Web-Inhalte: Verschoben ist nicht gelöscht

Die "Aktion Kinder des Holocaust" hat wegen antisemitischer Veröffentlichungen eine Strafanzeige gegen die News-Plattform Indymedia in der Schweiz gestellt.

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Lesezeit: 2 Min.
Von
  • Florian Rötzer

Samuel Althof, Sprecher der Vereinigung Aktion Kinder des Holocaust, hat eine Strafanzeige gegen die Verantwortlichen von switzerland.indymedia.org bei der Schweizer Polizei wegen antisemitischer Veröffentlichungen gestellt. Auf der Website des linken Infoportals würden sich antisemitische Beiträge häufen, die verantwortlichen "ModeratorInnen + RedakteurInnen" würden diese aber nicht entfernen, sondern nur mit einem Kommentar in den "Zensurkübel" verschieben. Dort seien sie nicht nur weiter einsehbar, der Zensurkübel enthalte auch durch "die Ansammlung 'gelöschter' Beiträge eine bewusst gewollte Attraktivität".

Die Mitarbeiter von Indymedia Schweiz rechtfertigen diese Praxis. Indymedia sei als "linkes Medium" grundsätzlich gegen Rassismus eingestellt, könne aber missbräuchlich gepostete Beiträge nicht ganz verhindern. Daher habe man den Zensurkübel eingeführt, um hier die zensierten Beiträge mit einer ausdrücklichen Distanzierung zu "verbannen": "Es ist uns wichtig, diese inhaltlich zu kritisieren und gegen diese menschenverachtenden Ideologien Stellung zu nehmen. Wenn dies als erneute Publikation bezeichnet wird, dann müssen wir uns energisch dagegen verwehren."

Die nichtkommerziellen Medienzentren von Indymedia.org wollen Nachrichten von unten liefern und haben sich vor allem über Live-Berichterstattung bei den Antiglobalisierungsprotesten eine gewisse Bekanntheit erarbeitet. Das erste Independent Media Center (IMC) wurde 1999 während der Demonstrationen gegen das WTO-Treffen in Seattle eröffnet und gestattete allen, Artikel, Kommentare und Bilder, aber auch Audio- und Videodateien weitgehend unzensiert zu posten. Seitdem hat sich diese Idee auf der ganzen Welt verbreitet, sodass mittlerweile in vielen Ländern IMCs zu finden sind -- deren Server sich allerdings in den USA und in Kanada befinden, weil dort die gesetzlich und verfassungsrechtlich garantierte Meinungsfreiheit noch am weitesten geht. Selbst wenn möglichst keine Zensur stattfinden soll, so ist allerdings auch bei den IMCs die Frage umstritten, wie man mit Beiträgen verfahren soll, die inhaltlich unerwünscht sind.

Das Vorgehen gegen Indymedia hat allerdings noch eine Kehrseite, da die Aktion die Mitteilung über die Strafanzeige mit PDF-Dateien der beanstandeten Seiten verlinkt und so diese selbst noch einmal veröffentlicht hat. Eine von Indymedia in den Zensurkübel verschobene Karikatur eines Brasilianers, die auch als Beweis für die Aktion dient, findet sich übrigens auch ganz unzensiert auf dem IMC in Israel.

Mehr in Telepolis: Umstrittene Rolle des Zensurkübels. (fr)