BND warnt vor Terror-Attacken im Internet
Islamistische Terroristen in Deutschland denken nach Einschätzung des Bundesnachrichtendienstes BND auch an Attacken im Internet.
Islamistische Terroristen in Deutschland denken nach Einschätzung des Bundesnachrichtendienstes (BND) auch an Attacken im Internet. Ziel könnte es sein, die Infrastruktur lahm zu legen, sagte der BND-Terror-Experte Dieter Kaundinya am Mittwoch während der Herbsttagung des Bundeskriminalamtes in Wiesbaden. Bei den Anhängern des Terroristenführers Osama bin Laden in Deutschland sei "die Möglichkeit, aus dem Stand einen Anschlag zu verüben, konkret vorhanden", warnte Kaundinya laut dpa. "Die denken da dran." Welche Attacken der BND genau meint, in welcher Form sie vonstatten gehen sollen oder welche Erkenntnisse bislang vorliegen, dazu wollte sich der Geheimdienstler nicht äußern.
Deutschland sei nicht mehr nur "Ruhe- und Rückzugsraum" für islamistische Terroristen, ergänzte der Chef des Bundeskriminalamtes (BKA), Ulrich Kersten, die Ausführungen des Geheimdienstlers. "Wir müssen von einem realen Gefährdungspotenzial ausgehen." Es gebe eine Struktur von gewaltbereiten Islamisten auch in Deutschland. Eine Gefahr bestehe vor allem für US-amerikanische, britische, israelische und jüdische Einrichtungen. Derzeit gebe es aber keine konkreten Erkenntnisse auf Anschläge in Deutschland, betonte Kersten.
Der Direktor beim Bundesverfassungsschutz, Helmut Stachelscheid, beschrieb die zunehmende Radikalisierung von islamistischen Gruppen seit Mitte der 90er Jahre auch in Deutschland mit den Worten: "Das in einigen arabischen Ländern verbreitete Sprichwort: 'In den Teller, aus dem man isst, spuckt man nicht', scheint an Verbindlichkeit zu verlieren." Um mögliche Anschläge zu verhindern, sei vor allem eine frühestmögliche Aufklärung notwendig. Die künftige Entwicklung hänge auch davon ab, ob es gelinge, die friedensfähigen Kräfte des Islam gegen die islamistische Gewalt zu aktivieren. Der Verfassungsschutz beziffert die Zahl der Mitglieder und Anhänger von islamistischen Organisationen in Deutschland auf derzeit rund 31 000.
BKA-Chef Kersten sagte, seine Behörde sei derzeit intensiv damit beschäftigt, die Finanzquellen von mutmaßlichen Attentätern aufzudecken und auszutrocknen. Dazu seien in Deutschland 448 Personen, 19 Firmen und sechs Vereine sowie 450 Bank- und 45 Kreditkartenkonten überprüft worden. Dabei seien bereits einige Anhaltspunkte für Bezüge zu islamistischen Terroristen aufgetaucht. Insgesamt seien bei der nach dem 11. September eingerichteten BKA- Sonderorganisation 17 000 Hinweise eingegangen, 6000 davon seien bereits bearbeitet worden.
Angesichts der von den Geheimdiensten und Ermittlungsbehörden aufgestellten Bedrohungs-Szenarios forderte Kersten natürlich eine bessere Zusammenarbeit zwischen BKA, Verfassungsschutz und BND. Es müssten Brücken zwischen den bestehenden "Informationsinseln" geschlagen werden. Die strikte Trennung von Geheimdiensten, Strafermittlungs- und Strafverfolgungsbehörden in Deutschland war sowohl von der Regierung als auch der Opposition nach den Anschlägen des 11. September in Frage gestellt worden, was aber unter anderem beim Bundesjustizministerium auf Kritik stieß. Erweiterte Befugnisse zum Datenaustausch zwischen Geheimdiensten und Strafverfolgern wurden aber unter anderem im zweiten Anti-Terror-Paket ("Otto-Katalog II") der Bundesregierung festgehalten. (jk)