Studie: Viele Ausbildungsabbrüche im Bereich Informatik und Technik

Rund ein Viertel der Grundschüler ist in Mathematik und Naturwissenschaften "leistungsschwach", geht auch noch aus dem neuen MINT-Nachwuchsbarometer hervor.

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(Bild: khoamartin/Shutterstock.com)

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Jedes fünfte Ausbildungsverhältnis im Bereich Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik (MINT) wird in Deutschland abgebrochen. Dies ist ein Kernbefund des MINT-Nachwuchsbarometer 2021, mit dem die Deutsche Akademie der Technikwissenschaften Acatech und die Körber-Stiftung jährlich die Situation der technisch-naturwissenschaftlichen Bildung in Deutschland untersuchen.

Rund ein Drittel der Abbrüche findet laut der am Donnerstag veröffentlichten Metastudie bereits in den ersten vier Monaten der Ausbildung statt, ein weiteres Drittel im ersten Jahr. Die Stopps in den ersten vier Monaten gingen in der Regel darauf zurück, dass Berufsinteressen und Tätigkeiten in der Lehre nicht zueinander passten. Spätere Abbrüche seien oft auf die Ausbildungsanforderungen zurückzuführen, die die Betroffenen nicht bewältigen könnten.

Die absolute Anzahl der abgeschlossenen MINT-Ausbildungsverträge ist 2020 zudem stark auf rund 160.000 zurückgegangen: Im Vergleich zum Vorjahr gingen Bewerber rund 21.000 Verträge weniger ein. Dieser seit zehn Jahren anhaltende Trend bei dualen MINT-Ausbildungsplätzen ergebe sich unter anderem aus der demografischen Entwicklung. Dazu komme, dass immer mehr Abiturienten sich für ein Studium entschieden. Ein Viertel des Rückgangs sei laut Bundesagentur für Arbeit ferner auf die Corona-Pandemie zurückzuführen. Insgesamt lag die Zahl der vakanten Ausbildungsplätze Ende 2020 bei 12.000, ein Plus von rund zehn Prozent gegenüber dem Vorjahr.

Weitere Erkenntnis der Forscher: Die mathematischen und naturwissenschaftlichen Kompetenzen der Grundschulkinder liegen erneut unter dem EU- und OECD-Durchschnitt. Rund 25 Prozent von ihnen gälten als "leistungsschwach": Sie hätten nicht die für die weiterführende Schule erforderlichen Fähigkeiten. In den Naturwissenschaften sei diese Gruppe seit 2015 deutlich angewachsen. Nur sechs Prozent werden in Mathematik als leistungsstark eingeschätzt.

Im internationalen Vergleich besuchen Lehrkräfte deutscher Grundschulen auch seltener Fortbildungen zu digitalen Medien im Unterricht: Nur acht Prozent der Kinder werden von entsprechend speziell geschulten Lehrkräften in Mathematik unterrichtet (EU-Durchschnitt: 27 Prozent). Würden adaptive digitale Werkzeuge mit intelligenten Tutor-Systemen, Simulationen oder Hypertext im Unterricht eingesetzt, bewirkten diese einen Kompetenzzuwachs von bis zu einem Lernjahr. Gerade Kinder mit mathematikspezifischen Lernschwierigkeiten könnten davon profitieren.

"Das Bildungssystem wird in den letzten Jahren unter anderem durch Inklusion und eine migrationsbedingt immer heterogener werdende Schülerschaft geprägt", ist dem Bericht zu entnehmen. Die Lehrkräfte stünden zunehmend vor der Herausforderung, Schüler mit "sehr unterschiedlichen sozialen und kulturellen Hintergründen individualisiert zu fördern". Hinzu komme, dass insbesondere in Großstädten bildungsbenachteiligte Kinder und Jugendliche bestimmten Schulen regional zugewiesen würden.

In den Lehrplänen der Länder führe technische Bildung generell ein Schattendasein, monieren die Experten. Es gebe aber regionale Ausnahmen: Sachsen-Anhalt etwa bietet als einziges Bundesland ein eigenständiges Fach Technik für alle Klassenstufen an.

Die "genderspezifische Fächerwahl" hat sich seit Jahren kaum verändert: In Physik oder Technik dominieren Jungen. Physik wird als Leistungskurs nur zu 25 Prozent von Mädchen angewählt, eine MINT-Ausbildung nehmen nur zu 11 Prozent junge Frauen auf. Ein ingenieurwissenschaftliches Studium beginnen nur 25 Prozent Studentinnen. Mit 32 Prozent ist der Anteil des weiblichen Geschlechts an den MINT-Abschlüssen aber so hoch wie nie zuvor. 2019 haben erstmals Frauen die Hälfte aller Abschlüsse in den Naturwissenschaften erzielt.

Jenseits dieser stereotypen Fächerwahl bleibt die Zahl der MINT-Studienanfänger weitestgehend stabil. Doch auch wenn sich diese Zahlen im Lehramtsstudium Informatik seit 2015 sogar fast verdoppelt haben, sind es laut den Verfassern "mit 159 Studienabschlüssen im Jahr 2020 zu wenige, um angemessen auf die erhöhten Bedarfe zu reagieren".

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"Die Herausforderungen der Gegenwart wie der Zukunft sind ohne MINT nicht zu lösen", warb der neue, von der Europäischen Weltraumorganisation ESA gekommene Acatech-Präsident Jan Wörner für mehr Impulse für die technische Fächergruppe. "Für Pandemie-Bekämpfung, Klimaschutz oder digitale Transformation braucht es technische und naturwissenschaftliche Bildung." MINT-Wissen mache die Welt "ganz allgemein zu einem noch interessanteren Ort".

Tatjana König aus dem Vorstand der Körber-Stiftung kritisierte mit Blick auf die Zwangsdigitalisierung des Bildungssektors während der Corona-Krise: "Die Schulschließungen aufgrund der Pandemie führen uns besonders schmerzhaft vor Augen, dass chancengerechte Bildung für alle Kinder und Jugendliche unabhängig von ihren kulturellen und sozialen Hintergründen sowie ihrem Geschlecht noch lange nicht erreicht ist."

(bme)