Neue Exchange-Alternative grammm als Open Source

grammm steht für „Groupware and much, much more“. Wir haben die Wiener Exchange-Alternative ausprobiert und spüren Ähnlichkeiten zur Groupware Kopano nach.

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(Bild: grammm)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Peter Siering

Eine unschuldige News brachte Ende Februar die Mitarbeiter der grammm GmbH ins Schwitzen: Früher als dort geplant hatte unsere Kollegin von heise online grammms Absichten veröffentlicht. Sie berichtete, dass die Firma eine Exchange-Alternative auf Open-Source-Basis entwickelt. grammm veröffentlichte den Code auf GitHub, eine Demo im Web und ein ISO zur Installation einer Appliance.

Viele Details legen eine Verwandtschaft zum ebenfalls als Open Source entwickelten Kopano nahe: die Anbindung der Groupware an Outlook, Mobile Device Management (MDM), Web-Oberfläche, Dateianwendung und viele weitere Dienste (wie IMAP, Cal- und CardDAV). Die grammm-Quellen auf GitHub enthalten Spuren der von Kopano BV im niederländischen Delft vertriebenen Groupware.

Das klingt so auf den ersten Blick, als hätte sich grammm Teile des unter AGPL-3 entwickelten Kopano geschnappt und ein eigenes Produkt daraus gemacht. Nicht nur in den Quellen auf GitHub stecken Hinweise darauf: Besonders die für Benutzer gedachte browserbasierte Bedienoberfläche von grammm entspricht augenfällig der Kopano WebApp.

Die Weboberfläche der grammm-Groupware stammt offenbar aus dem Kopano-Sortiment.

Die technischen Unterschiede zeigen, dass grammm vieles neu entwickelt hat: grammm bändelt direkt mit Outlook an, indem es eine eigene Implementierung der Exchange-Protokolle (RPC über HTTP) bereitstellt. Den Kern von grammm bildet das auf GitHub veröffentlichte, neu entwickelte gromox-Projekt. Es implementiert die wesentlichen Dienste, auf denen die Groupware aufbaut: Mail mit IMAP, POP3 und SMTP für den lokalen Transport sowie Outlook-Anbindung via RCP/HTTP und MAPI. In den Quellen finden sich auch Hinweise, dass grammm die Daten in SQLite-Instanzen verwahrt.

grammm verspricht viel: Mit den selbst implementierten Exchange-Protokollen will der Hersteller maximale Kompatibilität zu Outlook erreichen. Und er hat sogar kürzere Reaktionszeiten als vergleichbare Exchange-Umgebungen ermittelt. In der Roadmap steht, dass im August 2021 eine weitere Version erscheinen soll. Pakete für gängige Distributionen sollen schon bald erscheinen, eine Community-Seite ist ebenfalls im Aufbau.

Um grammm auszuprobieren, gibt es derzeit zwei Wege: eine über die Website erreichbare Demo-Installation und eine ISO-Datei für die Installation auf eigener Hardware. Nur beim eigenhändigen Einrichten bekommt man die von grammm ergänzten Werkzeuge zur Administration zu sehen. Das enthaltene Dashboard zeigt den Status der einzelnen Dienste an. Es integriert Werkzeuge zum Verbinden mit einem LDAP-Verzeichnis oder zum Verwalten lokaler Nutzer und Mail-Domains.

Für eine erfolgreiche Installation brauchte man anfangs ein aus dem Internet erreichbares System und musste den spärlichen Anweisungen akribisch folgen. Die Appliance konnte nur dann passende SSL-Zertifikate bei Let’s Encrypt beschaffen. Eine neue Version soll diese Anforderungen lockern.

Das Dashboard der grammm-Appliance ist eine Eigenentwicklung wie vieles unter der Haube der neuen Groupware.

Wir haben mit den grammm-Entwicklern über die Ähnlichkeiten gesprochen: Die Kurzfassung ist, dass sie aus pragmatischen Gründen Teile anderer Open-Source-Projekte geforkt haben, um sich auf die inneren Werte ihres Exchange-Ersatzes zu konzentrieren. Den wollen sie "effizient" halten. Sollte sich das Versprechen in der Praxis bestätigen, wäre grammm eine spannende Bereicherung der Open-Source-Welt und ein Schritt zu digitaler Souveränität. Der Wettstreit belebt das Geschäft.

c’t Ausgabe 8/2021

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(ps)