Behörden-Funknetz TETRA von Aachen bis Peking

Das Funknetz TETRA soll alle Strafverfolgungsbehörden und den Katastrophenschutz unter einen Hut und auf den neuesten Stand der Technik bringen.

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Von
  • Detlef Borchers

Auf einem Pressegespräch in Düsseldorf zog Polizeirat Rüdiger Korp als Projektleiter Digitalfunk eine erste Bilanz des TETRA-25-Pilotprojekts, das am 7. Dezember 2001 in Betrieb gegangen ist. Korp zeigte sich mit den ersten Ergebnissen in puncto Sprachqualität und Vernetzungstechnik sehr zufrieden, bemängelte aber Kompatibilitätsprobleme bei den nach ETSI-Normen gebauten TETRA-Terminals der unterschiedlichsten Hersteller.

Der in der Dreiländerregion Aachen gestartete Digitalfunk bringt erstmals Polizei, Feuerwehr, Katastrophenschutz, Zoll, Bundesgrenzschutz, Bundeskriminalamt und Verfassungsschutz in einem einzigen Funknetz unter und gestattet die länderübergreifende Behördenkommunikation in einem gleichzeitig für Sprach- und Datenkommunikation ausgelegten Netz, etwa mit dem ASTRID-System in Belgien und C2000 in den Niederlanden. Das "mit einer kleinen zweistelligen Millionensumme" (Korp) gestartete Pilotprojekt in einem Gebiet von 715 Quadratkilometern steht unter Federführung des Landes Nordrhein-Westfalen, ist aber für die Polzeibehörden aller Bundesländer maßgeblich. So werden in Westdeutschland auch Anforderungen wie das Boorman-Car-Indentifizierungssystem mitgetestet, die von der bayerischen Polizei gestellt werden.

Das von Motorola gelieferte System ging im Dezember mit elf Basisstationen, 580 Handsprechgeräten und 248 KFZ-Installationen sowie 100 Funkkoffern in den Betrieb, wobei 20 Prozent dieser mobilen Terminals von anderen Herstellern wie Nokia, Marconi, Cleartone und Thales geliefert werden mussten. Gegenüber dem herkömmlichen analogen Behördenfunk mit seinen für jeden Dienst separierten Kanälen sei die neue Technik ein großer Schritt nach vorn, betonte Korp. Vor allem überzeuge die Fähigkeit, Datenverbindungen parallel zum Sprechfunk aufbauen zu können. So könnten Datenbanken erstmals direkt in die Polizeiarbeit eingebunden werden. "Die Informationen sind bei den Kollegen vor Ort und nicht in der Leitstelle", betonte Achim Knecht, Referatsleiter Digitalfunk bei der Abteilung zentrale polizeitechnische Dienste. Die Übermittlung eines Kurzberichtes mit Passfoto brauche 6,8 Sekunden, eine komplette Personenbeschreibung mit zwei Fotos brauche 15 Sekunden bis zum Einsatzort. Grenzüberschreitend konnte sich nach Angaben von Korp das Pilotprojekt bei einer belgischen Demonstration von Globalisierungsgegnern bewähren, die die Staatsgrenzen zu überschreiten drohte.

Der TETRA-Pilotversuch in der Aachener Region läuft bis Ende 2003. Im April 2002 ist jedoch bereits eine Auswertung zur Innenministerkonferenz fällig, die über das Vergabeverfahren beim Netzbetreibermodell für ein bundesweites TETRA-System beschließen muss. Dabei entwickelt die ZED (Zentralstelle zur Einführung des Digitalfunks) verschiedene Modell-Varianten. Ein großes Vorbild ist Finnland, dessen weitgehend fertig gestelltes TETRA-Netz VIRVE (Viranomais Verkko, Behördennetz) von einer Firma betrieben wird, die zu 60 Prozent dem Transportministerium und zu 40 Prozent dem Telecom-Konzern Sonera gehört. Neben einer Benutzungsgebühr müssen die einzelnen Behörden nur die Kosten der Terminals tragen (wobei in Finnland auch das Militär und Sozialdienste VIRVE nutzen).

Ein deutschlandweit ausgebautes TETRA kommt auf 4000 bis 7000 Basisstationen und eine Million Endgeräte und hat ein Investitionsvolumen von 2,5 bis 3 Milliarden Euro. Ziel ist es, bis zur Fußball-Weltmeisterschaft 2006 den neuen Behördenfunk installiert zu haben. Damit liegt man im Trend: Auch das konkurrierende französische TETRAPOL-System wurde mit Blick auf die Fußball-WM fertig. Das Pressegespräch fand in den Räumen der Firma Nokia statt, die einen dicken Fisch an der Angel präsentierte: Nokias verkündete den Abschluss eines Vertrages über die Lieferung eines TETRA-Komplettnetzes nach Peking. Es soll die chinesischen Behörden bei der Durchführung der Olympischen Spiele 2008 unterstützen.

Während TETRA beim digitalen Behördenfunk der derzeitige Stand der Technik ist, hat die Forschung und Entwicklung bereits die nächste Stufe ins Visier genommen. So beschäftigt sich das von der ETSI und Europol angestoßene Project MESA (Mobility for Emergency and Safety Applications) mit einem Katastrophenschutz-Kommunikationsnetz auf Breitband-Basis, in dem neben der Sprach- und Datenkommunikation Robotersteuerung und der Echzeittransport medizinischer Daten in einem selbstheilenden Funknetz auf der Agenda stehen. (Detlef Borchers) / (jk)