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Was war. Was wird. Von Ehrenworten, Ehrentagen und ihrem Gegentum.

Jetzt haben wir den Salat: Das Internet brennt ab, und den Rest erledigen die Cyberkrieger. Hal Faber mag zwar keine Panikmache, sieht aber Anlass zur Sorge.

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Ach, was haben wir uns durch die Digitalisierung nicht alles eingebrockt. Alleine schon dadurch, dass kaum noch einer nachdenkt über das "Wofür, wozu und wie?". Da kommt dann schnell die Cloud-Apokalypse und der Cyberkriegs-Weltuntergang in aller erschreckenden Realität heraus.

(Bild: jamesteohart / Shutterstock.com)

Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Hal Faber

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

*** Eigentlich müsste diese kleine Wochenschau mit einer überspezifischen Ehrenerklärung beginnen, wie sie bei der CDU, diesem Club deutscher Unternehmer, gerade in Mode gekommen ist: Dieser Text ist garantiert keine "frische Stimme im Journalismus", wie sie im millionenfach gedruckten Aufbruch-Magazin von Google gerade präsentiert wird. Hier gibt es nur gut abgehangene Einschätzungen zu den Ereignissen der vergangenen Woche und zu denen, die noch kommen werden, in all ihrer frischen Überraschigkeit. Deswegen ist die Auflösung des Kürzels CDU als "Club deutscher Unternehmer" im Großhandel mit Masken und anderen knappen Gütern keine böswillige Unterstellung, sondern schlicht Teil einer Multiple Choice-Aufgabe des offiziellen deutschen Sprachtests für Ausländer. Früh übt sich halt, was ein guter Amigo werden will. Das ganze Gerede vom schwindenden Vertrauen in die Politik, von schäbigen Politikern ist überflüssig. Spätestens seit Helmut Kohls "Ehrenwort" weiß man, dass Ehre ein plasmaförmiger Zustand ist. Sind nicht die beiden Jungunternehmer Sascha Rudolphi und Luca Steffens ehrlicher, die sich nach dem überaus profitablen Masken-Verkauf zwei Bentleys und einen Ferrari kauften?

*** Ehrlich, ganz ehrlich: Verschwörungstheorien sind nicht mein Fall. Sie führen zu Fake News und die sind bekanntlich Gift für frischen Journalismus. Doch die erste französische Manöverübung Aster X des neuen Weltraumkommandos mit tatkräftiger Unterstützung durch das Kommando Cyber- und Informationsraum der Bundeswehr verdient Beachtung. Seit Montag wurde in Toulouse am Centre national d'études spatiales der Laserangriff im Weltraum geübt, bis die Server glühten, wie die französische frische Presse launig schrieb. Da drängt sich doch der Verdacht auf, dass der Brand in der Cloud bei Straßburg von den kämpfenden Servern verursacht sein könnte. Oder sollte der Brand mit den Plänen des Hosters OVH zu tun haben, mit seiner Cloud aus 260.000 Servern und 20 Rechenzentren an die Börse zu gehen? Unter den großen Verlierern soll der Spieleanbieter Facepunch sein, der von seinem im Straßburg gehosteten Survivalspiel "Rust" kein Backup der Serverdaten gezogen hat. Wo bleibt da der frische Journalismus? Ihn findet man bei der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, die das Rechenzentrum als Walhall unserer Zeit überhöht: "Die Rauchsäule im Herzen des Internet wirkt wie das Symbolbild eines Epochenbruchs – des schwierigen Übergangs von der Kultur des Verbrenners zum Elektrozeitalter, vom Fossilen um Immateriellen, vom rußigen Schmutz der Druckerschwärze und Auspuffrohre, von der dreckigen Wärme der Kamine und Zigaretten zum eisigen Leuchten der kalten, glatten Bildschirme."

*** Fröstelnd und schauernd geht es zur Gegen-FAZ, der tageszeitung, die sich Gedanken zum Verhältnis von Politik und Digitalisierung macht und eine seltsame Kombination aus Ideenlosigkeit und Desinteresse konstatiert. Da beschäftigt man sich gerne auf IT-Gipfeln mit KI oder mit dem autonomen Fahren, schließt aber vor aktuellen Fragen die Augen. Deutlich wird das beim digitalen Impfpass, der es in dieser Woche in die Nachrichten brachte, einmal als Ungetüm, gesichert durch fünf verschiedene Blockchain-Anbieter, einmal als Quantenproblem, weil der deutsche Impfpass vor den Details zum europaweiten Impfpass vorgestellt werden soll, auf dem er beruht. Doch wen kümmert schon die ordinäre Kausalität? Egal. Genauso sieht es bei der Haltung zum Impfpass aus: "Nehmen wir also an, die Idee eines digitalen Impfpasses erweist sich als sinnvoll, weil das Papierdokument nicht in ausreichendem Maße fälschungssicher gemacht werden kann und es daher zu Betrügereien kommen kann, die zu neuen Virusherden führen. Aber auch dann stellen sich einige Fragen, etwa: Was heißt so eine Entwicklung für die Anonymität im halb öffentlichen Raum, etwa im Restaurant oder beim Friseur? Diese Einrichtungen werden für die Überprüfung des Impfstatus auch einen Identitätsnachweis brauchen. Sonst ließen sich die Impfnachweise einfach weitergeben. Kommt es durch neue Ausweispflichten dazu, dass Menschen auf diese Angebote verzichten?" Sind solche Fragen zu komplex? Dann fördern wir doch lieber die KI.

*** Heute ist bekanntlich der Pi-Day, was man daran erkennt, dass in Rheinland-Pfalz 3,14 Millionen Wähler zu Ehren von Pi zur Wahl des Landtages schreiten. Gut, gewählt wird auch in Baden-Württemberg, aber da gibt es nur den Bi-Day, weil der Schwabe kein P kann. Die Badener übrigens auch nicht, um eine verkannte Bevölkerungsgruppe der seltsamen (und im tiefen Süden eher ungeliebten) Bundesland-Konstruktion zu ihrem Recht kommen zu lassen. Erst im letzten Jahr hat die UNESCO den von Nerds seit Ewigkeiten gefeierten Tag offiziell anerkannt, ihn aber gleich etwas umfassender zum Tag der Mathematik erklärt. Mathematik ist bekanntlich das Rechnen mit Zahlen und Grenzwerten rund um die Inzidenzen, auch so ein Bereich, der von der Politik nicht gerade beherrscht wird: "Im Nu immun", die für Kinder zum Pi-Day gedachte Mathe-Aufgabe dürfte einen Politiker wie Armin Laschet überfordern. In seinem Bundesland erreichte die Gemeinde Ruppichteroth im Rhein-Sieg-Kreis eine Inzidenz von 233. Der Versuch, die Schulen zu schließen, wurde in dieser Woche von seiner Bildungs-Ministerin Yvonne Gebauer untersagt, wie zuvor schon im Kreis Düren. Die neue deutsche Welle ist die dritte Welle und sie ist von der Politik hausgemacht. Bekanntlich gelten Corona-Regeln nicht für hochrangige Politiker:innen, etwa für eine Ministerpräsidentin. Bekanntlich haben wir einen Gesundheitsminister, der viel für einen Satz gelobt wurde, der nach der Pandemie gelten soll: "Wir werden einander viel verzeihen müssen." Etwa die Fahrt nach Leipzig zum Spendensammeln für 9999 Euro, exakt unterhalb der Meldegrenze? Nein, das müssen wir nicht.

5000 Motive, 5000 Tage sind in dieser Woche für umgerechnet 69,3 Millionen US-Dollar versteigert worden. Das ist der dritthöchste jemals gezahlte Preis für ein Bild, das von einem noch lebenden Künstler erstellt wurde. Damit dürfte der Hype um die in Blockchains verankerten NFT-Bilder erst richtig beginnen, wie das Beispiel der französischen Firma Sorare und den Fußball-Sammelbildern zeigt. Und er wird sich in der Musikindustrie ausbreiten, die gerade mal einen neuen Anlauf nimmt, die problematischen DNS-Sperren wieder einzuführen. Das Beispiel der Kings of Leon wird Schule machen, wie die Luxus-Ticket-Pakete zeigen, die für 160.000 US-Dollar verhökert wurden. Garantiert wird ein Sitzplatz in der ersten Reihe bei jedem Konzert, ein Limousinen-Service für den Abend und ein Ausführservice für den Hund.

Wie diese aktuelle Meldung zur Ransomware zeigt, ist die Sicherheitskatastrophe rund um den Exchange-Server noch lange nicht ausgestanden, die Bedrohungslage "rot" gilt unverändert, die "Cyber-Triage" ist noch voll im Gange: "IT-Sicherheitsunternehmen haben nicht genug Leute, um allen Firmen zu helfen, die jetzt Hilfe bräuchten." Die Situation wird gar mit dem völkerrechtswidrigen Abwurf von Streubomben verglichen, die Warnungen des BSI sind eindringlich: Am Wochenende nicht im Home Office arbeiten! Nun wird derzeit an einem IT-"Sicherheits"-Gesetz 2.0 gewerkelt, das genau in dieser Situation entscheidend sein kann.

aus: Lewis Mumford, Der Mythos der Maschine

"Im Entwurf für das neue IT-Sicherheitsgesetz 2.0 versteckt sich eine Passage, die dem Amt für IT-Sicherheit BSI nur dann vorschreibt, Sicherheitslücken zu melden, wenn 'überwiegende Sicherheitsinteressen' dem nicht entgegenstehen. Heißt im Klartext: Wenn das BSI eine Microsoft-Sicherheitslücke findet, die der Bundesnachrichtendienst gut gebrauchen könnte, dann stehen die Chancen künftig nicht schlecht, dass die Meldung beim Geheimdienst anstatt bei Microsoft landet." Danke da nich für, oder, wie der Schwabe sagt: däbbad.

(jk)