Europäische Software-Patente durch die Hintertür

Obwohl die politische Entscheidung über Software-Patente in Europa noch nicht gefallen ist, hat das europäische Patentamt (EPA) die entsprechenden Richtlinien für die Prüfung im europäischen Patentamt auf eigene Faust geändert.

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Von
  • Oliver Diedrich

Obwohl die politische Entscheidung über Software-Patente in Europa noch nicht gefallen ist, hat das europäische Patentamt (EPA) die entsprechenden Richtlinien für die Prüfung im europäischen Patentamt auf eigene Faust geändert. In einer jetzt veröffentlichten Änderung des Artikels 52 werden Computerprogramme explizit als "computer-implementierte Erfindungen" tituliert, die prinzipiell patentierbar sind, sofern sie einen "technischen Charakter" haben.

An diesen "technischen Charakter" werden dabei keine hohen Anforderungen gestellt: Er "könnte zum Beispiel in der Steuerung eines gewerblichen Verfahrens, in der Verarbeitung von Daten, die Gegenstände verkörpern, oder in der internen Funktionsweise des Computers selbst oder seiner Schnittstellen unter dem Einfluß des Programms zu finden sein und beispielsweise ... die Verwaltung der erforderlichen Computerressourcen oder die Datenübertragungsgeschwindigkeit einer Kommunikationsverbindung beeinflussen", so die neue Formulierung der Richtlinie. Es ist schwierig, sich ein Computerprogramm vorzustellen, das nicht irgendwelche Daten verarbeitet, Schnittstellen anspricht oder beispielsweise seinen Speicher verwaltet.

Auch "Pläne, Regeln und Verfahren für gedankliche Tätigkeiten, für Spiele oder für geschäftliche Tätigkeiten" sind jetzt nach der neuen EPA-Richtlinie europaweit patentierbar. Damit könnte es möglich werden, auch in Europa Geschäftsprozesse vom Kaliber des Amazonschen One-Click-Verfahrens zu patentieren.

Das Brisante ist, dass das EPA hier auf dem Verwaltungsweg eine politische Entscheidung vorweg nimmt -- die Eurolinux-Allianz spricht von einem "juristischen Putsch". Ende letzten Jahres war auf einer Konferenz zur Überarbeitung des Europäischen Patentübereinkommens ausdrücklich beschlossen worden, die bestehende Regelunge zur Nicht-Patentierbarkeit von Software vorerst beizubehalten und damit grundsätzlich keine Software-Patente zuzulassen. Nachdem die mögliche Einführung von Patenten auf Software nach dem Muster der USA Kritik aus unterschiedlichen Richtungen ausgelöst hatten, wollten die beteiligten Staaten zunächst ein umfassendes Meinungsbild gewinnen und auch die Patentpraxis in den USA studieren. Gerade dort zeigen sich zunehmend die Schattenseiten einer hemmungslosen Patentierpraxis. (odi)