Von Gravenreuth hat ausgeballert

Die "Ballermann-Markeninhaber" haben Rechtsanwalt Günter Freiherr von Gravenreuth nach eigenen Angaben das Mandat entzogen.

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Von
  • Holger Bleich

Das Ehepaar Engelhardt, Inhaber der Marke "Ballermann", hat sich nach eigenen Angaben von Anwalt Günter Freiherr von Gravenreuth als Schützer seiner Markenrechte getrennt. Gravenreuth ist vielen Internet-Nutzern auch durch die "Explorer-Abmahnungen" bekannt: Der Anwalt ist Rechtsvertreter der Firma Symicron, die die Markenrechte für den Begriff "Explorer" innehat. "Ballermann" war in die Schlagzeilen geraten, weil von Gravenreuth die Marke durch mehrere hundert teilweise fragwürdige Abmahnungen verteidigt hat. Egal ob Metatag oder Vereins-Homepage: Wen die Kanzlei aufgespürt hat, der musste sich auf Post aus München gefasst machen.

"Von Gravenreuth zu beauftragen, war ein Fehler", sagte André Engelhardt im Gespräch mit heise online. Mit einer Vereinbarung hatten die Engelhardts von Gravenreuth dazu ermächtigt, selbst eventuelle Markenrechtsverletzungen zu ermitteln. "Dabei ist er weit über das Ziel hinausgeschossen", bedauerte Engelhardt. "Wir hatten nie etwas dagegen, dass Vereine oder Privatpersonen den Begriff nutzen. Davon profitiert doch unsere Marke 'Ballermann'."

Engelhardt gibt an, er habe bis vor kurzem keine Kenntnis vom Umfang der Gravenreuth’schen Aktivitäten gehabt. Die Kanzlei habe seiner Frau und ihm "ab und zu ein Paket von 20 bis 30 Vollmachten" zugefaxt, aus denen nicht hervorging, welcher Art die abzumahnende Markenrechtsverletzung war. Wenn eine Unterlassungserklärung einging, hätten sie eine Kopie bekommen, ansonsten aber seien sie vom Verlauf der Fälle nicht weiter informiert worden. Ein solches Verhalten gilt in Anwaltskreisen zumindest als moralisch fragwürdig.

Erwischt hatte es beispielsweise den Grundschullehrer Stefan Ruppaner. Er war mit seiner Hobbyband auf einer "Ballermann"-Party aufgetreten. Weil ein Fan auf der Homepage der Musikgruppe hinterher im Gästebuch den Auftritt lobte, flatterte Ruppaner eine Abmahnung ins Haus. Der Lehrer ging nicht darauf ein und gewann sowohl das Verfahren gegen die einstweilige Verfügung als auch die Hauptsacheverhandlung und die Berufung von Gravenreuths. "Hier und in anderen Fällen hat von Gravenreuth eigenmächtig ohne unser Wissen gehandelt. Wir hätten das nie so weit getrieben", sagte Engelhardt.

Nun sind die "Ballermann"-Inhaber richtig sauer, denn sie müssen die Gerichtskosten bezahlen. Daher haben sie eine andere Kanzlei damit beauftragt, sämtliche Fälle nachträglich zu untersuchen. Laut Engelhardts Patentanwalt Christof Kayser eine langwierige Angelegenheit: "Bisher sind etwa 390 Abmahnungen bekannt", sagte er. "Sehr fragwürdige Sachen" seien da dabei, so viel könne er schon sagen. "Die meisten Fälle werden sich wohl als Luftblasen erweisen." Für von Gravenreuth könnte die Ballermann-Abmahnwelle auch finanzielle Folgen haben: "Es sind schon einige Fälle gefunden worden, zu denen das Ehepaar Engelhardt Regressforderungen stellen kann", sagte Kayser. Und das haben die Engelhardts, die nach eigenen Angaben zurzeit für die Kosten von verlorenen Prozessen aufkommen müssen, auch vor.

Gegenüber heise online erklärte Rechtsanwalt Günter Freiherr von Gravenreuth, er habe "in jedem von mir abgemahnten Fall eine Einzelvollmacht von Frau Engelhardt erhalten", die "ausdrücklich auch das Recht zur Klageerhebung umfassten". Annette Engelhardt habe "von allen relevanten Schriftsätzen Kopien erhalten". Dies gelte insbesondere auch für den Fall "Ruppaner". Von Gravenreuth wirft dem Ehepaar Engelhardt außerdem mangelnde Kooperation vor. Zu einem Verfügungsverfahren vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf habe er André Engelhardt gebeten, als Zeuge zu erscheinen. "Weil der Hobby-Golfspieler nicht zum Termin kam, fordert seine Frau nun Regress von mir", erklärte von Gravenreuth. Er betonte, dass Engelhardt "auf einer intensiven Beitreibung von Schadensersatzansprüchen bestand". (hob)