E-Government: Großer Markt mit großen Problemen

Stolpersteine auf dem Weg vom Vater Staat zum (digitalen) Partner Staat.

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Bund, Länder und Kommunen wollen im Rahmen der Verwaltungsreform groß ins E-Business einsteigen. Durch die Vernetzung der Behörden sollen die Geschäftsprozesse an die Bedürfnisse der Bürger angepasst werden, lange Wartezeiten in Amtsstuben entfallen, die demokratischen Teilhabemöglichkeiten der Bürger an der Regierungsarbeit gestärkt und nicht zuletzt Millionen durch Online-Transaktionen eingespart werden. "Vom Vater Staat zum Partner Staat", lautet die Devise, sagt Franz-Reinhard Habbel, Sprecher des Deutschen Städte- und Gemeindebundes. Doch trotz seit Jahren laufender Initiativen allerorten entpuppt sich der Umbau der Rathäuser und Verwaltungen zum E-Government schwieriger als gedacht.

Auf dem Berliner First Tuesday am gestrigen Dienstagabend, der sich neben der Vernetzung von Gründern mit Geldgebern erstmals auch um die Vernetzung von Bürgern und Politik bemühte, wiesen Experten auf die zahlreichen Probleme und Herausforderungen bei der Verwaltungsmodernisierung aus dem Geiste des Internet hin. Als die wichtigsten Barrieren machten sie fehlende Finanz- und Personalmittel, mangelnde Unterstützung der oberen Administrationsetagen, unabgestimmte Strategien und technische Standards, aber auch zu strenge Datenschutzbestimmungen aus.

"Wir reden von einem gewaltigen Aufholprozess", stellte Karsten Ernst, Projektmanager bei IBM Deutschland, klar. Das fange bei der schlechten technischen Ausrüstung der Verwaltungen an und höre bei einem fehlenden Rahmenwerk für interoperable E-Government-Systeme auf. Von den gut 10.000 größeren deutschen Rathäusern sind bislang noch nicht einmal die Hälfte im Netz, zog Habbel eine vorläufige Bilanz. Nur 4.800 Städte oder Gemeinden verfügten über eine eigene Homepage. Davon seien 80 Prozent rein "Schaufenster-orientiert". Nur 20 Prozent böten interaktive Dienste an, etwa mit downloadbaren Formularen. Die Verwaltungen seien eben "große Tanker", die nicht so einfach um 180 Grad zu drehen seien, nahm Horst Ulrich, Leiter des Referats Stadtinformationssystem und Online-Dienste des Berliner Senats, seine Kollegen in Schutz.

Das im Rahmen einer Public-Private-Partnership betriebene Hauptstadtportal Berlin.de dümpelt seit Jahren vor sich hin. Noch in diesem Jahr, so Ulrich, werde aber zumindest bei der Kommunikation der Architektenkammer mit der Bauverwaltung die elektronische Signatur zum Einsatz kommen. 20 weitere konkrete Anwendungen sollen folgen. Um den Bürgern den Umgang mit der Verwaltung erleichtern zu können, hält Ulrich auch Lockerungen beim Datenschutz für nötig. Selbst habe er sich geärgert, dass er für die Beantragung des Kindergelds zwei fast identische Formulare ausfüllen musste, obwohl "zwei DIN-A4-Seiten voll mit meinen persönlichen Daten" in seiner Verwaltungskartei gespeichert waren. Hier sei ein "Datenschutz mit dem Skalpell" erforderlich, um unnötige Verbotsklauseln beim internen Informationsabgleich zu verhindern.

Die ehrgeizigen Ziele der Bundesregierung, bis zum Jahr 2005 alle Verwaltungshandlungen des Bundes online abzubilden, hält Ulrich nicht für realistisch: "Da hat sich schon manch anderer Planer eine blutige Nase geholt." Auch bei den Städten und Gemeinden würde sich Habbel schon freuen, wenn in drei Jahren "70 Prozent der Geschäftsprozesse" online abgewickelt würden. Seine Forderung lautet, dass gleichzeitig bereits vorhandene Vergleichsdaten über die Kosten von Verwaltungsservices öffentlich gemacht werden.

Den beim First Tuesday versammelten Gründern machte Peter Spohn, Senior Vice President Public bei der Deutschen Telekom, Hoffnung auf einen großen Markt. Die Kommunen "schreien" seiner Meinung nach geradezu nach Lösungen für Portale und Sicherheitsanwendungen auf Basis des Signaturgesetzes. "Junge Softwarefirmen haben gute Chancen", glaubt auch Peter Liebscher von der Beratungsfirma KPMG. Vor falschen Hoffnungen auf schnelle Geschäfte warnte der Liebscher aber: "Sie brauchen einen langen Atem, um mit der Verwaltung Geschäfte zu machen." (Stefan Krempl) / (jk)