Greenpeace: Amazon vernichtet weiterhin systematisch Neuware

Amazon lässt nicht verkaufte Neuware zerstören, haben Recherchen von Greenpeace, "Panorama" und "Zeit" ergeben. Amazon nutzt dabei eine Verordnungslücke aus.

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An Destroy Stationen wird Neuware bei Amazon für die Zerstörung und Entsorgung vorbereitet.

(Bild: Greenpeace)

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Der Online-Händler Amazon entsorgt Neuwaren, die über einen gewissen Zeitraum nicht verkauft wurden, und lässt sie offenbar vernichten, um Lagerkosten zu sparen. Dies haben Recherchen von Greenpeace ergeben, die einen Mitarbeiter in Amazons Logistiklager im niedersächsischen Winsen (Luhe) eingeschleust hatten. Die von dem Greenpeace-Aktivisten dokumentierten Aufnahmen zeigen, dass Mitarbeiter an acht Arbeitsplätzen, den sogenannten "Destroy-Stationen", offenbar täglich mit der sachgerechten Sortierung zur Entsorgung der Produkte beschäftigt sind.

Das Politik-Fernsehmagazin Panorama und die Die Zeit haben den von Greenpeace dokumentierten Sachverhalt überprüft. Demnach sei die Überführung der noch nutzungsfähigen Waren in den Müll wohl systematisch erfolgt, da die Abteilung "offenbar fest in den Produktionsablauf des Winsener Zentrums" integriert ist, heißt es in einer Mitteilung von Panorama von Donnerstag.

Bei den Produkten soll es sich unter anderem um Kleidung, Spielzeug, Bücher und Elektro-Artikel gehandelt haben. Betroffen seien vor allem Drittanbieter-Waren, die von Amazon-Mitarbeitern aus den Originalverpackungen geschält und dann nach Entsorgungsrichtlinien getrennt und zur endgültigen Vernichtung monatlich an Entsorgungsunternehmen übergeben werden.

Bei den Produkten soll es sich um länger lagernde Waren handeln, die nicht verkauft wurden und dann Langzeitlagerkosten verursachen. Um dies zu vermeiden können Drittanbieter laut einer Preisliste, die ab April 2021 gültig ist, eine Gebühr zahlen. Ansonsten könne eine "Entfernung oder Entsorgung der Einheiten angefordert" werden.

Nach Angaben von Amazon betrifft die Vernichtung von neuwertigen Waren lediglich einen Promillebereich. Konkrete Angaben, um wie viele es sich handelt, machte der Konzern gegenüber Panorama nicht. Die Produkte würden "zum Recycling oder zur Energierückgewinnung gegeben". Offenbar landen sie teilweise in der Müllverbrennung und letztlich auch auf der Deponie.

Die Reform des Kreislaufwirtschaftsgesetzes von 2020 sollte eigentlich die Vernichtung und die Überführung in den Abfall von noch gebrauchsfähigen Gütern verhindern. Unternehmen haben demnach eine Obhutspflicht, dass die Gebrauchstauglichkeit von Produkten erhalten bleibt und sie nicht in den Müll landen. Allerdings scheitert die Umsetzung des gültigen Gesetzes an fehlenden Rechtsverordnungen. Es gebe noch nicht mal einen Entwurf.

Das dafür zuständige Bundesgesundheitsministerium arbeite daran, allerdings fehle es an Daten, beispielsweise wie viele Waren zerstört werden. Bevor Rechtsverordnungen erlassen werden, die möglich Schlupflöcher bieten, müsse zunächst eine Pflicht zur Transparenz bei den Unternehmen erfolgen, sagte ein Ministeriumssprecher Panorama und der Zeit. Die Verordnungen sollen vor allem große Konzerne treffen, für die eine Vernichtung der Waren zum Geschäftsmodell gehört. Kleinere und mittlere Unternehmen sollen weniger Ziel der Verordnungen sein.

Die fehlenden Rechtsverordnungen zur Obhutspflicht mit entsprechender Strafen sorgen dafür, dass Amazon die Zerstörung von Neuware derzeit ungestraft fortführen kann. Wie Greenpeace mitteilte, gebe es von Amazon aber ohnehin Bestrebungen, das Gesetz zu unterlaufen, bevor es überhaupt angewendet werden kann. Textilien sollen vorab unbrauchbar gemacht und so zur Altware werden, bevor sie Entsorgungsunternehmen zugeführt werden. Denn es gilt, dass nur defekte Artikel von Entsorgungsunternehmen abgeholt werden dürfen. Nach Angaben von Greenpeace soll dazu bei Amazon im vergangenen Jahr ein Testlauf stattgefunden haben, bei denen "Textilien mit der Schere zerstört wurden".

Unklar ist, wann die Rechtsverordnungen vom Umweltministerium umgesetzt werden, um die Vernichtung von gebrauchsfähigen Gütern zu verhindern. Aus dem Bundesumweltministerium heißt es, dass die Verordnungen wohl nicht mehr in dieser Legislaturperiode zustande kämen. Auch die dafür vorab notwendige Transparenz-Verordnung werde wohl nicht mehr vor Ende der Legislaturperiode auf den Weg gebracht.

(olb)