Verfassungsklage gegen Vorratsdatenspeicherung möglich

In Kiel diskutierten Datenschutzexperten unter anderem über den Gesetzentwurf, der Provider zur Speicherung von Verbindungsdaten auf Vorrat verpflichten soll.

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Von
  • Axel Kossel

Der Kieler Rechtswissenschaftler Professor Albert von Mutius schließt eine Verfassungsklage nicht aus, sofern die Speicherung von Verbindungsdaten auf Vorrat gesetzlich vorgeschrieben würde. "Die verfassungsrechtliche Abwehr wird aber schwierig", sagte der Universitätsprofessor während der Sommerakademie auf Einladung des Unabhängigen Landeszentrums für den Datenschutz Schleswig-Holstein (ULD). Unter dem Arbeitstitel "Unser Recht auf Anonymität" diskutierten heute 300 Teilnehmer aus unterschiedlichen Bereichen im Kieler Schloss.

Der Bundesrat hatte den Gesetzentwurf "zur Verbesserung der Ermittlungsmaßnahmen wegen des Verdachts sexuellen Missbrauchs von Kindern" Ende Mai mit der Mehrheit der unionsgeführten Länder verabschiedet. Das Gesetz soll die Überwachung von Internet- und Mobilfunkverbindungen erleichtern -- nicht nur bei Ermittlungen wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern. Es stößt bei Datenschützern und Wirtschaftsverbänden auf starken Widerstand und hat im Bundestag noch keine Mehrheit gefunden.

"Das wäre eine Umkehr der Verhältnisse", urteilte der Landesbeauftragte für Datenschutz in Schleswig-Holstein, Helmut Bäumler, über die Vorratsdatenspeicherung. "Wir kommen plötzlich in Erklärungsnot für Dinge, die völlig selbstverständlich sind." Zwar solle eine Strafverfolgung im Datennetz auch weiterhin möglich sein, "wir wehren uns aber gegen die Erfassung des unbescholtenen Bürgers", so Bäumler. "Die Vorratsdatenspeicherung ist vergleichbar mit einer Massenüberwachung", sagte der Wissenschaftler der Freien Universität Berlin, Professor Hannes Federrath. Nach Ansicht des Informatikers sollte es ein "Recht auf anonymes Nutzen" des Internet geben (siehe auch Paragraf 4, Abs. 6 Teledienstedatenschutzgesetz).

Für einen florierenden E-Commerce sei es wichtig, "dass ein gesundes Maß an Datensicherheit gewährleistet ist", sagte Schleswig-Holsteins Wirtschaftsminister Bernd Rohwer (SPD). "Das schafft Vertrauen, und gegenseitiges Vertrauen stärkt eine Geschäftsbeziehung." Sein Ministerium fördere daher von Herbst an das ULD-Projekt "Datenschutz mit P3P für Internet-Surfer" mit 60.000 Euro. P3P steht für Platform for Privacy Preferences und ist ein vom W3C verabschiedeter Standard für Online-Datenschutz. Denn: "Internet ohne Datenschutz ist wie Autofahren ohne Gurt", sagte Rohwer. (ad)