen Features aneinander an. So kann Eevee jetzt wie Cycles Cryptomattes und AOVs (Arbitrary Output Variables) ausgeben. Über Cryptomatte lässt sich ein Rendering im Nachhinein in seine Einzelbestandteile zerlegen. AOVs ermöglichen es, beim Shading anfallende Zwischenergebnisse zu speichern, um sie zum Beispiel später beim Compositing einzusetzen.

Das Animationssystem hat einen verbesserten Filter für plötzliche Sprünge in einer Animation erhalten. Dieser kommt auch dem Baking-Operator zur Umwandlung von Actions in Keyframes zugute. Letztere säubert jetzt nicht mehr automatisch das Ergebnis. Constraints sind Einschränkungen der Bewegungsfreiheit eines Objekts. So kann man eine Kamera veranlassen, immer auf ein bestimmtes Objekt zu zeigen. Besagte Constraints können jetzt im Local Space eines anderen Objektes arbeiten. Dadurch lässt sich der Einfluss von Constraints über zusätzliche Kontrollobjekte steuern.

Beim Sculpting, das mit der töpferischen Arbeit an Lehm verglichen werden kann, gibt es jetzt die Option, nur den Rand beziehungsweise die Silhouette eines Objekts zu greifen, ohne die andere Seite mitzunehmen. Das ist bei besonders dünnen Strukturen wie Fingern sehr hilfreich, da man diese auf einer Seite quasi dicker ziehen kann. Der Snake Hook Brush hat eine neue Deformationsmethode „Elastic“ erhalten, die eine cartoonhafte Verzerrung erzeugt.

Neben den erwähnten Verbesserungen hat Blender 2.92 zahlreiche kleine Optimierungen am Interface erhalten. Das Layout von diversen Dialogen wie dem „About“ -Infoscreen wurden überarbeitet und die Platzierung von Interfaceelementen angepasst. Insgesamt soll die Software ein wenig konsistenter wirken. (akr)