Nachgemessen: Wer jubelt am TV zuerst beim Fußball-Event EURO 2020

Die Fußball-EM 2020 beginnt. Wir haben geprüft, mit welchen Verzögerungen des TV-Signals Sie auf den vorhandenen Empfangskanälen rechnen müssen.

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(Bild: Ulrike Kuhlmann, c't magazin)

Lesezeit: 10 Min.
Inhaltsverzeichnis

Wahrscheinlich hat der eine oder die andere bei vergangenen Meisterschaften schmerzlichst erfahren müssen, dass es je nach Empfangsweg sehr unterschiedliche Laufzeiten aus den Fußballstadien bis zur Wiedergabe am heimischen Bildschirm gibt. So lagen während der WM vor drei Jahren bereits Satellit- und Kabelfernsehen beim Empfang einige Sekunden auseinander. Noch eklatanter waren die Unterschiede beim TV-Streamen mit Apps und Streaming-Devices.

Wir haben erneut nachgemessen, wie sich die Empfangswege aktuell zueinander verhalten – und erstaunliche Unterschiede zur letzten WM festgestellt.

Die ARD überträgt das heutige Eröffnungsspiel live, ebenso die Telekom per MagentaTV. Zwar hatten sich die öffentlich-rechtlichen TV-Sender die Übertragungsrechte an der Fußball-EM 2020 zunächst exklusiv gesichert, doch sie später auch an die Telekom verkauft.

Beide Sender übertragen im Wechsel 41 der 51 Spiele sowohl im frei empfangbaren Fernsehen als auch kostenlos im Live-Stream der Mediatheken. Zehn der Gruppenspiele werden ausschließlich bei MagentaTV ausgestrahlt. Alle Spiele mit deutscher Beteiligung werden bei ARD und ZDF ausgestrahlt, das ist im Staatsvertrag festgeschrieben. Außerdem kann man die EM 2020 – die zwar 2021 stattfindet, aber wegen der Pandemie noch "2020" im Namen trägt – über diverse Apps streamen.

So findet man die diesjährigen EM-Spiele unter anderem in den Apps von Zattoo und WaipuTV. Die Telekom hat für Magenta TV zudem ein Streaming-Angebot, das unabhängig vom Internetanschluss funktioniert; man benötigt dafür also keinen expliziten Telekom-Zugang. Es gibt ein passendes Streaming-Device, den MagentaTV-Stick, allerdings man kann das Streaming-Angebot der Telekom auch mit vielen anderen Geräten empfangen.

Wer seinen Kabel- oder Satellitenanschluss nicht bis in den Garten ziehen will, kann zu einem solchen autarken Streaming-Gerät für den HDMI-Anschluss greifen. Zudem nutzen einige Zuschauer ohnehin keinen DVB-Anschluss mehr, sondern setzen auch beim TV-Empfang komplett aufs Streaming. Wir haben die Verzögerungen deshalb nicht nur über die klassischen DVB-Kanäle, sondern auch mit den Streaming-Apps von Waipu, Zattoo, ARD und ZDF sowie Magenta TV gemessen.

Installiert haben wir die genannten Apps auf Googles Chromecast, Amazons FireTV und am Apple TV sowie am PC, am Smart-TV und am Android-Smartphone. Und wir haben die Verzögerungen des TV-Signals an einem aktuellen Magenta TV-Receiver der Telekom und mit einem Magenta TV Stick gemessen.

Streaming-Devices für Latenzmessungen (4 Bilder)

Magenta TV Stick der Telekom

Wie in den vergangenen Jahren ließ sich das TV-Signal mit den geringsten Verzögerungen per Satellit in SD-Auflösung auf den Schirm holen. Dieser DVB-Empfang diente deshalb als Nullpunkt auf der Messlatte für alle anderen Wege. Die hochaufgelöste HD-Variante per Satellit brauchte nur wenige Millisekunden länger als das SD-Signal, kommt aber mit einer deutlich besseren Bildqualität aufs TV. Der Umstieg auf HD lohnt deshalb in jedem Fall.

Im Kabel ist der Qualitätsunterschied ebenfalls sichtbar, in Sachen Verzögerung lagen SD- und HD-Signal auch hier gleich auf – und satte 4,5 Sekunden hinter dem Sat-Empfang. Unsere Fernseher bezogen ihr TV-Signal bei den Messungen aus dem Kabelnetz von Vodafon.

Merklich flinker gelang der Empfang per Stabantenne: Die in Hannovers Nordosten empfangenen DVB-T2-Signale landeten 0,5 (ARD) beziehungsweise 1,5 Sekunden (ZDF) nach dem Satellitensignal auf dem TV-Schirm. Auf das IPTV-Signal der Telekom mussten wir dagegen sowohl mit dem VLC-Player als auch dem aktuellen Media Receiver 401 rund acht Sekunden. Als noch lahmer erwies sich der vom Telekom-Anschluss unabhängige Magenta TV Stick: Mit ihm verzögerte sich der Empfang um satte 21 Sekunden. Den Magenta-TV-Zugang haben wir auch für die anderen Streaming-Devices genutzt.

Insgesamt ähneln die diesjährigen Werte beim DVB-Empfang denen von vor drei Jahren; der Kabelempfang konnte etwas aufholen.

Verzögerungen beim TV-Empfang
ARD ZDF
DVB-Empfang
Sat SD [*1] / Sat HD [*2] 0 0
DVB-T2 HD  0,5 1,5
Kabel SD [*3]  4,5 4
Kabel HD [*3] 4,5 4
Magenta TV der Telekom
per VLC am PC 8 6,5
per Media Receiver 401 8 7,5
per Magenta TV Stick  21 21
Fire TV Cube
Waipu  28 28
Zattoo  15 14
Magenta TV  47 47
ZDF /ARD  5 4
Apple TV 4K
Waipu 14,5 13
Zattoo  20 17
Magenta TV 17 16
ZDF /ARD  5 2,5
Chromecast mit Google TV
Waipu 30 28
Zattoo 15 15
Magenta TV 47 47
ZDF/ARD  6,5 3,5
Android Smartphone
Waipu  27 27
Zattoo  15 13
ZDF/ARD  3 3
Smart-TV
Waipu  28 28
Zattoo  15 15
Magenta TV 47 47
ZDF/ARD  3 3
Windows-PC
Waipu  26 24
Zattoo  24 (per App) / 15 (im Browser) 21 (per App) / 12 (im Browser)
Magenta TV 31 (im Browser) 29,5 (im Browser)
ZDF/ARD  n.V.   28
ZDF/ARD im Browser 3 4
alle Angaben in Sekunden
[*1] Der Empfang per Satellit liegt 6 Sekunden hinter der Echtzeit (gemessen an PTB-Uhr), [*2] die Verzögerung gegenüber SD liegt im Millisekundenbereich, [*3] gemessen im Kabelnetz von Vodafone (ehem. Kabel Deutschland)

Richtig krasse Veränderungen haben wir dagegen bei den Streaming-Diensten beobachtet. Zwar arbeiten alle weiterhin mit einiger Latenz gegenüber den klassischen Empfangswegen – Tore sieht man hier bis zu 47 Sekunden später. Allerdings haben die Apps von ARD und ZDF einen riesigen Sprung nach vorne gemacht: Ruft man sie mit den oben genannten Streaming-Devices auf, landen sie durchweg nach 3 bis 5 Sekunden auf dem Schirm. Öffnet man den Stream von ARD und ZDF am PC im Browser, landet der Ball ebenfalls nach 3 bis 4 Sekunden im Tor – und damit noch vor dem Kabelempfang aus dem Vodafone-Netz oder per Magenta TV!

Die Streaming-App WaipuTV lag bei der WM vor drei Jahren ganz weit vorn, das Unternehmen hatte anlässlich des Fußballevents eine besonders schnelle Verbindung aufgeschaltet. Dass diese nicht von Dauer ist, hatte es seinerzeit nicht verraten – sondern im Gegenteil suggeriert, dass man mit WaipuTV stets den schnellsten Zugang bekommt. In diesem Jahr liegt der einstige Platzhirsch abgeschlagen auf den hinteren Plätzen.

Seinen Platz hat Zattoo eingenommen: Die App holte an allen Streaming-Geräten das TV-Signal mit 15 Sekunden Verzögerung auf den angeschlossenen Schirm. Das ist nicht schlecht, allerdings doch um einiges lahmer als der Stream über die Mediatheken-Apps. Die von Zattoo jüngst versprochenen 10 Sekunden für Streams auf dem FireTV und Google TV konnten wir in unseren Messungen nicht nachvollziehen.

Welche Rolle die Streaming-Hardware bei den Latenzen spielt, ließ sich in unserem Test nicht eindeutig bestimmen. Schaut man auf die Latenzen der einzelnen Apps von Waipu, Zattoo und der Telekom, waren die Ergebnisse mit Chromecast, FireTV, Android-Smartphone und am Android TV nahezu identisch, am Notebook ließen sich WaipuTV und Zattoo etwas beschleunigen. Am PC im Browser landeten die Streams der Anbieter durchweg etwas schneller auf dem Schirm als in der App.

Bemerkenswert sind die Ergebnisse am AppleTV der neuesten Generation: Sämtliche Apps blieben unter 20 Sekunden Latenz, selbst der auf den anderen Geräten so lahme Magenta-TV-Stream. Die ZDF-App brachte es am AppleTV sogar auf eine geringe Latenz von nur 2,5 Sekunden – das gelang mit keiner anderen App.

Wer die Spiele am Mobilgerät streamt, sollte übrigens wenn eben möglich eine WLAN-Verbindung nutzen und die Qualität des Streams so weit wir möglich heruntersetzen. Weil bei der Übertragung erhebliche Datenmengen anfallen, kann das eigene Datenkontingent im Mobilfunktarif schon nach einem Spiel aufgebraucht sein.

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Alle Verbreitungswege nutzen den Datenstrom, der per Satellit aus den dreizehn elf (die in Brüssel und Dublin geplanten Spiele wurden nach London verlegt) europäischen Ländern übermittelt wird. Die wenigste Aufbereitung benötigt hierzulande das DVB-T2-Signal, die Verzögerungen sind mit rund einer Sekunden sehr gering. Die Wandlung und Einspeisung ins Kabelnetz von Vodafone dauert länger, hier gehen bei der Fußballübertragung entscheidende Sekunden verloren.

Für die Streaming-Apps wird der Datenstrom vom Satelliten ausgepackt und das unkomprimierte Material neu encodiert, da man fürs Streaming geringere Bandbreiten anstrebt als bei der Satellitenübertragung. Der neue Codec kann dann beispielsweise die Videoqualität on the fly an die vorhanden Bandbreite anpassen, indem er die Auflösung oder die Bildwiederholfrequenz des Videosignals reduziert. Außerdem wird das im Internet gestreamte TV-Signal gepuffert, um einen unterbrechungsfreien Stream sicherstellen zu können. Das kostet weitere Sekunden.

Auch die schnellste Variante, also der Satellitenempfang, hängt Realität auf dem Fußballfeld um sechs Sekunden hinterher. Davon bemerkt man aber nichts, denn diese Grundlatenz gilt für alle Übertragungswege. Wir haben sie im laufenden Nachrichtenprogramm gegenüber der PTB-Uhr bestimmt – möglicherweise wird sie bei der Live-Übertragung aus den Stadien noch etwas größer.

Wenn die EM 2020 gestartet ist, wollen wir während der Spiele erneut messen und prüfen, ob sich die Latenzen verändert haben. Wir erwarten hier keine wesentlichen Abweichungen, allerdings verspricht etwa Zattoo zur EM weitere Optimierungen – ob diese von Dauer sind, werden wir allerdings nicht sagen können. Aktuell hat Zattoo die für Fire TV und Google TV versprochenen 10 Sekunden Latenz in unseren Messungen nicht eingehalten.

[Update] Auch während der laufenden Spiele blieb es mit der Zattoo-App bei der gemessenen Verzögerung von 15 Sekunden. Der eigens von der Telekom zur EM aufgeschaltete EM-Kanal beschleunigte dagegen den Stream per MagentaTV: Er war in unseren neuerlichen Messungen mit dem MagentaTV Stick nach den Mediatheken der zweitschnellste Stream und schaffte das, was Zattoo verspricht, nämlich die Latenz auf 10 Sekunden zu begrenzen. [/Update]

Die TV-Signale zur EM 2020 holt man am einfachsten per Streaming aufs mobile Display, den großen Fernseher oder den Projektor. Allerdings hinkt der Datenstrom in den Apps von Waipu, Zattoo und Magenta TV derart hintre dem TV-Signal per Satellithinterher, dass man davon beim Fußballschauen abraten muss – zumindest für all diejenigen, die sich nicht von der jubelnden Nachbarschaft abschirmen können.

Wer beim privaten Public-Viewing keinen Reinfall erleben möchte, nutzt besser eine Sat-Schüssel oder hält eine Stabantenne für den DVB-T2-Empfang am TV oder an der externen DVB-T2-Box bereit. Die halbe Sekunde Verzögerung bei der ARD gehen in Ordnung, die eineinhalb Sekunden beim ZDF-Empfang per DVB-T2 sind noch tolerabel.

Der von uns gemessene Stream der öffentlich-rechtlichen Sender im Browser am Notebook lag nur drei (ARD) beziehungsweise vier Sekunden (ZDF) hinter dem schnellsten Sat-Signal. Besitzer eines aktuellen Apple TV greifen beim ZDFaber besser zur ZDF-App, die im Test mit 2,5 Sekunden noch etwas fixer war. Beim Elfmeterschießen können allerdings auch das schlimme Sekunden werden, wenn Ihre Fan-Meile noch auf den Torschuss wartet, während die Nachbarn schon jubeln.

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