18C3: Zielwahlsuche ist laut Gutachten verfassungswidrig

Auf dem 18. Chaos Communication Congress diskutierten Datenschutzexperten die Folgen der Antiterror-Gesetze.

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Von
  • Florian Rötzer

Auf dem diesjährigen Chaos Communication Congress fand gestern eine Diskussion über die Zukunft des Datenschutzes nach dem 11. September statt. Das zweite, mit großer Mehrheit verabschiedete "Sicherheitsgesetz" ermöglicht beispielsweise den Geheimdiensten und dem Bundesverfassungsschutz vom 1. Januar an die Lizenz zum Schnüffeln bei privaten Unternehmen aus den Bereichen Geldverkehr, Luftfahrt und Telekommunikation.

Dem Berliner Datenschutzbeauftragte Hansjürgen Garstka geht das Maßnahmenpaket trotz einiger Entschärfungen nach wie vor "viel zu weit". Allerdings brachte er auch die Hoffnung zum Ausdruck, dass letztlich "alles doch nicht so wild wird." In dem Anti-Terrorismus-Gesetz sei nämlich viel "Symbolhaftes" drin, und das gesamte Konstrukt könnte sich gar als "große Luftblase" entpuppen. So gelte der jetzt eingeführte Speicherzwang für Telekommunikationsdaten nur in einzelnen Fällen, in denen die Geheimdienste Bedarf anmelden: "Wenn die Privatunternehmen genug Zivilcourage haben und sagen: 'Nein, wir geben die Daten nicht raus', ist der Verfassungsschutz am Ende."

Das sieht Thomas Königshofen, der Datenschutzbeauftragte der Deutschen Telekom, anders. Mit einer auch noch so mutigen Verweigerungshaltung komme ein Unternehmen nicht weit. Persönlich sei er schon mehrfach von Staatsanwälten angegangen und sogar wegen Strafvereitelung angeklagt worden. Die Ausweitung der so genannten Zielwahlsuche hält er für besonders problematisch. Dabei müssen die Netzbetreiber herausfinden, wer bei einer zu observierenden Person in den letzten Wochen alles angerufen hat. Da die Aufzeichnungen der Anbieter immer von der Kommunikationsquelle und nicht dem Kommunikationsziel ausgehen, müssten wegen eines Beschuldigten dazu sämtliche Verbindungen der rund 40 Millionen anderen Telekom-Kunden durchgeschaut werden.

Knackpunkt sind für die Wirtschaft vor allem die hohen Kosten der Überwachungshilfsleistungen. Die Telekom hat daher bei Jürgen Welp, einem renommierten Rechtsprofessor an der Universität Münster, ein Gutachten in Auftrag gegeben, dessen Ergebnisse jetzt vorliegen. Darin werde bestätigt, so Königshofen, dass gerade die Zielwahlsuche in den Verbindungsdaten verfassungswidrig sei. Da zu diesem Zweck die Daten unverhältnismäßig vieler unbescholtener Bürger ins Visier genommen werden müssten, seien die Kollateralschäden zu hoch. Handle es sich bei den meisten Fällen doch auch um Betrügereien, nicht etwa um Organisierte Kriminalität oder Terrorismus.

Angesichts der Ergebnisse des Gutachtens ist nun allerdings die Frage offen, wer gegen die Datenschnüffelei klagen soll. Die eigentlich Betroffenen sind nämlich nicht die Telekommunikationsfirmen, sondern die von der Datenüberprüfung betroffenen Bürger, die in der Regel aber nichts davon erfahren. "Es kann also nur sein, dass wir aufgrund der Kosten mal vors Verfassungsgericht ziehen", kündigte der oberste Datenschützer der Telekom an. (Stefan Krempl)

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