CDU-Sprecher: Datenschutzstruktur als größte Bremse der Digitalisierung

Mit der aktuellen "Innovationsfeindlichkeit" beim Datenschutz werde die CDU/CSU-Fraktion Schluss machen, erklärte ihr Digitalexperte Schipanski im Bundestag.

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(Bild: metamorworks/Shutterstock.com)

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Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion will mit den hierzulande gewachsenen Strukturen der unabhängigen Datenschutzbehörden von Bund und Ländern aufräumen. Die hiesige Organisation der Aufsicht mit 17 Datenschutzbeauftragten sei einer der größten Bremsklötze bei der Digitalisierung, befand der digitalpolitische Sprecher der Schwesternparteien, Tankred Schipanski, am Freitag im Bundestag. Damit einher gehe Innovationsfeindlichkeit. Der Christdemokrat betonte: "Das wird es in Zukunft mit der Union nicht mehr geben."

Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung sei "kein Supergrundrecht", meinte Schipanski bei einer Aussprache zur Digitalagenda der Bundesregierung. Er forderte: "Wir brauchen realitätsnahe Entscheidungen." CDU/CSU drängten daher auf "mehr Zentralisierung" und Beratung sowie auf "verbindliche Auskünfte". Schon zu Beginn der Legislaturperiode hatte Digitalstaatsministerin Dorothee Bär (CSU) kritisiert, dass hierzulande "ein Datenschutz wie im 18. Jahrhundert" herrsche. Sie rieb sich damit vor allem an der "Tendenz zur Kleinstaaterei" bei der Aufsicht. Zentralisierungspläne der Konservativen kamen seitdem aber nicht weit.

Bei der Debatte zog Bär nun ein positives Fazit der Umsetzungsstrategie für die digitale Agenda. Über 90 Prozent der angekündigten Schritte seien erledigt oder in Angriff genommen worden. Mit der Datenstrategie sei Schwarz-Rot sogar noch über den Koalitionsvertrag hinausgegangen. Über 300 Verwaltungsdienstleistungen seien mittlerweile digitalisiert, bei der digitalen Bildung "sind wir wahnsinnig weit vorangekommen". Das Cloud-Projekt Gaia-X könnte sich als Exportschlager entpuppen, digitale Identitäten mit einer E-Wallet als "Gamechanger". Die entsprechende Initiative kommt aber nicht aus Berlin, sondern von der EU-Kommission.

Die Opposition nutzte die Diskussion, um mit der Netzpolitik der Koalition abzurechnen. "Es hakt überall", beklagte die Grüne Tabea Rößner. Die Infrastruktur sei desaströs, "das Ausland belächelt uns über die Funkloch-App". Das schwarz-rote Versagen müssten die Schüler während der Corona-Pandemie vor ihren Bildschirmen ausbaden. Statt die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO)"als Marke zu puschen, diffamieren Sie sie als Innovationsbremse".

Die Datenstrategie sei "kalter Kaffee", Potenziale von Open Data blieben ungenutzt, schimpfte Rößner. Beim Verschlüsselungsstandort habe die Regierung "brillieren" wollen, gleichzeitig aber immer mehr Zugriffsrechte für die Sicherheitsbehörden geschaffen. Schwachstellen würden nicht geschlossen, Chancen für ökologisch-soziologische Innovationen nicht genutzt.

"Ein Überwachungsgesetz nach dem anderen wurde verabschiedet", der Staatstrojaner sei jetzt auch für alle 19 Geheimdienste da, schlug die Linke Anke Domscheit-Berg in die gleiche Kerbe. Viele dieser Initiativen seien wahrscheinlich verfassungswidrig. Zudem könne der Bund nur bei 45 der 575 Verwaltungsdienstleistungen sagen, dass diese wirklich Ende zu Ende online funktionierten. Zudem sei die Bundesrepublik "immer noch ein Land der Funklöcher und lahmen Netze".

Schwarz-Rot habe "Schotterpisten hinterlassen", bei Breitband befinde sich das Land "immer noch auf dem langsamen Weg", urteilte auch Manuel Höferlin (FDP). Die Pandemie habe unfreiwillig mehr zur Digitalisierung beigetragen als der Staat, die digitale Verwaltung sei der Running Gag auf Familienfeiern. Ihr Ziel, die Bürgerrechte zu garantieren, habe die Koalition spätestens mit den jüngsten Staatstrojaner-Beschlüssen ad absurdum geführt.

Nur bei der Zensur im Internet und der digitalen Überwachung der Bürger seien die Regierungsfraktionen von CDU/CSU und SPD "ganz groß" gewesen, monierte Joana Cotar (AfD). Selbst der Wissenschaftlicher Beirat des Bundeswirtschaftsministeriums habe festgestellt, dass Deutschland beim Ausbau der digitalen Infrastruktur und Anwendungen hinter vielen anderen OECD-Ländern zurückgefallen sei.

"Wenn ich vom Verfassungsschutz überwacht würde, hätte ich auch Angst davor, wenn der mehr Befugnisse bekommt", hielt Jens Zimmermann der Rechten entgegen. In jeder Ecke stünden Bagger und große Rollen mit orangen Kabeln. Es handle sich dabei um Glasfasern, "die überall im Land gerade verbaut werden". Es gebe gar nicht genügend Baukapazitäten, "um sie unter die Erde zu bringen". Die Koalition habe sich in der Tat "sehr viele Gedanken gemacht über Regeln im Internet" und den Kampf gegen Hass und Hetze. Diese dürfe nicht einfach so weiterlaufen: "Wir müssen vor allem auf der Seite der Opfer stehen."

Auch die Hightech-Strategie der Bundesregierung kam bei der Opposition in einer Folgedebatte nicht gut weg. Der erste PCR-Test und Impfstoff gegen Covid-19 seien aus Deutschland gekommen, versuchte Bundesforschungsministerin Anja Karliczek (CDU) hier zu punkten. Im Bereich IT-Sicherheit nähmen drei deutsche Kompetenzzentren internationale Spitzenpositionen ein. Die vermeintliche Strategie sei nur eine einfältige Auflistung diverser Vorhaben ohne messbare Erfolgskriterien, schimpfte Thomas Sattelberger (FDP) dagegen.

Auch bei der Strategie der Regierung für Künstliche Intelligenz (KI) sei "agiles Projektmanagement Fehlanzeige", verwies der Liberale auf ein weiteres Vakuum. Bisher gebe es nur für 15 Prozent aus den mit dieser Initiative verknüpften 5 Milliarden Verpflichtungen, sodass das Geld hier genauso träge tröpfele wie beim Digitalpakt Schule. Derweil lodere in der Wirtschaft schon der Dachstuhl, "weil eine riesige Expertenlücke klafft". Falsch sei zudem eine "einseitige Ausrichtung auf Elektromobilität".

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Der nötige Wandel könne nicht allein technologisch gemeistert werden, gab die Linke Petra Sitte zu bedenken. Innovationen müssten eingebettet sein in die Gesellschaft und mehr demokratische Mitsprache. Deutschland verliere mit der "in die Jahre gekommenen Hochglanzbroschüre" an Erneuerungskraft, ergänzte die Grüne Anna Christmann. Auch nachhaltige Sprunginnovationen warteten so trotz einer dafür mittlerweile eingerichteten Behörde wohl noch lange darauf, "entfesselt zu werden".

Deutschland zehre als Forschungs- und Industrienation von der Substanz, bedauerte Marc Jongen (AfD). Im Bildungsbereich bleibe Deutschland "unterbelichtet", der Plan der Regierung für einen Ausbau des MINT-Sektors (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) sei weitgehend verpufft. Dafür florierten "Pseudowissenschaften" wie "Gender Studies".

(bme)