Zugänglich

Geografische Informationen sind ein wertvolles Wirtschaftsgut. Wer Zugang zu qualitativ hochwertigen Geodaten hat, kann sie für kommerzielle Anwendungen nutzen. Mit dem Geodatenzugangsgesetz schuf der Gesetzgeber den Rechtsrahmen dafür.

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Von
  • Tobias Haar
Inhaltsverzeichnis

Der Anwendungsbereich für Geodaten ist vielseitig. Navigationssysteme, andere geografische Informationssysteme, Wetterbeobachtung und Umweltschutz sind nur einige Beispiele für die Nutzung und Anwendung entsprechender Informationen. Laut Wikipedia sind Geodaten „digitale Informationen, denen auf der Erdoberfläche eine bestimmte räumliche Lage zugewiesen werden kann“. Ergänzen kann man diese Informationen aber durch beliebige weitere Attribute, beispielsweise die Zeit.

Weithin unbekannt ist, dass auch Geodaten Regelungen unterliegen. Zum einen existieren internationale Standards und Normen, wie solche Daten zu modellieren sind. Auf internationaler Ebene ist hier die Norm ISO 19107 (Geographic Information) zu nennen. Hierbei handelt es sich aber noch nicht um eine unmittelbare Rechtsvorschrift, denn solche Normen sind nur rechtsverbindlich, wenn ein Gesetz sie als allgemeinverbindlich für einen definierten Bereich bestimmt. Dennoch spielen sie häufig auch in anderen Fällen eine Rolle, wenn es etwa um die Auslegung des „Standes von Wissenschaft und Technik“ geht, der bei etlichen Rechtsproblemen eine Rolle spielt.

Zum anderen gibt es internationale und nationale rechtliche Regelungen, die den Zugang zu und den Umgang mit Geodaten regeln. Da es sich dabei um ein noch relativ junges Rechtsgebiet handelt, steht die Entwicklung dieser gesetzlichen Bestimmungen jedoch erst an ihrem Anfang.

Jüngstes Beispiel für eine solche gesetzliche Regelung ist das deutsche Gesetz über den Zugang zu digitalen Geodaten, kurz Geodatenzugangsgesetz oder GeoZG. Es trat am 14. Februar 2009 in Kraft und dient dem Aufbau einer nationalen Geodateninfrastruktur. Es soll den rechtlichen Rahmen für die folgenden Bereiche schaffen: „Zugang zu Geodaten, Geodatendiensten und Metadaten von geodatenhaltenden Stellen sowie die Nutzung dieser Daten und Dienste, insbesondere für Maßnahmen, die Auswirkungen auf die Umwelt haben können.“ Es gilt für „geodatenhaltende Stellen des Bundes und der bundesunmittelbaren juristischen Personen des öffentlichen Rechts“.

Ähnlich wie in Wikipedia definiert das Gesetz Geodaten als „alle Daten mit direktem oder indirektem Bezug zu einem bestimmten Standort oder geografischen Gebiet“. Das Gesetz umfasst also auch den indirekten Bezug zu einem Standort oder Gebiet. Unter Geodatendiensten sind „vernetzbare Anwendungen, welche Geodaten und Metadaten in strukturierter Form zugänglich machen“ zu verstehen. Es muss sich um digitalisierte Daten handeln, die sich auf das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland beziehen und die bei einer geodatenhaltenden Stelle vorhanden sind.

Interessant ist, dass das Gesetz einen Katalog der „Themen“ beinhaltet, für die Geodaten eine Rolle spielen können. Als solche werden Koordinatenreferenzsysteme, geografische Gittersysteme, geografische Bezeichnungen, Adressen, Verkehrsnetze, Gewässernetze, Schutzgebiete, Geologie, Gebäude, Bodennutzung, Gesundheit und Sicherheit, Umweltüberwachung, Produktions- und Industrieanlagen, Lebensräume und Biotope, Energiequellen sowie mineralische Bodenschätze aufgeführt, um nur die wichtigsten zu nennen.

Das Gesetz steht im Zusammenhang mit Aufbau und Entwicklung der gemeinsamen Geodateninfrastruktur des Bundes und der Länder, dem „Gemeinsamen Vorhaben von Bund, Ländern und Kommunen für den Aufbau einer länder- und ressortübergreifenden Geodateninfrastruktur Deutschland“, kurz „Geodateninfrastruktur Deutschland (GDI-DE)“, das sich unter www.gdi-de.org präsentiert. Wesentliches Ziel dieses Vorhabens ist es, dass Geoinformationen zukünftig verstärkt in Entscheidungsprozessen innerhalb der Verwaltung, der Wirtschaft und der Politik zum Einsatz kommen.

Die Geodateninfrastruktur soll letztlich Bestandteil einer zukünftigen europäischen Geodateninfrastruktur werden, aber auch „lenkend und koordinierend im Bereich der Entwicklung, Fortführung und Umsetzung von Normen und Standards bei europäischen und internationalen Geodateninfrastrukturen“ sein. Eine wichtige Rolle im GDI-DE spielt der Interministerielle Ausschuss für Geoinformationswesen (IMAGI), der 2008 sein 10-jähriges Bestehen feiern konnte. Dies zeigt, dass die politische und rechtliche Auseinandersetzung mit dem Thema Geodaten nicht erst seit kurzer Zeit auf dem Programm steht.

Dass es bei Geodaten auch um handfeste wirtschaftliche Interessen geht, beweist der Internetauftritt der 2003 gegründeten „Kommission für Geoinformationswirtschaft des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie (GIW-Kommission)“, wo vom „digitalen Rohstoff Geoinformation“ die Rede ist. Konsequenterweise ist es Ziel dieser Kommission, „das enorme Marktpotenzial der vorhandenen Daten zu erschließen“. Als Beispiele für das Potenzial von Geodaten, Arbeitsplätze zu schaffen und so letztlich den Wirtschaftsstandort Deutschland zu stärken, werden 3D-Stadtmodelle, Bauleitplanung, Bodenrichtwerte, Erdwärmeversorgung, Hochwasserschutz, Landwirtschaft, Liegenschaftsinformationen, Rohstofferkundung, Standortinformationen sowie Ver- und Entsorgung genannt.

Das Geodatenzugangsgesetz geht auf die sogenannte INSPIRE-Richtlinie (Infrastructure for Spatial Information in the European Community) der EU zurück, was dazu führt, dass es in vielerlei Hinsicht gleiche oder ähnliche Regelungen auch in den anderen EU-Staaten gibt oder geben wird.

Zentrale Vorschrift des Gesetzes ist § 11 GeoZG, die den Zugang zu Geodaten regelt. Grundsätzlich sind danach Geodaten öffentlich verfügbar bereitzustellen. Ausnahmen gelten nur für den „Schutz öffentlicher und sonstiger Belange“. So ist der Zugang zu Geodaten dann auszuschließen, wenn dies „nachteilige Auswirkungen auf die internationalen Beziehungen, bedeutsame Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit oder die Verteidigung haben kann“. In manchen Fällen kann zudem der Zugang verwehrt werden, etwa bei der Gefährdung eines laufenden Gerichtsverfahrens, bei Anspruch einer Person auf ein faires Verfahren, bei Ermittlungsverfahren oder „bedeutsamen Schutzgütern der öffentlichen Sicherheit“.

Für die Bereitstellung von Geodaten können Behörden Lizenzen erteilen und Geldleistungen fordern. Kostenlos sind jedoch Such- und Darstellungsdienste. Für den gewerblichen Bereich gilt, dass die Behörden Geodaten in einer Form zur Verfügung stellen dürfen, die eine Nutzung ausschließt, die „über die Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe hinausgeht und in der Regel auf die Erzielung von Entgelt gerichtet ist“.

Damit ist aber noch nicht gesagt, dass geodatenhaltende Behörden willkürlich über die Vorenthaltung von Lizenzen (gegen oder ohne Entgelt) zur gewerblichen Nutzung bestimmen können. Das Gesetz bestimmt lediglich, dass diesbezüglich eine pflichtgemäße Ermessensentscheidung zu treffen ist, die verhältnismäßig sein muss und in bestimmten Grenzen auch gerichtlich überprüfbar ist.

Die Diskussion um die Frage, wie hoch Lizenzgebühren für die Nutzung von Geodaten sein dürfen, beendet das GeoZG jedoch nicht. Es fehlt noch eine „Preisliste“. Allerdings sollen die Einzelheiten der Lizenzvergabe und der Gebühren noch in einer Verordnung geregelt werden.

Kritiker bemängeln an der neuen rechtlichen Regelung, dass sich das Gesetz an keiner Stelle über die Schnittstelle zwischen Geodatenzugang und Datenschutz auslässt. Das Wort „Datenschutz“ fällt in dem Gesetzeswerk nicht. Mit dieser Schnittstelle befasste sich im Dezember 2008 Michael Herter, Geschäftsführer von infas GEODaten, in einer Presseerklärung mit der bezeichnenden Überschrift „Geodaten sind nicht persönlich“.

Seiner Meinung nach kann es nur dann zu Konflikten zwischen Geodaten und personenbezogenen – also menschenbezogenen – Daten kommen, „wenn die Lage einer natürlichen Person (z. B. durch GPS-Ortung) bestimmt wird“. Sonst handelt es sich bei Geodaten immer um nicht personenbezogene Daten, etwa wenn es um die Lagebestimmung von Häusern, Straßen und dergleichen geht. Sie „speichern das räumliche Abbild der Welt“. Letztlich lehnt er die Anwendung des Datenschutzes auf Geodaten konsequent ab.

Im Gegensatz dazu kam das Unabhängige Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein (ULD) in einer Studie aus dem vergangenen Jahr zu dem Ergebnis, dass der Datenschutz selbstverständlich eine Rolle spielen soll bei der Frage, wie und wofür Zugang zu Geodaten gewährt werden darf. Die Datenschützer kritisieren am GeoZG, dass in Sachen Geodatenzugang zwar auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse Rücksicht genommen werden muss, nicht aber auf den Datenschutz.

Um dieses Ungleichgewicht auszubalancieren, hatte das ULD eine zusätzliche gesetzliche Regelung vorgeschlagen: Ein Zugang zu Geodaten sollte unter dem Vorbehalt stehen, dass dieser zu verweigern ist, wenn „schutzwürdige Interessen der Betroffenen beeinträchtigt würden, es sei denn, die Betroffenen haben zugestimmt oder ein öffentliches Interesse an der Bekanntgabe überwiegt“. Letztlich wird es wohl wieder einmal an den Gerichten liegen, mit ihren Urteilen den „goldenen Mittelweg“ zu zeigen, bevor es allgemeinverbindliche Regelungen gibt.

Aber nicht nur staatliche Einrichtungen verfügen über Geodaten. Letztlich kann jeder mit entsprechender technischer Ausstattung Geodaten erheben und anschließend verarbeiten. Neben Wirtschaftsunternehmen gibt es auch in diesem Bereich Projekte, die frei nutzbare Geodaten sammeln und daraus Karten erstellen. Wichtigstes Projekt in diesem Bereich dürfte OpenStreetMap sein. Ohne Gebühr werden entsprechende Daten zur Verfügung gestellt. Die Nutzung ist nach einer Creative-Commons-Lizenz möglich.

Die Tools zur Datenbearbeitung und -verteilung unterliegen der GPL. Für gewerbliche Anbieter ist wichtig, dass eine kommerzielle Nutzung der „freien“ Daten nicht ausgeschlossen ist. Vertreibt ein Nutzer allerdings diese oder aus ihnen abgeleitete Daten, muss er sie unter die gleichen Lizenzbedingungen stellen. Das bedeutet, dass eine anschließende Weitergabe auch kostenlos erfolgen darf. Es kann also nicht verhindert werden, dass entsprechende Daten nur für bestimmte Zwecke oder in bestimmter Anzahl genutzt werden dürfen.

Auch Geodaten unterliegen rechtlichen Regelungen. Der Zugang zu solchen Daten der öffentlichen Hand ist in Deutschland durch das neue Geodatenzugangsgesetz festgelegt. Grundsätzlich sind diese Daten „öffentlich verfügbar“ zu machen, wenn dem nicht wesentliche Interessen entgegenstehen. Neben der Sicherheit Deutschlands nennt das Gesetz unter anderem ausdrücklich Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse.

Gerade wenn es um die Schnittstelle zum Datenschutz geht, sind die rechtlichen Fragen aber noch nicht abschließend geklärt. Im Gesetz finden sich dazu keine Regelungen. Auch hier bedarf es erst weiterer Diskussionen oder gar Gerichtsentscheidungen, bis es zu einem gesetzlichen Ausgleich widerstreitender Interessen kommen wird. Diese Regelungen könnten dann auch nichtstaatliche Organisationen berücksichtigen, die über Geodaten verfügen und diese nutzen – gleich ob kommerziell oder kostenlos.

Tobias Haar, LL.M.
ist Syndikusanwalt und Rechtsanwalt mit Schwerpunkt IT-Recht. (ur)