Österreichs Verfassungsgerichtshof prüft Sicherheitspolizeigesetz nicht

Der österreichische Verfassungsgerichtshof hat Beschwerden gegen das neue Sicherheitspolizeigesetz aus formalen Gründen abgewiesen. Die Beschwerdeführer sollen erst den normalen Rechtsweg beschreiten.

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Der österreichische Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat mehrere Individualbeschwerden gegen das umstrittene Sicherheitspolizeigesetz (SPG) aus formalen Gründen zurückgewiesen (G 31/08, G 147/08, G 148/08 und weitere). Nach fast eineinhalb Jahren steht damit fest, dass der VfGH eine direkte Prüfung der angefochtenen neuen Absätze 3a und 3b des Paragraphen 53 ablehnt. Das neu gefasste SPG verpflichtet Mobilfunker seit 2008, auf Polizeibefehl Standortdaten und die internationale Mobilfunkteilnehmerkennung (IMSI) eines Handys preiszugeben. Gleichermaßen müssen Provider Name und Anschrift von Nutzern bestimmter IP-Adressen herausgeben. Eine richterliche Kontrolle der Wünsche der Polizei gibt es nicht mehr; eine Information der Betroffenen ist ebenso wenig vorgesehen, wie die Löschung der erhobenen Daten.

Gegen diese überraschend und ohne Vorberatung zur Geisterstunde im Nationalrat durch die Regierungskoalition aus SPÖ und ÖVP beschlossenen Änderungen hatten Netzbetreiber, Oppositionspolitiker, Juristen und andere Personen Individualbeschwerden beim Verfassungsgerichtshof erhoben. Die Beschwerdeführer beklagten die Verletzung zahlreicher verfassungsrechtlicher Bestimmungen und Rechte. Doch keine der Beschwerden wurde vom VfGH inhaltlich bearbeitet. Denn der Gerichtshof ist der Ansicht, dass Betroffene zuerst den normalen Rechtsweg beschreiten sollen, bevor sie sich an den VfGH wenden. So könnten Netzbetreiber Rechtsmittel gegen einzelne Auskunftsersuchen der Polizei ergreifen – erst wenn diese keinen Erfolg haben, steht der Weg zum VfGH offen.

"Personen, die den konkreten Verdacht haben, dass ihre Daten aufgrund dieser Bestimmungen im Sicherheitspolizeigesetz unzulässigerweise ermittelt werden, haben zahlreiche Rechte", führt der VfGH in einer Presseinformation (PDF-Datei) aus. "Dazu gehört das Auskunftsrecht, das Löschungsrecht und das Beschwerderecht an die Datenschutzkommission (gegen deren Entscheidungen dann wiederum Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden kann)." Auf den Umstand, dass die Betroffenen auch nachträglich nicht über die Überwachung informiert werden, wird nicht eingegangen.

In der Mitteilung wird festgehalten, dass das SPG keine rechtliche Grundlage für neue Speicherpflichten ist. Nach wie vor dürfen Netzbetreiber Daten nur so lange speichern, als dies für die Abrechnung erforderlich ist. Die Vorratsdatenspeicherung ist in Österreich noch nicht umgesetzt. In der Branche wird gemunkelt, dass manche Telekommunikationsanbieter rechtswidrig mehr Daten speichern als zulässig. Der VfGH betont, dass sich ein Auskunftsverlangen nach dem SPG "nur auf jene Daten beziehen kann, die beim Telekombetreiber zulässiger Weise (noch) gespeichert sind."

Individualbeschwerden von Bürgern wegen behaupteter Verfassungswidrigkeit von Normen sind in Österreich nur zulässig, wenn die Person durch die Verfassungswidrigkeit unmittelbar in ihren Rechten verletzt ist und sofern die Norm "ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist" (Artikel 140 Absatz 1 B-VG). Diese Voraussetzungen werden vom VfGH streng geprüft, erfolgreiche Individualbeschwerden sind daher selten.

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(Daniel AJ Sokolov)

Daniel AJ Sokolov ist freier Journalist und berichtet für heise online über alle Themen aus Telekommunikation, IT und dem gesellschaftlichen Umfeld in Österreich. Sokolov ist parallel dazu auch Mitglied der österreichischen Grünen und Vorsitzender der Bezirksvertretung Wien-Josefstadt. (vbr)