Expansion des Universums: Diskrepanz bei Hubble-Konstante vertieft sich weiter

Nachdem es zuletzt einen Punkt für Planck gegeben hat, liefert ein neues Verfahren wieder einen abweichenden Wert für die Expansionsgeschwindigkeit des Kosmos.

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NGC 1453, eine der analysierten Galaxien: Sie ist rund 166 Millionen Lichtjahre entfernt

(Bild: Carnegie-Irvine Galaxy Survey)

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Mit einer neuen Methode hat eine Gruppe von Astrophysikern und Astrophysikerinnen einmal mehr die sogenannte Hubble-Konstante gemessen und wieder einen Wert ermittelt, der dem des ESA-Weltraumteleskops Planck widerspricht. Die Diskrepanz bei der Grundkonstante bleibt damit bestehen und stellt die Wissenschaft weiterhin vor ein Rätsel.

Auf Basis der Fluktuationen in der Oberflächenhelligkeit von 63 großen elliptischen Galaxien kommen sie demnach auf einen Wert von 73,3 Kilometern pro Sekunde pro Megaparsec, bei einer Unsicherheit von 2,5 km/sec/Mpc. Das passt ziemlich genau zu anderen Werten, die zuletzt verschiedentlich für das lokale Universum gemessen wurden, aber überhaupt nicht zu dem nicht nur mit Planck ermittelten Wert.

Die Hubble-Konstante (H0) ist eine fundamentale Größe zum Verständnis des Universums und gibt an, mit welcher Geschwindigkeit das Universum gegenwärtig expandiert. Sie bedeutet, dass sich ein Objekt in einer Entfernung von einem Megaparsec (3,26 Millionen Lichtjahre) allein aufgrund der Expansion des Universums mit dieser Geschwindigkeit von uns entfernt. Zum Vergleich: Die Andromedagalaxie ist etwa 0,89 Megaparsec von uns entfernt. Erstmals berechnet wurde die Hubble-Konstante von dem US-Astronomen Edwin Hubble. Die immer genaueren Messungen der vergangenen Jahre liefern aber keinen einheitlichen Wert. Stattdessen liefern unterschiedliche Messverfahren zwei voneinander abweichende, die inzwischen ziemlich deutlich außerhalb der jeweiligen Fehlerrate liegen.

Messungen vergleichsweise naher Objekte im Universum liefern beständig einen Wert von etwa 74 km/sec/Mpc, während das Weltraumteleskop Planck beim Blick zurück zu den Anfängen des Universums ganze 9 Prozent weniger gemessen hat (etwas über 67 km/sec/Mpc). Dabei gelten die Planck-Analysen mit als die genauesten überhaupt und als "Goldstandard". Das Weltraumteleskop hat eine Analyse der kosmischen Hintergrundstrahlung ermöglicht, also quasi des Nachglühens des Urknalls. Danach lässt sich errechnen, wie lange dieses Licht zu uns unterwegs war, wie alt das Universum ist und schließlich die Ausbreitungsgeschwindigkeit. Die Diskrepanz zwischen dem so ermittelten Wert und der Messung der Geschwindigkeit, mit der sich andere Galaxien aktuell von uns entfernen, hat sich zuletzt vertieft.

Übersicht über die ermittelten Werte und ihre Genauigkeit (das aktuelle Ergebnis hellgrün im unteren Drittel).

(Bild: Di Valentino et.a., Alessandro Melchiorri)

Zu dieser Vertiefung der Diskrepanz hat das Team um John Blakeslee vom National Optical-Infrared Astronomy Research Laboratory in Arizona nun beigetragen. Wie sie nun erklären, haben sie die Fluchtgeschwindigkeit Dutzender Galaxien mit einer Technik gemessen, die unabhängig von anderen Ansätzen ist. Dabei haben sie sich zunutze gemacht, dass riesige elliptische Galaxien (sogenannte Riesenellipsen) vergleichsweise alt sind und eine konstante Zahl an alten Sternen vereinen. Bei hochaufgelösten Infrarotaufnahmen der Galaxien hätten sie ermittelt, wie stark jeder Pixel vom jeweiligen Durchschnitt abweicht. Je geringer diese Abweichung, desto weiter entfernt die Galaxie. Ihre Studie wurde zur Veröffentlichung im Astrophysical Journal angenommen.

Obwohl ihre Messtechnik unabhängig von anderen funktioniere, wollen die Forscher sie künftig noch stärker von anderen Analysen trennen, erklären sie nun. Mit dem anstehenden James Webb Space Telescope (JWST) hätte sie das Potenzial, den besten Wert für die lokale Hubble-Konstante zu liefern. Näher an den Wert, der über die Hintergrundstrahlung ermittelt wurde, dürfte der wohl nicht mehr führen. Schon bei der Vorstellung einer wissenschaftlichen Analyse, die diesen bestätigt hatte, hatten Experten gemutmaßt, dass die wachsende Diskrepanz eine grundlegende Entdeckung ankündigt, die unser Verständnis vom Universum verändert. Zwar gibt es Versuche, den Konflikt zu erklären, aber noch hat sich dabei kein Favorit herausgeschält.

(mho)