Streit um Firmen-Interna im Web

Der Fall Dotcomtod.com wirft Fragen auf: Wer haftet, wenn Insider in offenen Diskussionsforen Zweifel an der Liquidität eines Unternehmens schüren?

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Von
  • Florian Rötzer

Bei Dotcomtod.com geht es um Insider-Nachrichten aus der New Economy, vornehmlich um Informationen, wie der Name schon verrät, über Firmen, die in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten und Pleite gehen. Mitmachen kann jeder, aber besonders gern gesehen sind die wirklichen Insider, die einen "Exit" mitsamt Interna melden, natürlich noch bevor ansonsten die Meldung ihre Runde gemacht hat.

Manche Firmen finden das nicht gut, denn schlechte Nachrichten halten mögliche Käufer ab oder gefährden die Jobs. Nach Informationen von Spiegel Online hat ein Vertreter der Firma Frogdesign, die vor kurzem Konkurs anmelden musste, nun erstmals Strafanzeige gegen einen der Insider gestellt, der seit seit Monaten die Probleme der dahinsiechenden Firma in Dotcomtod ausplauderte. Die Staatsanwaltschaft Düsseldorf geht dem Fall nach. Im Visier haben die Ermittler bislang nicht die virtuelle Gerüchteküche, sondern den mitteilungsfreudigen "Sentinel" selbst.

Die für zahlreiche redaktionelle Netzangebote entscheidende Frage ist allerdings, inwiefern die Betreiber von offenen Diskussionsforen und "Weblogbüchern" generell zur Haftung gezogen werden können. Einen "prinzipiellen Unterlassungs- sowie Schadenseratzanspruch" will Frauke Gersdorf, auf Medienrecht spezialisierte Rechtsanwältin in der Bonner Kanzlei Redeker Sellner Dahs & Widmaier, gegen die Plattformbetreiber nicht ausschließen, insofern Persönlichkeitsrechte oder Geschäftsgeheimnisse durch Insider-Informationen verletzt würden.

Grundsätzlich können Frauke Gersdorf zufolge "die Betreiber von News-Plattformen für die angebotenen Inhalte haften". Für fremden Content gelten nach der 1997 beschlossenen Multimediagesetzgebung allerdings Privilegien: Anbieter haften nur, wenn sie eine klare Kenntnis von gesetzeswidrigen Inhalten haben. Gestritten wird in der Fachwelt allerdings über den Punkt, wie sich fremde von eigenen Inhalten abgrenzen lassen. "Bei der Übernahme von Informationen von Firmenmitarbeitern und anderen Externen liegt es nahe, von fremden Informationen für den Betreiber der Plattform auszugehen", bekundet Frauke Gersdorf.

Der Münchner Strafrechtprofessor Ulrich Sieber neigt dagegen zu der Auffassung, dass sich die Macher von Dotcomtod die Nachrichten ihrer Zulieferer zu eigen machen. Schließlich prüfen Lanu und ihr engster Mitarbeiterkreis, wie Sentinels gegenüber Telepolis bestätigten, die für die Site bestimmten Botschaften, ordnen sie in verschiedene Kategorien ein, verteilen "Credits" und schalten sie schließlich einzeln frei. Die echten Insider-Postings werden dabei gelb markiert, was sie als "nicht bestätigte Informationen" ausweisen soll.

Präzedenzentscheidungen in ähnlich gelagerten Fällen gibt es bislang nicht. Teilweise Entwarnung gibt Frauke Gersdorf allerdings für alle Medienangebote, die wie Telepolis oder heise online Leserforen mit automatischer Freischaltung von Beiträgen anbieten. Es sei keine Frage, "dass eine besondere Pflicht des Plattform-Betreibers, seinen Dienst auf die von Dritten abgespeicherten Inhalte regelmäßig zu überprüfen, nicht besteht". Er müsse also nicht ständig "auf der Lauer liegen". Nichtsdestoweniger bestehe aber die Möglichkeit, den Anbieter nachträglich von etwaigen rechtswidrigen Inhalten in Kenntnis zu setzen. Das habe die Folge, dass er fortan "bösgläubig" sei und hafte. (Stefan Krempl)

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