Linux-Distribution Ubuntu 21.04: Neuer Versuch mit Wayland, aber ohne Gnome 40

Die neue Version der Linux-Distribution schützt /home/user vor neugierigen Augen, setzt die Gnome Shell standardmäßig in den Wayland-Modus und feilt am Desktop.

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Nach der Installation grüßt das "Hirsute Hippo".

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Das neue Ubuntu 21.04 mit dem Codenamen "Hirsute Hippo" – zu Deutsch: "Haariges Hippo" – ist jetzt allgemein verfügbar. Die frisch erschienene Version macht zugunsten von mehr Privatsphäre Schluss mit der globalen Lesbarkeit des Home-Verzeichnisses. Sie belässt die Gnome-Desktopumgebung bei Version 3.38, macht jedoch den Wayland-Modus zum Standard. Außerdem wurde der Desktop in puncto Optik und Funktionen überarbeitet.

Bei Ubuntu 21.04 handelt es sich um ein Interim-Release. Im Gegensatz zu den Releases mit Long-Term-Support, die regulär 5 Jahre gepflegt werden, versorgt Canonical Ubuntu 21.04 nur für 9 Monate, bis Januar 2022, mit Aktualisierungen. Die kurze Lebensspanne bietet prinzipiell die Gelegenheit, neue Technologien auszuprobieren, Feedback der Nutzerinnen und Nutzer einzuholen und bestehende Baustellen zu bearbeiten, bis das nächste Langzeit-Release ins Haus steht. Auf der Ubuntu-Website findet sich ein Überblick über die Release-Intervalle.

In Ubuntu 21.04 ist das Verzeichnis /home/user jetzt standardmäßig auf privat gestellt. Teilen sich mehrere Benutzerinnen und Benutzer ein System, so können diese nur noch ihr eigenes Homeverzeichnis lesen. Bislang war das Verzeichnis global lesbar; damit macht Ubuntu jetzt Schluss. Das gilt allerdings nur für Neuinstallationen. Bei einem Upgrade von Ubuntu 20.10 bleiben die Berechtigungen unangetastet. Wenn Nutzerinnen und Nutzer sich entscheiden, bei der Installation die Festplatte zu verschlüsseln, dann kann der Installer zur Rettung der Daten jetzt einen Wiederherstellungsschlüssel erzeugen.

Wie zuletzt in Ubuntu 17.10 arbeitet die Gnome Shell, beziehungsweise deren Fenstermanager Mutter, der als Wayland-Compositor dient, standardmäßig im Wayland-Modus. Von Wayland versprechen sich die Ubuntu-Entwicklerinnen und -Entwickler bessere Performance und mehr Sicherheit, weil Anwendungen besser voneinander isoliert sind. Mit Tools wie Kazam oder Kooha geht die Bildschirmaufnahme inzwischen locker von der Hand. Wie viel Freude Wayland macht, hängt auch von der Hardware des Systems und der jeweiligen Anwendung ab. Bei einem Testlauf der Vorabversion von Ubuntu 21.04 zeigte die beliebte Streaming- und Aufnahmesoftware OBS Studio nur ein schwarzes Bild. Die Installation einer Betaversion (OBS 27.0.0-rc2) als Flatpak beseitigte jedoch das Problem.

Um alle Anwendungsbereiche abzudecken, bleibt der X11-Modus auch weiterhin an Bord und kann am Login-Bildschirm von GDM ausgewählt werden. Nutzt das System den proprietären Nvidia-Treiber, dann wird diese Betriebsart automatisch ausgewählt. Der Treiber unterstützt bislang keine Hardwarebeschleunigung für X11-Apps, die unter XWayland laufen, was sich insbesondere negativ auf die Performance von 3D-Spielen auswirkt. Canonical-Entwickler Daniel Van Vugt stellte jedoch in Aussicht, dass der für den Sommer erwartete Nvidia-Treiber ab Versionsreihe 470 Abhilfe schafft.

Während die Linux-Distribution Fedora 34, die voraussichtlich kommende Woche erscheint, bereits auf Gnome 40 setzt, bleibt Ubuntu bei der Gnome Shell in Version 3.38.5, die allerdings diverse Bugfixes beinhaltet. Das Ubuntu-Team will zunächst prüfen, ob sich das neue Bedienkonzept von Gnome 40 gut in den Ubuntu-Desktop integrieren lässt, bevor Gnome 40 dann den Weg in die Version 21.10 oder 22.04 findet.

Viele Gnome-Apps werden trotzdem in der Version 40 ausgeliefert. Dazu zählen etwa der Systemmonitor, die Laufwerksverwaltung, der Bildbetrachter Eye of GNOME, die Verwaltungen für Schriften und Zeichen sowie das Hilfe- und das Software-Center. Der Dateimanager Nautilus bleibt bei Version 3.38. Neue Software gibt es auch abseits von Gnome: Ubuntu 21.04 bringt Firefox in der Version 87, LibreOffice 7.1.2-rc2 und Thunderbird 78.8.1. Ubuntu setzt auf dem Linux-Kernel 5.11 auf.

Die Gnome-Shell präsentiert sich erneut im dunklen Look. Das betrifft jedoch in erster Linie Shell-UI-Elemente wie das Panel am oberen Bildschirmrand und Drop-Down-Menüs wie den Kalender- und Benachrichtigungsbereich. Applikationen werden mit dunkler Menüleiste und hellem Hintergrund dargestellt. Weitere Änderungen stecken im Detail: Die Pfeile im Benachrichtigungsbereich sind nun dezenter gestaltet und angewählte Ordner in der Seitenleiste von Nautilus werden durch eine orange vertikale Linie markiert. Dazu gibt es neue Icons für diverse Dateiformate.

Nachdem Gnome Icons und Dateien vom Desktop verbannt hatte, ermöglichte Ubuntu mittels Extension ab Version 18.04 wieder das Speichern von Dateien und Icons auf dem Schreibtisch. Die Extension wird durch eine überarbeitete Version (Desktop Icons NG) ersetzt. Damit können Elemente einfach via Drag & Drop zwischen Dateimanager und Desktop verschoben werden.

Besonders praktisch bei Ubuntu auf dem Notebook: In den Systemeinstellungen stehen nun verschiedene Energiemodi zur Auswahl.

In den Energieeinstellungen können Nutzerinnen und Nutzer jetzt zwischen verschiedenen Leistungsprofilen wählen, vorausgesetzt das Gerät unterstützt diese Funktion. Zur Auswahl stehen die Optionen "Energiesparer", "Ausgewogener Energieverbrauch" und "Systemleistung". Der gewählte Energiemodus begrenzt den maximalen Takt der CPU, so erlaubt das Profil "Systemleistung" beispielsweise die Turbo-Taktfrequenz des Prozessors auszureizen. Beim Systemstart ist stets "Ausgewogener Energieverbrauch" ausgewählt. Auf andere Einstellungen, wie die Bildschirmhelligkeit, hat der Energiemodus keinen Einfluss.

Geschraubt hat das Ubuntu-Projekt auch an einer besseren Integration in Microsofts Active Directory. Mittels Group-Policies können Administratoren nun Einstellungen am Ubuntu-System von einem Active-Directory-Domänen-Controller vornehmen.

Zur Ubuntu-Familie gehören auch Ubuntu Server, Images für die Cloud und den Raspberry Pi sowie eine Reihe von offiziellen Ubuntu Flavours, die beispielsweise eine andere Desktopumgebung beinhalten. Dazu zählen Kubuntu, Lubuntu, Xubuntu, Ubuntu Budgie, Ubuntu Kylin, Ubuntu MATE und Ubuntu Studio.

Bei der Servervariante betreibt Canonical in erster Linie Produktpflege und liefert aktualisierte Software aus – so zum Beispiel Samba 4.13.3, Virt-Manager 3.2.0, QEMU 5.3, Containerd 1.4.4 und Docker.io 20.10.2. Phased Updates (wenn Canonical Updates nicht an alle Ubuntu-User gleichzeitig verteilt) werden nun direkt über den Paketmanager apt eingespielt; das war zuvor nur via Update-Manager auf dem Desktop möglich.

Kubuntu 21.04 kommt mit Plasma 5.21 und hat den Wayland-Modus vorinstalliert. Standard ist hier aber der X11-Modus. Wie auch in vorigen Versionen steht die Möglichkeit, ZFS auf der Root-Partition zu installieren, nicht im KDE-Frontend des Ubiquity-Installers zur Verfügung. Der Wayland-Modus der Raspi-Variante verfügt nun über Hardwarebeschleunigung. Das Projekt Ubuntu Budgie stellt erstmals ein eigenes Image für den Raspberry Pi 4/400 bereit, das auch das "Budgie ARM Tweak Tool" mitbringt. Mit dem GUI-Tool lässt sich der Video-Modus ändern, CPU und GPU feintunen und Remote-Zugriff konfigurieren.

  • Upgrades von Ubuntu 20.10 stehen vorerst nicht zur Verfügung, weil mit bestimmen Geräten Probleme auftreten könne, wenn diese EFI in der Version 1.10. nutzen. Wenn das Problem mit einer neuen Version von Shim beseitigt ist, soll das Upgrade freigegeben werden.
  • ISO-Images zur Installation von Ubuntu-Desktop und weiteren Varianten sowie Links zu den Webites der Ubuntu-Flavours finden Interessierte im Downloadbereich der Ubuntu-Webseite
  • Einen Überblick über die Neuerungen gibt das Ubuntu-Projekt in den Release-Notes im Ubuntu-Entwicklungsforum.

[Update 22.4.2021 12:40 Uhr] Hinweis zum Upgrade von Ubuntu 20.10 korrigiert.

(ndi)