Das "Jahrhundertereignis" der Bafin: Umstrittene Rolle bei Wirecard

Die Bafin machte im Fall Wirecard schwere Fehler, da ist man sich einig im Bundestag. Schaute das Finanzministerium seiner Behörde nicht über die Schulter?

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 31 Kommentare lesen

(Bild: Plateresca/Shutterstock.com)

Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Theresa Münch
  • Andreas Hoenig
  • Bernd Mewes
  • mit Material der dpa
Inhaltsverzeichnis

Mit immer wieder kippender Stimme zeichnet eine der Schlüssel-Zeuginnen bei der Aufklärung des Milliarden-Bilanzskandals Wirecard ein chaotisches Bild. Das einer Chefin, die die wichtigen, folgenschweren Gespräche ihren Mitarbeitern überlässt – obwohl es, wie Politiker immer wieder betonen, um ein "Jahrhundertereignis" geht. Das Bild einer Aufseherin, die der Staatsanwaltschaft spektakuläre Vorwürfe blind abnimmt, die Bedenken der Bundesbank zur Seite wischt – und die vom Finanzministerium an einer langen Leine gehalten wird. Bis heute, auch im Nachhinein, sehe sie nicht, warum ihr Handeln im Fall Wirecard ein schwerer Fehler gewesen sein solle, sagt die Vizepräsidentin der Bafin, Elisabeth Roegele, am Freitag im Bundestag. Schon in wenigen Wochen muss sie ihren Posten räumen.

Die Abgeordneten im Untersuchungsausschuss zum Wirecard-Skandal können nur mit dem Kopf schütteln. "Bis heute hat Frau Roegele nicht verstanden, was echte Fehlerkultur bedeutet", sagt der Finanzpolitiker der Grünen, Danyal Bayaz. "Ihr Bild von Finanzmärkten und den Aufgaben einer Finanzaufsicht hinterließ einen Eindruck von Naivität und Vorurteilen." Seine Kollegen Florian Toncar (FDP) und Fabio De Masi (Linke) werfen Roegeles Finanzaufsicht vor, die Falschen geschützt und den Markt in die Irre geführt zu haben.

Im Fokus der Vorwürfe steht ein sehr selten genutztes Instrument der Finanzaufsicht: das Verbot von Spekulationen auf fallende Kurse – der CDU-Abgeordnete Matthias Hauer spricht immer wieder von einem "Jahrhundertereignis". Die Bafin hatte im Frühjahr 2019 ein solches Leerverkaufsverbot für Wirecard-Papiere ausgesprochen – und damit aus Sicht der Politiker das Skandalunternehmen in eine Opferrolle geschoben.

Der Grund, sagt Roegele, seien Angaben der Münchner Staatsanwaltschaft gewesen. Diese habe Anhaltspunkte für eine Attacke von Leerverkäufern gehabt, die auf die fallenden Kurse wetten und oft gezielt negative Informationen über ein Unternehmen veröffentlichen, um den Markt zu beeinflussen. Außerdem habe die Staatsanwaltschaft von Anhaltspunkten für Straftaten wie Erpressung berichtet. In München glaubte man Wirecard-Anwälten, das Unternehmen werde aus der Medienbranche unter Druck gesetzt. Hat die Bafin diese Vorwürfe überprüft? "Das ist, bei aller Wertschätzung, nicht unsere Vorgehensweise", sagt Roegele. Man gebe sich nicht als "Ermittler hinter dem Ermittler der Staatsanwaltschaft".

So verhängte die Bafin das Verbot – was man ihr zuletzt vielfach als Parteinahme oder Gütesiegel für Wirecard ausgelegt habe. "Das war und ist nicht die Zielsetzung der Bafin, die sie mit dem Leerverkaufsverbot verbunden hat", versichert die Exekutivdirektorin. Für die Bafin sei irrelevant, ob die Vorwürfe der Leerverkäufer wahr seien. Es gehe allein darum, ob der Markt manipuliert werde und Anlegern erhebliche Verluste drohten. Das allerdings, meint sie, hätte man besser erklären können.