EU-Kommission will Patentschutz für Software

In einem jetzt verabschiedeten Richtlinienentwurf gelten computerimplementierte Erfindungen als patentierbar, so sie den Stand der Technik vorantreiben.

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Die Europäische Kommission glaubt einen Weg gefunden zu haben, den umstrittenen Artikel 52 der Europäisches Patentübereinkommens beibehalten zu können und trotzdem Softwarepatente möglich zu machen. Demnach gehören "Programme für Datenverarbeitungsanlagen" also solche nicht zu den "patentfähigen Erfindungen". In einem am heutigen Mittwoch nach langem Tauziehen verabschiedeten Richtlinienentwurf schlägt die Kommission nun vor, computerimplementierte Erfindungen patentierbar zu machen. Als Kernvoraussetzung müssen diese aber den "Stand der Technik" in ihrem Gebiet so erweitern, dass der Beitrag "für eine fachkundige Person nicht nahe liegend ist". Daneben sind die üblichen Basiskriterien der Neuheit, der erfinderischen Tätigkeit und der gewerblichen Anwendbarkeit zu erfüllen.

Binnenmarkt-Kommissar Frits Bolkestein will mit dem Dreh Gewissheit für die "Milliarden-Euro-schwere Softwareindustrie" schaffen, "was patentierbar ist und was nicht". Auch sein jahrelanger Gegenspieler im Streit um die Softwarepatente, der Kommissar für Fragen der Informationsgesellschaft Erkki Liikanen, kann mit dem Vorschlag nun leben: Er glaubt zumindest, dass damit der "Umfang und die Qualität von Patenten auf einem vertretbaren Niveau zu halten" ist.

Gleichziehen will die EU vor allem mit der bereits seit Jahren praktizierten Patentierung von Software in den USA und in Japan. Außerdem soll die Richtlinie die von Gerichten bislang vorangetriebenen De-facto-Entscheidungen zu IT-Patenten rechtlich wieder einholen und in festgezurrte Bahnen lenken.

Scharfe Kritik an dem Richtlinienentwurf kommt vom Förderverein für eine freie informationelle Infrastruktur (FFII), der auf seiner Website ein "Gruselkabinett" bereits rechtlich nicht einwandfreier Softwarepatente des Europäischen Patentamts pflegt. Die Kommission will nach Auffassung des FFII-Lobbyisten Hartmut Pilch mit dem Vorschlag die rund 30.000 "gegen den Buchstaben und den Geist der geltenden Gesetze" erlassenen Patente für Computer-implementierbare Organisations- und Rechenregeln legalisieren.

Auf Europa sieht Pilch nun eine Patentinflation wie in den USA zukommen, die dort zu abstrusen Fällen wie dem Anspruch der British Telecom auf ein Patent für Hyperlinks geführt hat. Als Triebfeder der Entwicklung hat der FFII eine hauptsächlich von Patentanwälten großer Konzerne angeführte Glaubensgemeinde ausgemacht. Völlig hinweggesetzt habe sich die Kommission dagegen über die rund 100.000 Unterzeichner der sich gegen Softwarepatente aussprechenden Petition der Allianz Eurolinux.

Bei der Auswertung der im Oktober 2000 gestarteten Sondierung zu Fragen der Ausweitung des Patentschutzes auf Computerprogramme habe die Kommission zudem nur die Stimmen industrienaher Verbände gehört und die alternativen Meinungen unterschlagen. Besonders beunruhigt hat die Eurolinux-Vertreter dabei eine seit Tagen im Netz kursierende Vorabversion des offiziellen Richtlinienentwurfs, der im Autorenfeld des Word-Dokuments den Namen des Europa-Lobbyisten des amerikanischen Softwareverbands BSA, Francisco Mingorance, verrät.

Die Kommission verweist dagegen darauf, dass sie gerade einer Übernahme der häufig kritisierten US-Praxis, selbst Geschäftsmethoden zu patentieren, mit der Technik-Klausel einen Riegel vorschieben will. Auch die deutsche Rechtsprechung, die unter anderem mit den Fällen "Automatische Absatzsteuerung" und "Sprachanalyseeinrichtung" in Patentkreisen auf sich aufmerksam gemacht hat, wird kritisiert, da sie Erfindungen mit einem Beitrag "nichttechnischer Art" für schützenswert erachtet habe.

Eine wichtige Sicherungsklausel stelle zudem Artikel 8 des Vorschlags dar. Darin erhält die Kommission den Auftrag, dem Europäischen Parlament binnen drei Jahren nach Inkrafttreten der Richtlinie darüber zu berichten, wie sich Patente auf computerimplementierte Erfindungen auf die Innovationstätigkeit auswirken. Allerdings müssen der Europäische Rat sowie das Parlament dem Entwurf zuvor zustimmen, was angesichts der hitzigen Debatte um (Software-)Patente nicht ganz ohne Änderungswünsche über die Bühne gehen dürfte.

Siehe dazu auch: Lob und Tadel für neue Patentrichtlinie aus Brüssel. (Stefan Krempl) / (anw)