Freie Software: GNU Assembly will neue Heimat für Projekte und Betreiber sein

In der Organisation schließen sich zahlreiche GNU-Maintainer zusammen. Schon vor seiner Rückkehr zur FSF kritisierte Richard Stallman die Gründung.

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Die Maintainer einiger GNU-Softwareprojekte haben die GNU Assembly gegründet. Sie soll eine gemeinschaftliche Plattform für die Entwicklerinnen und Entwickler von GNU-Paketen bieten, die nach dem Motto "Hacking for User Freedom" handeln. Die Idee ist bereits zehn Jahre alt, aber die Gründung lädt zu Spekulationen über einen Zusammenhang zu den jüngsten Debatten rund um den GNU-Gründer Richard Stallman bei der Free Software Foundation (FSF) ein.

Die Ankündigung stellt allerdings keinen expliziten Bezug zu den Vorgängen bei der Organisation her. Stattdessen bezieht sich der Blogbeitrag zum Start der GNU Assembly auf eine zehn Jahre alte Mail, die dazu anregt, dass sich die Betreiber von GNU-Projekten zusammenschließen sollten. Gemeinsam könne man effizienter handeln als in den individuellen Projekten.

Die Mail von 2011 schlägt konkret die Gründung einer GNU Assembly und das Aufsetzen eines Gesellschaftsvertrags vor. Dieser Social Contract ist nun mit zehn Jahren Verspätung als Teil der Organisation in Version 1.0 erschienen. Er bezieht die vier wesentlichen Freiheiten (Four Essential Freedoms) ein, die auch die Free Software Foundation in ihren Grundsätzen nennt.

Die Site der GNU Assembly unter der Domäne gnu.tools nennt zudem fünf wesentliche Punkte, was "GNU" bedeute und löst dabei den Begriff, der im ursprünglichen rekursiven Akronym für "GNU's not Unix" steht auf eigene Weise auf. So stehe GNU für "Gathering under a New Umbrella", also den Zusammenschluss unter dem Schirm der neuen Organisation. "Governance, Not Unilateralism" soll darauf hinweisen, dass es eine Steuerungsebene gibt, aber keine Alleingänge. Dass es zwar gemeinsame Ziele, jedoch unterschiedliche Hintergründe gibt, betont "The Group's Not Uniform".

"GNU's Novelty Is Unequaled" spannte den Bogen zu den vier wesentlichen Freiheiten und der allgemeinen Bedeutung Freier Software. Schließlich ist "GNU Needs U" ein Aufruf an alle, sich an den Projekten in diversen Rollen von der Softwareentwicklung über die Koordination und Übersetzung bis zur Administration zu beteiligen.

Aufgrund der terminlichen Nähe wirkt die Gründung auf den ersten Blick wie eine direkte Reaktion auf die umstrittene Rückkehr Stallmans in die Führungsebene der Free Software Foundation. Stallman hatte das GNU-Projekt 1983 offiziell ins Leben gerufen. Der Verfechter von Freier Software gründete zwei Jahre später die Free Software Foundation. Äußerungen zu sexuellem Missbrauch rund um den MIT-Professor Marvin Minsky und Jeffrey Epstein führten zu heftigem Widerstand in der Organisation und schließlich 2019 zum Rückzug Stallmans.

Ende März kehrte er allerdings in den Vorstand der FSF zurück, und seitdem herrscht offener Streit zwischen den Kritikern und Befürwortern Stallmans, zumal der Grund des Austritts seinerzeit nur die Spitze des Eisbergs einer langjährigen unangemessenen Verhaltens gegenüber Frauen gewesen sei.

(Bild: GNU Assembly)

Allerdings ist die Gründung kein Schnellschuss, sondern der Gesellschaftsvertrag stand bereits seit Anfang 2020 im Review-Prozess. Anfang Februar gab es auf einer Mailing-Liste eine offene Reaktion Stallmans dazu. Er kritisiert unter anderem, die Definition dafür, was es bedeute ein Mitglied von GNU zu sein. "Es mag den Eindruck gegeben haben, dass sie all diese Dinge im Namen des GNU-Projekts tun. Das ist nicht der Fall." Weiter schreibt er "GNU Paket-Maintainer haben sich dazu bereit erklärt, zum GNU-System beizutragen, aber nichts darüber hinaus. Wir haben Beitragende nie gedrängt, die Philosophie des GNU-Projekts gutzuheißen, weil alle unabhängig von ihren Ansichten gerne zu GNU beitragen können."

Die GNU Assembly hat mit ihrer Gründung eine Mailing-Liste aufgesetzt, die als "sicherer Ort für die Gruppe zum Diskutieren der Organisation und Führung" dienen soll. Zum Startschuss gehören der Organisation Maintainer sowie Entwicklerinnen und Entwickler von 30 Projekten an, darunter die GNU Compiler Collection (GCC) und die GNU C Library (glibc).

(rme)