US-Autoren proben Aufstand gegen Amazon

Neuerdings werden die US-Amazon-Kunden selber zum Buchverkauf eingeladen, zusammen mit florierenden Antiquariaten. Das führt zu Irritationen bei den Schriftstellern.

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Von
  • Tilman Streif
  • dpa

Früher gab es Jubel, jetzt gibt es großen Ärger. Der Online-Gigant Amazon begann seinen Aufstieg zum größten digitalen Warenhaus als reiner Buchhändler, und Schriftsteller freuten sich zunächst. Denn ihre Produkte erhielten plötzlich einen ganz neuen Vertriebsweg, der zugleich ein Forum für Literaturinteressierte bot. Für Bücher wurde online mit einer Mischung aus professionellen Rezensionen und Kundenkritiken geworben. Neuerdings aber werden die amerikanischen Amazon-Kunden selber zum Buchverkauf eingeladen, zusammen mit florierenden Antiquariaten, und das führt zu Irritationen bei den Schriftstellern.

Geringere Lizenzgebühren für Autoren und geringere Profite für die Verlage -- das sind nach Ansicht des größten amerikanischen Autorenverbandes Authors Guild die unmittelbaren Folgen von Amazon-Verkaufsstrategien, die längerfristig angeblich zum großen Schaden für die Buchindustrie führen. Dieser aktuelle Protest des Verbandes richtet sich gegen den boomenden Handel mit gebrauchten Büchern auf der Amazon-Website. Denn wenn Kunden vor kurzem gekaufte Bücher weiterverkaufen, dann profitieren ausschließlich die Verkäufer, nicht aber die Verleger und Autoren der Gebrauchtware.

Der Online-Händler will endgültig aus den roten Zahlen herauskommen, und dabei hilft eine Strategie, die aus Lesern Buchhändler macht. Amazon-Kunden erhalten neuerdings unter dem Stichwort "Sell Your Collection" (Verkaufen Sie Ihre Sammlung) eine Liste der bisherigen persönlichen Einkäufe auf der Website. Präsentiert wird nun der geschätzte Wiederverkaufswert der Bücher und auch anderer Einkäufe. Die Kunden sollen damit zum Teil eines digitalen Flohmarkts werden, bei dem Amazon kräftig absahnt: Vom privaten Verkäufer kassiert das Unternehmen als Vermittlungsgebühr 99 US-Cents (1,12 Euro) sowie 15 Prozent des Verkaufspreises.

Auf dem Flohmarkt, der bei Amazon Marketplace heißt, tummeln sich auch Antiquariate, die Super-Niedrigpreise anbieten. Die Profis müssen die 99-Cent-Grundgebühr nicht zahlen. Und deshalb können sie zum Beispiel John Irvings Klassiker Das Hotel New Hampshire für 40 US-Cents anbieten. Der offizielle Ladenpreis des neuwertigen Taschenbuchs liegt bei acht US-Dollar. Das Geschäft mit dem Bücher-Weiterverkauf bildete im vergangenen Halbjahr schon mehr als 15 Prozent des gesamten amerikanischen Buchhandels bei Amazon. Und dieser Geschäftsteil ist besonders profitabel, weil das Unternehmen lediglich als Vermittlungsstelle zwischen Käufer und Verkäufer funktioniert; Kosten für Lagerhaltung oder Versand fallen nicht an.

Für die gebrauchten Bücher wird bei Amazon gleich unter dem offiziellen Neupreis geworben, dagegen protestierte die Authors Guild bisher vergeblich. Besonders wütend ist man nun über die immer populärere Praxis, auch solche Bücher in den Gebraucht-Kategorien anzubieten, die gerade erst veröffentlicht wurden. Zum Beispiel gibt es den aktuellen Bestseller Lucky Man, die Autobiografie des Schauspielers Michael J. Fox, als neuwertige Ausgabe für 16,07 US-Dollar. Gleichzeitig aber wird das Buch schon jetzt auch von Antiquariaten für 14,89 US-Dollar angeboten. Möglich ist dies, weil die Profi-Händler völlig legal Werbeexemplare anbieten dürfen, die vom Verlag an Händler und Rezensenten verschenkt wurden.

Die 8.200 Mitglieder der Authors Guild wurden jetzt zu einem symbolischen Protest aufgerufen. Sie sollen ihre persönlichen Websites von Verweisen auf Amazon säubern. Insbesondere den automatischen Weiterleitungs-Link zur Website des Online-Händlers sollten die Autoren auf der eigenen Site entfernen. Per E-Mail erhielten die Verbandsmitglieder diese Botschaft: Es gebe keinen guten Grund für Autoren, dabei mitzuhelfen, ihr eigenes Geschäft zu schädigen. (Tilman Streif, dpa) / (jk)