Minimalistisches Internet: Projekt Gemini als Retro-Web

Eine Entwicklergemeinschaft erfindet das Web neu: ­abgespeckt auf das Wesent­liche, ohne Tracking und Schnickschnack wie Skripte oder rotierende Bilderbühnen.

Artikel verschenken
In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 21 Kommentare lesen

(Bild: Henning Rathjen)

Lesezeit: 11 Min.
Von
Inhaltsverzeichnis

Das Web heutiger Tage ist übergewichtig: Eine durchschnittliche Webseite ist zwei MByte fett, davon fast ein halbes MByte JavaScript. Der Browser benötigt meist ein paar Sekunden, bis er alle Elemente eines solchen Schwergewichts heruntergeladen und die Seite gerendert hat. Überdies ist eine Webseite nicht selten mit massenhaft Code aufgepumpt, der gar nicht zur Anwendung kommt. Oder sie nervt den Besucher mit allerlei "Funktionen" wie Pop-ups oder selbstabspielenden Videos. Oft genug spioniert sie ihn über Cookies und andere eingebettete Inhalte auch noch aus.

Mal eben von Hand per Texteditor lassen sich solche Monstren schon lange nicht mehr pflegen. Im Jahr 2019 hat ein Entwickler, der sich den Namen Solderpunk gegeben hat, dem Web von heute einen radikal schlanken, die Privatsphäre schützenden Entwurf entgegengestellt: das Projekt Gemini. Er schreibt, man könne es sich auch vorstellen als "das Web, zurückgeführt auf seine Essenz".

Dem Projekt liegt ein Netzwerkprotokoll zum Abrufen von Inhalten über das Internet zugrunde, insbesondere von Dokumenten eines eigenen Typs text/gemini. Gemini leitet seinen Namen von dem US-amerikanischen Raumfahrtprogramm ab. Das Pendant zu einer Website nennt sich in der Gemini-Welt Kapsel, das Universum der Gemini-Seiten ist auf den Namen Geminispace getauft worden. Und Gemini-Server sollen nicht zufällig auf Port 1965 horchen: 1965 war das Jahr der ersten bemannten Gemini-Mission.