Zahlen, bitte! Der elegant einfache Satellit für 8 Millionen Jahre Orientierung

Der Satellit Lageos ermöglicht seit 1976 eine exakte Vermessung der Erde. Und dank seiner stabilen Umlaufbahn ist mit einer langen Betriebszeit zu rechnen.

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Inhaltsverzeichnis

Der Lageos (Laser Geodynamics Satellite) ist im Grunde nichts weiter als eine Metallkugel mit Reflektoren. Und dennoch hat er in mittlerweile 45 Jahren einen unschätzbaren Wert für die Erdvermessung erreicht und gilt bis heute als ein Referenzpunkt für satellitengestützte Entfernungsmessung.

Lageos wurde im Marshall Space Flight Center der NASA in Huntsville im US-Bundestaat Alabama entwickelt. Dabei ist er ganz einfach konzipiert: Er ist passiv gebaut worden, das heißt er führt keine Elektronik, Sensoren oder mechanisch beweglichen Teile mit sich.

Zahlen, bitte!

In dieser Rubrik stellen wir immer dienstags verblüffende, beeindruckende, informative und witzige Zahlen aus den Bereichen IT, Wissenschaft, Kunst, Wirtschaft, Politik und natürlich der Mathematik vor.

Der Satellit hat die Form einer Kugel, einen Durchmesser von 60 Zentimetern und wiegt etwa 411 Kilogramm. Er besteht aus einem massiven, zylinderförmigen Messingkern und einer Aluminiumhülle, um die 426 Retro-Reflektoren mit einem Durchmesser von je 3,8 Zentimeter installiert sind. Inklusive Rakete musste die NASA 8,5 Millionen US-Dollar investieren.

Die einzelnen Bestandteile von Lageos in Maßen und Gewicht.

(Bild: NASA - Lageos Press Kit)

Am 5. Mai 1976 um 8 Uhr Ortszeit starte eine Delta 2913 Rakete von der Vandenberg Air Force Base und brachte Lageos in eine stabile, kreisförmigen Umlaufbahn zwischen 5845 und 5955 Kilometern um die Erde (zum Vergleich: Die ISS bewegt sich in einer Umlaufbahn von 408 Kilometern). In dieser mittleren Erdumlaufbahn steht Lageos nur noch unter minimalen Einfluss der Exosphäre und kann von Lasersystemen auf mehreren Kontinenten gleichzeitig angesteuert werden.

Das sogenannte Satellite Laser Ranging (SLR) Prinzip ist dabei einfach wie effektiv: Durch optische Teleskope werden sehr kurze Laserimpulse von zum Teil nur 10 Pikosekunden zu Lageos geschossen, und durch die reflektierenden Prismen wird der Laserimpuls an die Quelle zurückgeworfen.

Dabei lässt sich das Zeitintervall zwischen Ausgang und Eingang des Pulses exakt messen. Mit der Lichtgeschwindigkeit multipliziert, entspricht das Ergebnis der doppelten Entfernung zwischen Teleskop und Lageos-Satellit. Anhand minimaler Laufzeitunterschiede zwischen verschiedenen Messungen können Positionsänderungen der auf dem Erdball verteilten Sendestationen zentimetergenau berechnet werden.

Stephen Merkowitz, Manager des Space Geodesy Project der NASA formulierte es zum 40. Jubiläum so: "Lageos ist elegant einfach – ein Ball, der mit reflektierenden Prismen bedeckt ist. Aber es hat einen neuen Standard für die Laserentfernung gesetzt und 40 Jahre Kontinuität für diese Messungen bereitgestellt." Im Laufe der Jahrzehnte haben mindestens 183 Stationen weltweit Messungen mit Lageos durchgeführt.

Insbesondere damals wurde durch Lageos die Messgenauigkeit der Laservermessungen dramatisch verbessert: Ließen sich vorher nur Messgenauigkeiten von etwa einem Meter realisieren, war nun eine Genauigkeit von einem Zentimeter möglich. Jetzt konnte man tektonische Plattenverschiebungen untersuchen, Unregelmäßigkeiten in der Erdumlaufbahn feststellen, Berechnungen zum Gewicht der Erde machen und kleine Verschiebungen im Masseschwerpunkt unseres Heimatplaneten feststellen. Mit dem technischen Fortschritt wurden die Messungen nochmals um den Faktor 10 präziser und sind mittlerweile im Millimeterbereich angekommen.

Etwa 400 Kilo Masse, 60 Zentimeter im Durchmesser und irgendwo zwischen Glitzer-Golfball, Discokugel und Raumschiff-Orion-Requisite: Dieses einfache Stück Technik ist bis heute ein gefragter Entfernungsmesser, der durch einfache Reflektion viel über die Geodäsie verraten hat.

Das Programm war für 50 Jahre geplant, aber durch sein einfaches und wartungsfreies System ist er bis auf Weiteres im Einsatz und mittlerweile ein unverzichtbarer Referenzpunkt bis hin zur Weltraumnavigation. Selbst wenn er irgendwann vergessen werden sollte, dann ist es wahrscheinlich, dass er wegen seiner stabilen Umlaufbahn wohl erst in über 8.000.000 Jahren die Umlaufbahn verlässt und in der Atmosphäre verglüht.