Wanted: Reisefreudige Moslems mit Hang zur Technik

Die Kriterien für die Rasterfahndung nach ausländischen Terroristen wurden bekannt; die einzelnen Behörden kämpfen aber unter anderen mit unterschiedlichen Rastern und Datenformaten.

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Seit Montag haben die Ermittlungsbehörden in Deutschland mit einer computergesteuerten Rasterfahndung nach international tätigen Terroristen begonnen. Dabei geht es vor allem darum, die so genannten Schläfer ausfindig zu machen, die latent Gewalttendenzen in sich tragen und unerwartet losschlagen könnten. Die Innenminister der Länder hatten sich vor einer Woche auf bundesweite Kriterien geeinigt, mit denen sie den potenziellen Terroristen auf die Spur kommen wollen. Seitdem herrscht großes Rätselraten, auf welche Merkmale sich die Fahnder konzentrieren. Bisher war nur bekannt, dass unter den vom Bundeskriminalamt (BKA) vorgegebenen Kriterien Merkmale wie "technischer Studienzweig", "vermutlich islamische Religionszugehörigkeit" ohne offen fundamentalistische Gesinnung, "keine Auffälligkeiten im allgemeinkriminellen Bereich", Flugausbildung und Kinderlosigkeit dabei waren.

heise online liegt nun der genaue Kriterienkatalog des (Amtsgerichts Tiergarten) aus Berlin vor, der sich allerdings in Details von denen anderer Bundesländer unterscheidet. Im Land Berlin erfolgt die Rasterfahndung "zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes oder für Leib, Leben oder Freiheit einer Person" anhand personenbezogener beziehungsweise bestimmten Personengruppen zugeordneten Angaben, die die Ermittler mit Datenbeständen einer ganzen Reihe von öffentlichen Stellen sowie Stellen außerhalb des öffentlichen Bereiches abgleichen.

Namentlich werden als personenbezogene Daten in den Kundendateien der Anbieter zur Prüfung herangezogen: Name, Vorname, Geburtsdatum, Geburtsort, Nationalität, Wohnort Beschäftigungsstatus sowie Religionszugehörigkeit der Person.

Folgende Staatsangehörigkeiten werden überprüft (Reihenfolge vom BKA vorgegeben): Afghanistan, Saudi-Arabien, Algerien, Lybien, Irak, Iran, Jordanien, Syrien, Ägypten, Kuwait, Vereinigte Arabische Emirate, Libanon, Jemen, Sudan und Pakistan.

Bei den Personengruppen interessieren sich die Strafverfolger vor allem für die Kriterien:

  • a) männlich
  • b) islamische Religionszugehörigkeit ohne nach außen tretende fundamentalistische Grundhaltung
  • c) legaler Aufenthalt in Deutschland
  • d) keine eigenen Kinder
  • e) Studientätigkeit (technische Studienfächer)
  • f) Mehrsprachigkeit
  • g) Keine Auffälligkeiten im allgemeinkriminellen Bereich
  • h) rege Reisetätigkeit
  • i) häufige Visabeantragungen
  • j) finanziell unabhängig
  • k) Flugausbildung.

Als Grundlage für den Abgleich können die Datenbanken von Einrichtungen wie dem Landeseinwohneramt Berlin, Hochschulen beziehungsweise Universitäten und Fachhochschulen des Landes, Ver- und Entsorgungsunternehmen in Berlin (Gas, Strom, Wasser, Müllabfuhr, Recycling), Einrichtungen mit Bezug zur Atomenergie sowie öffentlichen und privaten Institutionen mit Bezug zu chemischen, biologischen oder radiologischen Gefahrenstoffen dienen. Herangezogen werden aber auch die Dateien von den Betrieben des öffentlichen Nahverkehrs, von Kommunikationsdienstleistern in Berlin, von Berliner Flughafengesellschaften, Sicherheitsdienste, Luftfahrtschulen und Luftfahrtunternehmen. Interessant erscheinen den Ermittlern außerdem Catering-Firmen und Reinigungsfirmen.

Die Berliner Hochschulen hatten die Daten bereits am Montag an die Behörden weitergeleitet. Allein an der Technischen Universität (TU) blieben dabei über 400 Studierende im Raster hängen, was Studentenvertretungen Anlass zur Sorge um entstehendes Misstrauen und Hass unter den Besuchern der Alma Mater gibt und Hochschulpolitikern Angst um den Wissenschaftsstandort Deutschland macht.

Die Rasterfahndung, die in Grundzügen in den von linken Terrorgruppen geprägten 70er Jahren entwickelt wurde, ist insgesamt sehr umstritten. Mehrere Grünen-Abgeordnete sowie Datenschützer halten den Aufwand für wenig praktikabel und die Methode für letztlich ineffektiv. Vor allem ist Beobachtern unklar, wie die in der Regel eher schlecht als recht mit Computertechnik ausgestatteten Polizeiämter die Nadeln im Heuhaufen überhaupt finden sollen. Weil die Bundesländer offenbar nicht mit 100-prozentig identischen Rastern arbeiten, könnte die bundeweite Zusammenführung der Daten Schwierigkeiten bereiten. Hinzu kommt die Vielzahl von Datenformaten, da praktisch jede abzufragende Stelle andere Systeme einsetzt. Juristen kritisieren die Rasterfahndung zudem, weil die Abgleichspirale angesichts fehlender Evaluierungsmöglichkeiten eine gesetzlich nicht mehr einzuschränkende Eigendynamik entwickeln könnte. (Stefan Krempl) / (hod)