"Kontrollfelder" -- Programmieren als künstlerische Praxis

Der Dortmunder "hartware medien kunst verein" präsentiert die erste Schau internationaler Softwarekunst: Die Künstler sehen Computer und Software nicht nur als Werkzeuge, sondern als ästhetisches Material.

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Von
  • Thomas Strünkelnberg
  • dpa

Hin und wieder stürzt selbst Matthias Weiß der Rechner ab. Der Kurator der bundesweit ersten Ausstellung internationaler Softwarekunst Kontrollfelder (5. April bis 5. Mai) in Dortmund will die durchaus lustvoll zu erfahrende Fehlerhaftigkeit von Software demonstrieren -- und scheitert an ihr. "Benutze ich die Maschine oder benutzt sie mich?", stellt Weiß denn auch die zentrale Frage der Schau im Dortmunder hartware medien kunst verein. "Die Ausstellung ist ein Experiment und etwas sperrig." Denn die zehn Künstler und Künstlergruppen, die mit ihren Programmen und Installationen die Grenzen kommerzieller Software überschreiten und ihre Funktionen ad absurdum führen wollen, sehen Computer und Software nicht nur als Werkzeuge, sondern als ästhetisches Material. "Software bestimmt sehr stark unser Leben, aber bleibt im Verborgenen", erklärt Weiß.

Ganz anders in der Installation "Delphi V.2.1" von Thomas Kamphusmann: Der Künstler baut Computerteile in einem Stahlregal zu einem funktionierenden Rechner zusammen. Der offene und scheinbar interaktive Rechner, dem Betrachter über ein Mikrofon Fragen stellen können, druckt nach kurzem Überlegen Antworten aus -- aber es sind sinnlos verwirbelte Fragmente aus medienkritischen Werken etwa von Walter Benjamin. "Wir unterstellen Maschinen, dass sie auf alles antworten und alles besser können, aber dennoch werden wir mit Unsinn enttäuscht und zurückgeworfen", sagt der Kurator.

Aufmerksam machen will die Schau auch auf irreführende Benutzeroberflächen moderner Betriebssysteme -- eben "Kontrollfelder": "Das Wort 'Kontrollfeld' suggeriert vermeintliche Kontrollierbarkeit", sagt Weiß. Wie wenig kontrollierbar Computerprogramme sein können, zeigen teilweise benutzbare Anwendungen, die auf dem Bildschirm wie kommerzielle Software wirken, sich aber gegen jede Benutzung sträuben: Der "Tracenoizer" der Schweizer Künstlergruppe "LAN" etwa ist eine Internetseite, die dem Benutzer scheinbar eine persönliche Homepage einrichtet. Doch die persönlichen Daten setzt das Programm aus Informationen zusammen, die es wild aus dem Netz fischt. Adrian Wards "Auto-Illustrator" kommt ebenfalls wie ein kommerzielles Grafikprogramm mit Benutzeroberfläche daher. Doch anders als in den persiflierten Programmen vermittelt Wards Software dem Benutzer das Gefühl, schnell die Kontrolle zu verlieren - plötzlich läuft Ungeziefer über die mühsam erstellte Grafik.

Parallel zur Ausstellung "Kontrollfelder" zeigt der rumänische Kurator Attila Tordai-S. eine Präsentation osteuropäischer Medienkunst unter dem Titel unstable narratives. Neun Künstler aus Ungarn, Rumänien, Serbien, Deutschland und den USA beschäftigen sich mit dem Verhältnis von Wirklichkeit und Erzählung. In Fotografien und Videos stoßen die Künstler Geschichten an, deren Ausgang und Wahrheitsgehalt offen bleiben: Das Video "10-Second-Couples" von Cristian Alexa etwa zeigt eine Frau auf der Straße, die verschiedenen Passanten für kurze Zeit folgt oder ihre Hand hält.

Die Ausstellung "Kontrollfelder" ist im hartware medien kunst verein Dortmund dienstags bis freitags von 16.00 bis 22.00 Uhr zu sehen, samstags und sonntags oder an Feiertagen von 13.00 bis 22.00 Uhr. (Thomas Strünkelnberg, dpa) / (jk)