UKW-Abschaltung in der Schweiz: Vorhaben unter prominentem Beschuss

UKW-Radiosender sollen in der Schweiz 2023 abgeschaltet werden. Die verantwortliche Ministerin unterstützt nun überraschend eine Online-Petition zur Rettung.

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(Bild: BrAt82/shutterstock.com)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Tom Sperlich
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"Rettet UKW" heißt eine Online-Petition, mit der in der Schweizer Bevölkerung derzeit recht erfolgreich Unterschriften gesammelt werden. Die Online-Unterschriftensammlung kommt buchstäblich in letzter Minute, denn bereits seit 2017 ist das Ende des UKW-Radios eine von der Regierung beschlossene Sache in der Eidgenossenschaft. Nun aber trat unerwartet vor wenigen Tagen eine bekannte Frau an die Öffentlichkeit, die einst für das Abschaltungsvorhaben politisch verantwortliche (Ex-)Ministerin Doris Leuthard. Sie war bis Ende 2018 Chefin des Eidgenössischen Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK). Leuthard verlangt als aktuelles prominentes Aushängeschild der Initiative "Rettet UKW" jetzt ebenfalls, die Sender später abzuschalten.

Zurzeit ist vorgesehen, den "klassischen" Rundfunk auf den Frequenzen der Ultrakurzwelle (UKW) zweistufig abzuschalten. Nächstes Jahr im August soll die SRG SSR ihre UKW-Sender abschalten, im Januar 2023 sollen die privaten Radiostationen ihre UKW-Sender vom Netz nehmen.

Leuthard sagte vergangene Woche in einem Interview mit Radio 1, UKW habe als Auslaufmodell gegolten. Nun würde sich aber erweisen, dass gerade einmal die Hälfte der Fahrzeuge in der Schweiz mit DAB+ oder Internetradio ausgerüstet sei. "Das macht es schwierig, das UKW-Radio voreilig abzuschalten."

Denn sonst würde die Hälfte der Autos in der Schweiz den Radioempfang verlieren. "Es lohnt sich nicht, wenn die Schweiz einen Alleingang macht", sagte Leuthard in dem Interview. "Die Autos müssen von Norddeutschland bis Süditalien mit Radioempfang fahren können."

Die SRG verweist darauf, dass gemäß einer EU-Regelung Empfangsgeräte in neuen Personenfahrzeugen seit dem 21. Dezember 2020 digital terrestrisch verbreitete Radioprogramme empfangen können müssen. Diese Regelung gelte auch für die Schweiz, meint die SRG.

Aber auch außerhalb von Fahrzeugen würden Millionen funktionstüchtige Radiogeräte in der Schweiz nutzlos, meinen Leuthard und die Initiative "Rettet UKW". "Damit würde Volksvermögen vernichtet, weil niemand mehr diese Geräte brauchen kann. Und das will niemand", sagte Leuthard.

Das UVEK nahm von Leuthards Aussagen Kenntnis, wie es auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA mitteilte. Die UKW-Abschaltung sei auch eine Entscheidung der Branche, die auch den Zeitpunkt festlege. Ob die Veranstalter nun die UKW-Funkkonzessionen auf den vereinbarten Zeitpunkt zurückgeben würden oder bis zum Ablauf Ende 2024 nutzten, werde zurzeit in der Branche diskutiert, schreibt die SDA.

Bisher hat sich Norwegen komplett vom UKW-Radio verabschiedet. Zwar ist DAB+ auch in vielen anderen europäischen Länder verfügbar, laufen Programme zur breiten Einführung des Digitalradios oder existieren entsprechende Pläne. Das gilt auch für Deutschland. Allerdings gibt es dort bislang kein Abschaltdatum für das UKW-Radio. Andere Länder haben eine beschlossene Abschaltung der UKW-Radios wieder verschoben, wie etwa Großbritannien, wo die UKW-Sender nun doch noch bis 2032 laufen sollen.

Für die Schweiz ergab eine Erhebung des Marktforschungsinstituts GfK Switzerland (PDF-Datei) im Auftrag der AG DigiMig, dass die hauptsächliche Radionutzung via DAB+ oder übers Internet seit Herbst 2015 um 24 Prozentpunkte auf 73 Prozent im Herbst 2020 gestiegen ist. Gleichzeitig sei demnach die UKW-Nutzung der Schweizer Bevölkerung um 24 Prozentpunkte gesunken, von 51 Prozent auf 27 Prozent.

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In Deutschland ist UKW mit fast 64 Prozent die meistgenutzte Radioempfangsart. Der digitale Empfang konnte seit 2013 erheblich zulegen. Waren es damals 8,8 Prozent, sind es heute 27 Prozent, die am häufigsten einen digitalen Empfangsweg nutzen.

(tiw)