Googelnde Kriminelle – Segen und Fluch für Ermittler

Oft denkt man gar nicht darüber nach, was man im Internet nachschaut. Das trifft auch auf Verbrecher zu. Für die Polizei kann das hilfreich sein.

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(Bild: mahc/Shutterstock.com)

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  • dpa
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Wann kommt der nächste Bus? Wie entfernt man am besten Öl-Flecken aus der Kleidung? Ein Griff zum Smartphone – schon hat man die Antwort. Fast jeder stöbert viele Male am Tag im Internet, ganz selbstverständlich und manchmal schon fast unbewusst. Und davor sind auch Verbrecherinnen und Verbrecher nicht gefeit. Die Arbeit der Ermittler verändert das erheblich.

Doch um Cybercrime soll es in diesem Text nicht gehen, sondern um rein physische Verbrechen wie Diebstahl oder Mord. Denn auch bei diesen kann das Internet eine wichtige Rolle spielen. "Es finden sich immer mehr Beweismittel in der digitalen Welt", sagt Fabian Puchelt vom Bayerischen Landeskriminalamt. Das zeigt sich auch immer wieder in Gerichtsprozessen, in denen virtuelle Spuren dazu beitragen können, Verdächtige zu überführen.

Ein paar Beispiele: Der inzwischen wegen Mordes verurteilte Verlobte der getöteten Regensburger Studentin Maria Baumer suchte im Internet nach dem perfekten Mord und der tödlichen Dosis eines Beruhigungsmittels. In einem anderen Fall, der vor dem Nürnberger Landgericht verhandelt wurde, informierte sich ein Angeklagter im Internet über tödliche Stichverletzungen, bevor er einen Nebenbuhler erstach, mit dem er sich zuvor per SMS verabredet hatte. In einem Prozess in Trier wegen einer Diebstahlserie von Endoskopen aus Kliniken machten sich zwei Männer unter anderem verdächtig, weil sie zuvor nach den betroffenen Abteilungen im Internet gesucht hatten. In Hamburg googelte eine Angeklagte nach einem Messerangriff auf eine alte Frau nur fünf Stunden nach der Tat "Tote Rentnerin Wohnung Hamburg" – mit Details, die wahrscheinlich nur die Täterin wissen konnte.

Mobiltelefone und Computer sicherzustellen, gehört für die Polizei bei vielen Straftaten mittlerweile zum Alltag. Für Mordermittler wie Frank Engelhardt vom Polizeipräsidium Mittelfranken in Nürnberg ist das Segen und Fluch zugleich, wie er sagt. Oft führt das dazu, dass Tausende von Daten ausgewertet werden müssen. "Man kann daraus viele Indizien ziehen", sagt er. Bei vielen Apps seien zum Beispiel Ortungsdienste notwendig, so dass man sehen könne, ob jemand zumindest in der Nähe des Tatortes war. Die Kontakte könnten verraten, ob Opfer und Verdächtige sich möglicherweise kannten. Auch Chat-Verläufe und Suchanfragen könnten einen Verdacht untermauern. Seit mehr als 30 Jahren arbeitet Engelhardt bei der Polizei, 15 Jahre davon im Bereich Todesermittlungen. Seine Arbeit hat sich in der Zeit stark gewandelt. "Heute kann mir das Handy erste Anhaltspunkte liefern. Früher hat man auch mal einen ganzen Straßenzug befragt, ob jemand etwas gesehen hat. Das war sehr kräftebindend."

Die digitalen Daten können bei den Ermittlungen helfen, machen diese aber gleichzeitig oft umfangreicher und langwieriger – vor allem, wenn mehrere Geräte ausgewertet werden müssen. "Die Datenfülle ist eine Herausforderung. Das kann dann zur Suche nach der Nadel im Heuhaufen werden", sagt Puchelt. Voraussetzung ist natürlich, dass die IT-Forensiker der Polizei an die Daten überhaupt herankommen.

Eine Hürde sei die Verschlüsselungssoftware der Smartphone-Hersteller, sagt Oberstaatsanwalt Thomas Goger von der Zentralstelle Cybercrime in Bamberg. Wenn die Besitzerinnen und Besitzer der sichergestellten Smartphones ihre Zugangsdaten nicht verraten oder die Polizei diese nicht irgendwo notiert findet, müssen die IT-Spezialisten versuchen, sie zu knacken. "Das ist eine Herausforderung", so Goger. "Das ist ein Stück weit auch ein Wettrennen zwischen Ermittlungsbehörden und Herstellern von Smartphones, die zum Teil großen Wert auf eine gute Verschlüsselung legen." In der Regel gelingt es nach LKA-Angaben trotzdem, an die Daten zu kommen. "Es dauert aber länger", sagt Puchelt.

Wie in einem offenen Buch können die Ermittler in den Daten dann aber nicht lesen. Sie dürfen sich nur die anschauen, die im Zusammenhang mit der Straftat stehen. Und auch die Beweiskraft hat Grenzen. "Die Daten sind ein Beweismittel von mehreren", so Engelhardt. Wenn ein Beschuldigter im Internet zum Beispiel nach dem Preis einer Waffe suche, reiche das allein noch nicht, um ihn zu überführen, weil nicht feststehe, dass er diese tatsächlich gekauft habe. Manche Daten seien auch verwirrend und führten auf die falsche Spur, sagt Engelhardt. Es komme auch vor, dass Beschuldigte absichtlich falsche Fährten legten. Das bestätigt auch Goger: "Ich hatte schon Fälle, wo Angeklagte behauptet haben, dass ihr Computer gehackt worden ist. Es ist aber gar nicht so leicht, seine Spuren vollständig zu beseitigen."

Dass falsche Fährten nicht einfach zu legen sind, konnte der Erlanger Informatik-Professor Felix Freiling wiederholt in Experimenten zeigen. Er beauftragte Master-Studierende damit, einen Browser-Verlauf so zu manipulieren, dass es aussieht, als hätte jemand ein Verbrechen begangen. Das Ergebnis finde er sehr beruhigend, sagt Freiling, der die Zentralstelle Cybercrime berät: "In eigentlich allen Fällen sind die Fälschungen aufgefallen."

(emw)