Forscher sehen Zusammenhang zwischen SARS-CoV-2-Infektionen und sozialen Medien

Die Mobilisierung für Vorkehrungen gegen die COVID-19-Verbreitung kann auch nach hinten losgehen, hat das Max-Planck-Institut für Bildungsforschung errechnet.

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Die Forscher maßen den Gini-Mobilisierbarkeitskoeffizienten von Landkreisen in jeder von 100 Simulationen und nahmen den Durchschnitt.

(Bild: Applied Network Science)

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Entscheidungsträger, die die Coronavirus-Pandemie eindämmen wollen, sollten aufpassen, dass ihre Vorkehrungen nicht politisch aufgeladen werden. Das könne kontraproduktiv wirken und das Infektionsgeschehen sogar befeuern. Das lässt sich aus Ergebnissen von Forschungsarbeiten am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung (MPIB) schließen.

Manuel Cebrian, Leiter der Forschungsgruppe zur digitalen Mobilisierung, erläutert: "In den sozialen Medien wurde die Maske schnell zum politischen Statement umgedeutet und zur Polarisierung genutzt. Regierungen sollten daher abwägen, an wen und über welche Kanäle sie Informationen verbreiten und ob sie Mobilisierung gezielt einsetzen wollen."

Cebrian und sein Team haben mit Hilfe des "Facebook Social Connectedness Index", einem Maß für die Berechnung sozialer Verbindungen zwischen Menschen aus unterschiedlichen Regionen, und demografischen Angaben und Datensätzen aus Wahlprotokollen der New York Times berechnet, wie sich eine Kampagne der Demokraten für nicht-pharmazeutische Maßnahmen in den USA über Facebook verbreitet hätte und ob sie zu politischen Aktionen wie Demonstrationen geführt hätte.

Eine solche Kampagne hätte sich in demokratischen Staaten dreimal so schnell verbreitet wie in republikanische Staaten, ergaben Modellrechnungen. "Die Akzeptanz und die daraus folgende, weitere Verbreitung von Maßnahmen ist demnach davon abhängig, ob Sender und Empfänger politisch gleichgesinnt sind", sagt Inho Hong, Erstautor der Studie und Forschungsstipendiat im Forschungsbereich Mensch und Maschine am MPIB. Befürworter:innen motivieren ihre Bekannten zum Einhalten von Regeln, Gegner:innen rufen in sozialen Medien zum Widerstand auf, lautet knapp das Fazit.

Im nächsten Schritt untersuchte das Forschungsteam den Zusammenhang zwischen sozialer Mobilisierung und der tatsächlichen Ausbreitung von COVID-19-Fällen in den USA. Es gebe Hinweise darauf, dass die politische Aufladung und die daraus resultierenden Aktionen das Infektionsgeschehen in manchen Regionen verschlimmert haben könnten. So stiegen die Infektionszahlen ab Mitte April 2020 an, nachdem Republikaner:innen gegen den ersten Lockdown demonstrierten und die vorgegebenen Hygieneregeln nicht konsequent beachteten.

Der Schwerpunkt der Studie "Social mobilization and polarization can create volatility in COVID-19 pandemic control" lag auf politischen Haltungen US-amerikanischer Bürger:innen. Mögliche andere ausschlaggebende soziale Faktoren wie Beruf, Einkommen, Geschlecht und Herkunft müssten in weiterführenden Studien untersucht werden, sagen die Forscher. Diese könnten Aufschluss für zukünftige Kommunikationsplanungen von Maßnahmen geben – beispielsweise für die Impfstrategien von Regierungen.

Facebook bietet für Forschungszwecke Daten an, in denen so genannte Freundschaftsverbindungen in seinem Netzwerk aggregiert werden. Damit soll die soziale Vernetzung zwischen Regionen messbar sein. Dabei werden Benutzern basierend auf den von ihnen bereitgestellten Informationen, Verbindungsinformationen und Lokalisierungsdiensten Standorte zugewiesen. Facebook versucht daraus die Wahrscheinlichkeit abzuleiten, mit der Benutzer in den betrachteten Ländern Facebook-Freunde sind und ordnet dies einem Indexwert zu, den es als Social Connectedness Index (SCI) bezeichnet.

(anw)