Klimawandel: Neue Daten sagen Megadürren in Nordamerika voraus

Aufgrund des Klimawandels könnten Dürren und Überschwemmungen zu normalen Erscheinungen werden.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 130 Kommentare lesen

(Bild: Fredrick Lee / Unsplash)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • James Temple
Inhaltsverzeichnis

Die Wasserstände von Flüssen, Stauseen und Aquifere (Gesteine, die Grundwasser speichern und leiten) sind in weiten Teilen des amerikanischen Westens dramatisch gesunken. Dadurch erhöht sich in den kommenden Monaten die Gefahr von Wassermangel, Missernten und extremen Waldbränden.

Die Wetterstationen in Kaliforniens Sierra Nevada verzeichnen derzeit eine Trockenheit, wie sie zu dieser Jahreszeit in Kalifornien ausgesprochen selten ist. Durch die hohen Frühlingstemperaturen ist die ohnehin nur dünne Schneedecke des Winters bereits weitgehend verschwunden. Die Schneeschmelze macht normalerweise etwa ein Drittel der Wasserversorgung des Staates aus.

Auch die Hälfte New Mexikos ist von einer außergewöhnlichen Dürre betroffen. Die Bezirke schränken bereits die Zuteilung von Wasser an die Landwirte ein und fordern sie auf, möglichst keine Felder mehr zu bestellen. Insgesamt leiden derzeit fast 85 Prozent der Weststaaten in den USA unter Dürre, fast 50 Prozent sogar unter einer extremen Trockenheit. Schon seit Jahren ist es dort überdurchschnittlich heiß und trocken als Folge des Klimawandels.

Die Hauptursache für die diesjährige Dürre ist ein schwacher Sommermonsun in Verbindung mit dem La-Niña-Phänomen. La Niña geht mit überdurchschnittlich hohen Luftdruckunterschieden zwischen Südamerika und Indonesien einher – eine der weitreichenden Folgen sind starke Passatwinde und häufigere Stürme im Norden. Aber das Problem geht weit über die geringeren Regen- und Schneefälle der letzten Monate hinaus. Laut einer Studie, die letztes Jahr in Science veröffentlicht wurde, leidet der Südwesten seit zwei Jahrzehnten unter der trockensten Periode seit 1500.

Dabei ist der Klimawandel für 46 Prozent der Trockenheit verantwortlich; aus einer moderaten Dürre wird dadurch eine „Megadürre“, wie die Wissenschaftler sagen. Zahlreiche andere Studien wie die National Climate Assessment 2018 prognostizieren ebenfalls, dass höhere Temperaturen zu "häufigeren und schwereren Dürren im Südwesten" führen werden.

"Der Schnee schmilzt schneller, und es verdunstet mehr. Das verändert das System in vielerlei Hinsicht", sagt Newsha Ajami, Direktorin für städtische Wasserpolitik bei der Stanford Water in the West Initiative.

Die Regionen bemühen sich bereits, den steigenden Gefahren zu begegnen. In Kalifornien will Gouverneur Gavin Newsom mehr als fünf Milliarden Dollar investieren, um unter anderem den dringenden Wasserbedarf zu decken und die regionale Wasserinfrastruktur zu stärken. Außerdem hat er für 41 Bezirke den Dürre-Notstand ausgerufen, der fast ganz Nordkalifornien und das Central Valley, die reiche landwirtschaftliche Region des Staates, umfasst.

In Marin, einem Bezirk nördlich von San Francisco, der weitgehend von den regionalen Wasserversorgungssystemen abgeschnitten ist, sind die Wasservorräte nach den rekordverdächtig geringen Niederschlägen dieses Jahrs bedrohlich geschrumpft. Um die Wasserversorgung sicherzustellen, wird überlegt, zumindest eine temporäre Pipeline über die Richmond-San Rafael-Brücke zu bauen - seit der lähmenden Dürre 1976-1977 zum ersten Mal in diesem Bundesstaat.

Zudem bereiten sich Forscher, Beamte und Rettungskräfte auf eine weitere schlimme Feuersaison vor. Sie hat schon früh begonnen: Das Feuer in dem Wohnviertel Pacific Palisades im Westen von Los Angeles hat in den letzten Tagen mehr als 1.000 Hektar trockenes Buschland verbrannt und mehr als 1.000 Menschen gezwungen, ihre Häuser zu verlassen.

"Einige Risiken für Feuerbrünste sind vorhersehbar, andere nicht", sagt Daniel Swain, ein Klimawissenschaftler an der University of California, Los Angeles. Er untersucht, welche atmosphärischen Konstellationen Dürren, Überschwemmungen und Waldbrände verursachen. "Bei allen vorhersehbaren läuten die Alarmglocken."

So zeigen mehrere Klimamodelle, dass die Niederschläge immer öfter von den gängigen Mustern abweichen werden – mit einem häufigen Wechsel zwischen extremen Dürreperioden und starken Überschwemmungen.

Doch solche Extreme gleichen sich nicht auf natürliche Weise aus, selbst wenn die durchschnittlichen Niederschlagsmengen gleichbleiben. Wenn Regionen ihr Wassermanagement nicht grundlegend überdenken, werden sie nur allzu oft von einer Katastrophe in die nächste geraten. So etwa wurden die Dürrejahre 2012-2016 in Kalifornien unmittelbar gefolgt von Jahren mit heftigen Überschwemmungen, die Schlammlawinen auslösten und Straßen unterspülten. Beinahe wäre es sogar zu einem Dammbruch gekommen.

"Wir müssen Dürre zukünftig als etwas Normales ansehen", sagt Ajami. "Und dann, wenn wir nasse Jahre haben, sollten wir uns freuen und alles tun, um so viel Wasser wie möglich aufzufangen, um genug für Trockenzeiten zu speichern." Dazu müssten kontaminierte Aquifere gesäubert und in niederschlagsreichen Jahren wieder aufgefüllt werden. Außerdem müssen die Regionen das Wasser, sobald es im System ist, viel effizienter nutzen, indem sie möglichst sparsam damit umgingen, es wiederverwenden und recyceln, wo immer sie können.

„Wir werden auch mehr auf Entsalzungstechnologien setzen und sie kostengünstiger betreiben müssen. Dazu gehören nicht nur die riesigen Anlagen, die Trinkwasser aus dem Meer gewinnen, sondern auch kleinere im Landesinneren, die Brackwasser entsalzen oder kommunale Abwässer sowie Industriewasser vor Ort zur Wiederverwendung aufbereiten, sagt Meagan Mauter, Professorin für Bau- und Umwelttechnik in Stanford und Forschungsleiterin der National Alliance for Water Innovation.

Verschlechtert sich die Lage weiterhin, werden noch weit schwierige Fragen zu klären sein: Können Farmen, Unternehmen und ganze Städte dann noch bleiben geschweige denn wachsen? Oder müssen sie sich woanders ansiedeln? Im Moment hoffen Millionen von Menschen im Westen der USA erst einmal, dass sie ausreichend auf den nächsten, wieder sehr heißen, trockenen und gefährlichen Sommer vorbereitet sind.

(bsc)