Bundeskabinett beschließt neue Überwachungsparagraphen

Das Bundeskabinett hat am gestrigen Mittwoch einen Entwurf zur Änderung der Strafprozessordnung beschlossen, der Ermittlern den Zugriff auf Verbindungsdaten im Bereich der Telekommunikation sichern soll.

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Das Bundeskabinett hat am gestrigen Mittwoch einen Entwurf zur Änderung der Strafprozessordnung (StPO) beschlossen, der Ermittlern den Zugriff auf Verbindungsdaten im Bereich der Telekommunikation sichern soll. Die zwei neuen Unterpunkte zu § 100 StPO sollen die Nachfolgeregelung für die Ende des Jahre außer Kraft tretende Regelung des § 12 des Fernmeldeanlagengesetzes (FAG) bilden. Sie gestattet es den Strafverfolgungsbehörden, von den verpflichteten Diensteanbietern Auskunft über Telekommunikationsverbindungen zu verlangen. Damit lassen sich dank moderner Data-Mining-Techniken Nutzerprofile erstellen. Die Speicherfristen für Verbindungsdaten regelt die Telekommunikationsdatenschutzverordnung (TDSV). Sie wurden im vergangenen Herbst von Rot-Grün auf ein halbes Jahr hochgesetzt.

Da es sich bei der Ermächtigung der Strafverfolger um einen Eingriff ins Fernmeldegeheimnis sowie in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung handelt, hat das Bundesjustizministerium die Hürden für die Ermittler leicht erhöht. So soll in Zukunft bei Bespitzelungsmaßnahmen, die wegen "Gefahr im Verzug" durch die Staatsanwaltschaft angeordnet werden, innerhalb von drei Tagen eine richterliche Bestätigung nachgereicht werden müssen. Zudem wird die Neuregelung bis Ende 2004 befristet. Danach plant die Bundesregierung die Ausarbeitung eines "Gesamtkonzeptes", in das die Ergebnisse eines Gutachtens zur "Rechtswirklichkeit und Effizienz der Überwachung der Telekommunikation" auf Basis des Abhörparagraphen 100 StPO einfließen soll. Die seit langem erwartete Studie, die das Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht erstellt, wird nach Auskunft des Bundesjustizministeriums "frühestens im Frühjahr 2002" vorliegen.

Generell sollen Strafverfolger dem Entwurf für § 100g zufolge nur dann die Verbindungsdaten beanspruchen dürfen, wenn "die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes des Beschuldigten auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre." Zu den Daten zählt der Gesetzgeber insbesondere "Berechtigungskennungen, Kartennummern, Standortkennung sowie Rufnummer oder Kennung des anrufenden und angerufenen Anschlusses". Damit werden insbesondere auch die IMEI-Nummer, die beim Mobilfunk zur Gerätekennung übertragen wird, sowie die IP-Adressen von Internet-Rechnern erfasst, heißt es in der Begründung. Die Auskunftsrechte erstrecken sich aber zunächst nicht auf die "hinter" einer IP-Adresse stehende Person oder E-Mail-Adresse. Der eigentliche Lauschangriff auf die Surfer wird im Rahmen der umstrittenen Telekommunikations-Überwachungsverordnung diskutiert.

Während die Bundesregierung glaubt, mit der vorgeschlagenen Nachfolgeregelung "sowohl dem Schutz der betroffenen Grundrechte als auch den Belangen einer wirksamen Strafrechtspflege" Rechnung zu tragen, hat der bayerische Justizminister Manfred Weiß bereits den vom Bundesrat noch abzusegnendem Entwurf als "nicht hinnehmbar" kritisiert. Für den CSU-Politiker sind Maßnahmen nach § 12 FAG "unerlässlich für die Bekämpfung der Datennetzkriminalität und ein unverzichtbares Instrument für die Fahndung nach untergetauchten Verbrechern." Die von Rot- Grün geplante Verschärfung der Anordnungsvoraussetzungen, fürchtet Weiß, "wird eine Sicherheitslücke schaffen." Der bayerische Justizminister fordert, dass das bisherige Ermittlungsinstrumentarium "im Interesse einer effektiven Verbrechensbekämpfung auch weiterhin ohne Abstriche zur Verfügung stehen" müsse. Der Rechtsausschuss des Bundesrats wird Ende September zu dem Entwurf Stellung nehmen. (Stefan Krempl) / (wst)