Bundestagsverwaltung bestätigt Einsatzreife von Linux

Interne Tests der Bundestagsverwaltung bescheinigen sowohl Windows wie Linux ausreichende Stabilität. Die Microsoft-Produkte erscheinen dem IT-Stab aber als ausgereifter.

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Parallel zu der externen Migrationsstudie hat die Bundestagsverwaltung in Zusammenarbeit mit Microsoft auf der einen sowie IBM und SuSE auf der anderen Seite auch eigene Tests für die bevorstehende Umstellung auf ein neues Betriebssystem durchgeführt. Die Ergebnisse liegen heise online jetzt vor: Sie dürften frischen Wind in die hitzig geführte Debatte um die zukünftige IT-Landschaft der Parlamentarier bringen.

Nach den Tests zeigten die beiden untersuchten Konfigurationen -- Windows 2000 als Server- und Windows XP als Client-Betriebssystem beziehungsweise SuSE 7.2/7.3 -- "ausreichende Stabilität". Die Prüfungen der erforderlichen Funktionen, heißt es in dem 68-seitigen Bericht, seien bei beiden Varianten "insgesamt positiv verlaufen". Grundsätzlich könnten demnach beide Produktpaletten "bei entsprechender Vorbereitung sowie angemessenem Mittel- und Personeneinsatz zum Einsatz gebracht werden."

Trotzdem erweckten die Tests bei den Bundestagsadministratoren letztlich den Eindruck, dass sie mit Windows besser bedient seien: Die Prüfteams geben vor allem als Client-Betriebssystem Windows XP gegenüber Linux beziehungsweise dem von SuSE verwendeten KDE-Desktop "aus technischer Sicht" den Vorzug. Beim Test gängiger Bürotätigkeiten zeigten sich mit dem Open-Source-Produkt StarOffice 6 zwar keine schwerwiegenden Mängel; die Kompatibilität mit unter Windows erstellten Dateien sei größtenteils gewährleistet. Die IT-Experten der Bundestagsverwaltung bemängeln aber, dass das anscheinend bei den Abgeordneten beliebte Arbeiten mit Copy & Paste "nicht vollständig unterstützt" werde und die Zwischenablage-Funktion nicht durchgängig zu nutzen sei.

Auch beim Serverbetrieb gewannen die beteiligten IT-Referate den Eindruck, "dass Windows 2000 das in sich geschlossenere, 'reifere' Produkt" darstelle. Alle benötigten Dienste seien zwar mit beiden Lösungen zu verwirklichen gewesen. Doch bei den Prüfern blieb nach der IBM-Vorführung der fahle Nachgeschmack hängen, "dass mit deutlich mehr Installations-, Programmierungs- und Testaufwand zu rechnen ist". Als Ursachen werden unter anderem "Probleme mit der Hardwareerkennung" sowie in Handarbeit zu leistende Nach-Implementationen genannt.

Auch bei der Installation von IT-Sicherheitskomponenten befürchten die Techniker bei Linux einen höheren Konfigurationsaufwand als bei Windows. Gefragt waren vor allem das Aufsetzen und Verwalten starker kryptographischer Maßnahmen zum Schutz von Anwenderdaten vor unberechtigten Zugriffen durch Dritte, die Einführung und der Betrieb einer Public Key Infrastruktur (PKI) gemäß dem deutschen Signaturgesetz sowie die Nutzung von SmartCards zum Zwecke der Authentifizierung. Grundsätzlichere Sicherheitsfragen wie etwa die Überprüfbarkeit des bei Open-Source-Anwendungen offen einsehbaren Quellcodes durch die Entwicklergemeinde und staatliche Stellen oder die Virenanfälligkeit spielten dagegen keine Rolle.

Die Anforderungen des Bundestags konnten beide Lager nicht hundertprozentig erfüllen. Für Linux etwa stellte IBM eine PKI nur "in Teilfunktionen" dar, bemängelt das Referat IT-Sicherheit. Aber auch die "einfache PKI" bei Windows 2000 wurde den Bedingungen des Signaturgesetzes nicht gerecht. Die Prüfer merkten an, dass die präsentierte Chipkartenlösung nur vierstellige, nicht auf Zahlen und Buchstaben gleichzeitig basierende PINs nutzen könne und eine Eingabe der Nummern am Lesegerät nicht möglich sei. Beim Verzeichnisdienst im Serverbereich neigt die Verwaltung dem Active Directory Microsofts zu, obwohl dieses in der Studie der externen Beratungsfirma Infora aufgrund von Sicherheitsmängeln abgelehnt wird. Die "bessere Qualität" der Präsentation Microsofts schien die Techniker allerdings zu überzeugen.

Ziel der in der Zeit von Ende September bis Mitte November von den IT-Referaten der Verwaltung zusammen mit den Firmen durchgeführten Analyse war die Ermittlung der marktgängigen Software, mit der die Umrüstung auf das neue System möglichst reibungslos durchzuführen sei. Dabei galt es, die spezifische Aufgabenstellung des Bundestags und seiner Verwaltung zu berücksichtigen. Die IT-Referate wollen noch in dieser Woche eine Beschlussempfehlung auf Basis ihrer eigenen Tests sowie der Infora-Studie abgeben, die in die endgültige Entscheidung des Ältestenrats in einer Woche einfließen wird. Die beiden Parlamentarier Jörg Tauss (SPD) und Hans-Joachim Otto (FDP), die im Bundestag die beiden Hauptströmungen der Debatte um die einzusetzende Software repräsentieren, vertreten ihre Positionen am morgigen Mittwoch ab 13 Uhr im Chat auf heise online. (Stefan Krempl) / (jk)