Präsidialverordnung für mehr Wettbewerb und für ein "Right to Repair"

Per Präsidialverfügung will Präsident Joe Biden wieder mehr Wettbewerb ermöglichen. Reichen die Maßnahmen aus, die Marktmacht der Big Player zu brechen?

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(Bild: Vintage Tone/Shutterstock.com)

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Von
  • Monika Ermert

Am Freitagnachmittag stellte US-Präsident Joe Biden im Weißen Haus eine Präsidialverfügung für mehr Wettbewerb und gegen die zunehmende Marktkonzentration in vielen Branchen vor. Zentrale Maßnahmen gegen Big Tech sind die schärfere Kontrolle von Aufkäufen der Konkurrenz und das Eindämmen wettbewerbsfeindlicher Praktiken gegen kleinere Verkäufer. Die Federal Trade Commission soll neue Regeln gegen die Anhäufung von Daten über Verbraucher erlassen und diese sollen künftig ein Recht erhalten, ihre Mobiltelefone und ihre Traktoren wieder selbst zu reparieren – eine Kampfansage an den "Überwachungskapitalismus".

Die zunehmende Marktkonzentration im Gesundheitsbereich, im Bankensektor, in der Landwirtschaft oder dem Providermarkt verteuere viele Produkte für die Bürger. Sie erhöhe den Druck auf die Lohnentwicklung zu Ungunsten der Arbeiter und bremse Innovation, argumentiert die Biden-Regierung gestützt auf zahlreiche Studien, einschließlich des 450-Seiten starken Kongressverrisses zu den Praktiken der großen Plattformen. In drei Viertel aller Branchen kontrolliere heute eine kleinere Zahl von Unternehmen den Markt als vor 20 Jahren, heißt es im Informationsblatt zu der Verordnung. Die Handelsspannen hätten sich verdreifacht, zugleich seien die Löhne um 17 Prozent zurückgegangen und die Zahl der Start-ups habe sich im Vergleich zu den 70er-Jahren halbiert (siehe Grafik).

Er sei ein stolzer Kapitalist, sagte Biden bei der Unterzeichnung. Aber Kapitalismus ohne Wettbewerb verkomme zur Ausbeutung. Mit der Verordnung werden ein Dutzend US-Bundesbehörden, darunter das Justizministerium und die Federal Trade Commission (FTC), aufgerufen, die bestehenden Wettbewerbs- und Kartellregeln rigoros durchzusetzen. Das Weiße Haus wird außerdem einen "Competition Council" einsetzen.

Insgesamt 72 Einzelaufträge hat Biden verfügt. Sie reichen von Parallelimporten von billigeren Versionen verschreibungspflichtiger Medikamente aus Kanada über verbesserte Umzugsrechte für Bankkunden bis zur Unterstützung von kleinen Farmer Markets und Auflagen zur korrekten Auszeichnung von Fleischprodukten, um kleine Bauern zu unterstützen.

Im Bereich Internet Service Provider verfügte Biden etwa, die Wahl von Verbrauchern für ihren Netzprovider durch Deals zwischen Netzanbietern und Wohnungsgesellschaften zu behindern. Den Anbietern sollen kürzere Kündigungsfristen und Preistransparenz auferlegt werden. Die Federal Communication Commission wies Biden an, die von Trump abgeschafften Bestimmungen zur Netzneutralität wieder in Kraft zu setzen.

Im Kapitel "Technologie" stehen die Verhinderung von Kill-Käufen auf dem Programm, also Aufkäufe und Schließungen junger Unternehmen durch die Großen, die sich so Konkurrenz vom Leib halten. Auch die bei der Kongressanhörung von Google, Amazon, Facebook und Microsoft ausführlich unter die Lupe genommene Praxis, bei der die Plattformen kleine Anbieter auf ihren Plattformen dadurch ausmanövrieren, dass sie ihre Angebote kopieren, soll unterbunden werden. Zwei konkrete Arbeitsaufträge an die FTC in Bidens Anordnung sind die Schaffung neuer Bestimmungen gegen die "Behinderung, Mobilfunkgeräte durch Dritte reparieren zu lassen" und neue FTC-Regeln gegen die Überwachungs- und Datensammelpraktiken der Plattformen.

Um die konzertierte Aktion im Bereich Wettbewerbspolitik zu unterstreichen, teilte FTC-Chefin Lina Khan schon kurz nach der Unterzeichnung mit, ihre Behörde werde die aktuell geltenden Richtlinien zur Fusionskontrolle einer harten Überprüfung unterziehen. "Wir müssen sicherstellen, dass die Fusionskontrolle aktuellen Marktrealitäten und Erkenntnissen aus der Praxis angepasst ist und Firmenaufkäufe mit der vom Recht gebotenen Skepsis kontrolliert werden", so die FTC-Chefin laut Pressemitteilung. Verschärfte FTC-Richtlinien zur Fusionskontrolle könnten, so Beobachter, auch die aktuell eher zögerliche Spruchpraxis der Gerichte verschieben, da sich diese auch an solchen Richtlinie orientieren.

US-Medien nannten Bidens Wettbewerbsverordnung schon historisch. Doch der US-amerikanische Facebook-Kritiker Roger Mc Namee sprach gegenüber heise online von einem hochwillkommenen, aber allenfalls ersten Schritt, dem weitere folgen müssten, wenn man das Rad der Konzentration der Plattformen noch herumdrehen wollte.

Die auf Wettbewerb zielende Verordnung müsse durch gesetzliche Regelungen untermauert werden, so Mc Namee, denn die Verordnung könne von künftigen Administrationen wieder aufgehoben werden. Daneben seien auch Gesetze im Bereich Sicherheit beziehungsweise Haftung der Plattformen für angerichteten Schaden etwa durch eine Neuregelung und beim Datenschutz dringend notwendig.

"Von solchen Gesetzen sind wir noch recht weit entfernt", sagte Mc Namee. Erste gesetzgeberische Vorstöße im Bereich Wettbewerb gegen die großen Techplattformen hätten demokratische Abgeordnete aus Kalifornien blockiert. Das angeführte Argument von Arbeitsplatzverlusten nennt Mc Namee dabei absurd, denn die Aufspaltung von AT&T habe den Telefonmarkt und später das Internet geschaffen. Das Wettbewerbsurteil gegen Microsoft habe Google hervorgebracht. "Die Zerschlagung von Monopolen hat historisch immer mehr Jobs geschaffen." Aber man habe es mit einem machtvollen Gegner zu tun, so Mc Namee.

(bme)