Erste funktionsfähige künstliche Gebärmutter

Eine Studie zeigt anhand von Mäuse-Embryos, dass Entwicklung und Wachstum von Säugetieren auch ohne lebenden Uterus möglich ist.

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Labor

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(Bild: RossHelen / Shutterstock.com)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Frank Schräer
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Israelische Forscher haben eine künstliche Gebärmutter geschaffen, in der sich Mäuse-Embryos für einige Tage erfolgreich entwickelt haben. Damit wollen die Wissenschaftler erstmals gezeigt haben, dass Säugetiere auch außerhalb eines natürlichen Uterus wachsen können.

Die Experimente sollen das Verständnis der Entwicklung von Säugetieren verbessern und zeigen, wie sich Mutationen, Nährstoffversorgung und Umwelteinflüsse auf einen Fötus auswirken. Die wichtigere Frage der Zukunft dürfte allerdings sein, ob andere Tiere und vielleicht sogar Menschen in einer künstlichen Gebärmutter entstehen können oder dürfen.

Die Forscher des Weizmann-Instituts für Wissenschaften in Rechovot, Israel, haben die Mäuse-Embryos am fünften Tage der Schwangerschaft entnommen und für weitere sechs Tage in einer künstlichen Gebärmutter wachsen lassen. Eine Mäuseschwangerschaft dauert üblicherweise 20 Tage. Wie Nature berichtet, haben die Forscher auf diese Weise bereits mehr als 1.000 Mäuse-Embryos kultiviert.

Der Vergleich mit natürlich gewachsenen Embryos im gleichen Stadium habe keine Unterschiede gezeigt. Alle Organe und Gliedmaßen waren auch in der künstlichen Gebärmutter normal entwickelt. Inzwischen sind die israelischen Forscher um Dr. Jacob Hanna schon einen Schritt weiter als in der Studie beschrieben. Nach seinen Angaben gegenüber der New York Times haben er und seine Kollegen Eier bereits am Tag der Befruchtung entnommen und elf Tage lang in der künstlichen Gebärmutter wachsen lassen.

Die Entwicklung der künstlichen Gebärmutter dauerte sieben Jahre. Die Anlage umfasst Inkubatoren, Nährstoffversorgung und ein Belüftungssystem. Die Mäuse-Embryos werden in Glasfläschchen mit spezieller Nährstofflösung in den Inkubator platziert. Diese bewegt sich langsam, damit sich die Embryos nicht an der Glaswand ansetzen, was zu Deformierungen und Tod führen würde. Die Inkubatoren und die Embryos werden vom Ventilationssystem kontrolliert mit Sauerstoff und Kohlendioxid versorgt.

Nach mehr als zehn Tagen benötigen die Embryos allerdings eine Blutversorgung und können ohne diese nicht mehr überleben. Die Nährstoffversorgung reicht in diesem Stadium nicht mehr aus. Eine verbesserte Nährstoffversorgung oder eine künstliche Blutzufuhr sind nach Angaben der Forscher die nächsten Schritte. Aktuell wollen sie anhand der künstlichen Gebärmutter mehr über die Gründe von Fehlgeburten erfahren und warum sich manche befruchtete Eier nicht weiterentwickeln.

Bislang war es Wissenschaftlern lediglich gelungen, befruchtete Eier von Säugetieren für sehr kurze Zeit im Labor wachsen zu lassen. Die Embryos benötigten eine natürliche Gebärmutter. Dies schränkte die Forschung der Frühentwicklung deutlich ein. "Der heilige Gral der Entwicklungsbiologie besteht darin, zu verstehen, wie eine einzelne Zelle, ein befruchtetes Ei, alle spezifischen Zelltypen im menschlichen Körper bilden und zu 40 Billionen Zellen heranwachsen kann", erklärt Paul Tesar, Entwicklungsbiologe der Case Western Reserve University School of Medicine in Cleveland, Ohio.

Andere Forscher haben Mäuse-Embryos aus Bindegewebe erzeugt. Damit würden keine befruchteten Eier mehr benötigt, um die Entwicklung zu beobachten. Und die Eier der Mäuse müssten nicht mehr befruchtet werden, bloß um die Embryos später zu zerstören.

Die Entwicklung bleibt nicht bei Mäusen stehen. Zwei weitere Paper beschäftigen sich bereits mit der Erzeugung menschlicher Embryos aus Stammzellen. Dies erfordert nach Einschätzung von Wissenschaftlern aber noch jahrelange Forschung – falls es überhaupt gestattet wird. Wissenschaftler vermeiden bislang die Erforschung menschlicher Embryos zwei Wochen nach Befruchtung. Ob die Entstehung menschlichen Lebens in einer künstlichen Gebärmutter möglich sein und angewendet wird, ist künftig nicht mehr eine Frage der Wissenschaft, sondern der Ethik, der Gesetze und der Gesellschaft.

(fds)