Corona: Sankt Lucafers Gral

Seuchen, Klimakrisen, Heilsversprechen: Was die Luca-App heute in Corona-Zeiten verspricht, erinnert doch ein wenig an das, was im Mittelalter geschah.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht
Lesezeit: 2 Min.
Von
  • Michael Link

Damals, kurz nach dem Mittelalter. Die kleine Eiszeit lässt Ernten ausfallen, Weinstöcke gehen ein. Ritterrüstungen und Burgmauern schützen nicht vor den neumodischen Feuerschlangen, die aus dem Fernen Osten kamen. Und, ach: Die Pest wütet! Mit der Lehre der vier Körpersäfte kurieren die Heiler nur ihre Geldbörsen, aber nicht die Kranken. Das Ende ist nah, künden Prediger. Sie warnen außerdem vor der irren Idee, dass die Erde keine Scheibe ist, und vor Untertanen, die lesen und schreiben lernen wollen.

Da kündet der Herold dem örtlichen Landesfürsten den Gaukler Smudilius an. Jener soll den heiligen Gral von Sankt Lucafer haben, der Wunder wirkt. Denn Untertanen, die ihn berühren, können endlich wieder ihre Scholle bestellen - auch die im Fischladen. Zum Beweis legt Smudilius eine Papierrolle vor, hübsch gesiegelt von der Fürstin Schwesiga hoch droben im Norden. Die Rolle enthält so einiges, das der Fürst nicht versteht, aber darin erwähnte der teure Hofastrologe, der Gral sei billig und nur er könne dafür sorgen, dass alles wieder so schön ist wie früher.

"Wie wirkt es denn?", will also der Fürst wissen. Der Gaukler versetzt: "Hochedler Fürst, der Gral verrät mir stets, was deine Untertanen tun, mit wem sie gotteslästerliche Reden schwingen und setzt meine Schatzmeister genau ins Bild, wann und wo sie heimlich ihre Taler ausgeben. Und das Vortrefflichste ist, dass der Gral diese Wirkung lange nach der vollständigen Heilung aller von der Pest behält!"

"Schön, aber erzählst du das alles auch mir?", will der Fürst wissen. "Ja, ich gebe euch mein Ehrenwort. Euch kostet's nur wenige Taler. Ach, Ihr habt nichts dagegen, dass ich auch die Bauern ein wenig melke?" Der Fürst nickt beifällig. Sofort erhebt sich Gemurmel seiner hochgelehrten Berater: Dass man einen teuren Gral gar nicht brauche, weil man das alles eh schon wisse, es aber niemanden interessiert. Und weil man schon die Ratten austreibe, welche die Pest brachten. Der Fürst darauf: "Papperlapapp! Was viel kostet, kann nur gut sein. Außerdem wollen die dreimal verwünschten Landesfürsten nebenan den Gral auch." So überschüttet er den Gaukler mit Gold, das eigentlich zum Reparieren der Scheunen gedacht war.

Ähnlichkeiten mit der Luca-App sind nicht ganz von der Hand zu weisen.

Michael Link

c’t Ausgabe 10/2021

Wir haben unser Notfallsystem c't-WIMage neu aufgelegt. Außerdem erfahren Sie in c’t 10/2021, wie Sie die Selbstheilung von Windows nutzen, Ihre Fritzbox absichern und wer beim Linux-Kernel mitredet. Wir haben Oberklasse-Notebooks, -Handys und Gaming-Mäuse getestet und erläutern die Grundlagen von Flash-Speichern, Ethereum und NFTs. Ausgabe 10/2021 ist ab dem 23. April im Heise-Shop und am gut sortierten Zeitschriftenkiosk erhältlich.

(mil)