Saturnmond Enceladus: Ist der Methanausstoß ein Hinweis auf Leben?

Ist Enceladus Methan biologischer oder nicht-biologischer Herkunft? Ein mathematisches Modell französischer Biologen bringt überraschende Ergebnisse.

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Enceladus

(Bild: NASA/JPL/Space Science Institute)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Bettina Wurche
Inhaltsverzeichnis

Die französischen Astrobiologen Antonin Affholder und Régis Ferrière der Université de recherche Paris Sciences et Lettres haben mit einer Publikation in der Fachzeitschrift Nature Astronomy vor wenigen Wochen ein gewaltiges Medienecho hervorgerufen. Schließlich ging es um mögliche Spuren außerirdischen Lebens auf dem Saturn-Eismond Enceladus. Aber haben die Wissenschaftler wirklich Hinweise für die Existenz von Aliens gefunden?

Die Eismonde der Gasriesen Jupiter und Saturn sind zurzeit die aussichtsreichsten Kandidaten für außerirdisches Leben in unserem Sonnensystem. Besonders interessant ist dabei der Saturnmond Enceladus: Die NASA-Raumsonde Cassini hatte Wasserausbrüche am Südpol des Eismondes entdeckt. Durch Spalten im Eis – die sogenannten "Tigerstreifen" – schleudern gewaltige Gezeiten Fontänen aus Eis und Dampf hoch in die Atmosphäre des kleinen Mondes. Unter der eisigen Oberfläche liegt offenbar ein flüssiger Alien-Ozean voller faszinierender Elemente und Verbindungen sowie ausreichend Energie.

Die Raumsonde durchflog dann 2015 diese Fontänen bei mehreren Umrundungen des Mondes und der in Deutschland entwickelte Cosmic Dust Sampler (CDA) konnte die Zusammensetzung mit seinem Massenspektrometer analysieren. Die eingesammelten "Staub"-Partikel stellten sich dann als Eiskörnchen mit ungewöhnlicher Zusammensetzung heraus. Insgesamt fanden Cassini und CDA eine relativ hohe Konzentration von Wasserstoff in Form von Eis, Dampf und flüssigem Wasser. Dazu kamen Methan, Kohlendioxid und eine ganze Reihe von Salzen, darunter Natriumchlorid – unser irdisches Kochsalz. Ungewöhnlich war auch der Fund von Silizium-Verbindungen, die aus dem festen Gesteinskern des Mondes stammen müssen. Die wahrscheinlichste Erklärung für die Fontänen und ihre Zusammensetzung sind zurzeit hydrothermale Systeme am Boden des Ozeans, wie es sie auch auf der Erde gibt.

Enceladus ist vollständig vereist – am Äquator bis zu 35 Kilometer dick, am Südpol weniger als 5 Kilometer. Zwischen Eis und festem Kern erstreckt sich ein globaler Ozean, dessen Boden etwa 70 Kilometer unter der Oberfläche liegt. Durch den großen Temperaturgradienten im Ozean und an der Grenzschicht zur Eisoberfläche gibt es wahrscheinlich starke thermale Umwälzungen. Die Silizium-Partikel werden vermutlich durch hydrothermale Aktivität bei mehr als 90 °C im porösen Gesteinskern des Mondes erzeugt, geraten durch thermale Umwälzungen dann auch in Oberflächennähe und werden schließlich von den Fontänen mit hinausgeschleudert.

Der Methanfund hatte den kleinen Eismond mit nur 500 Kilometern Durchmesser von einem uninteressanten Eisball zu einem der heißesten Kandidaten für die astrobiologische Erkundung in unserem Sonnensystem gemacht! Methan ist dabei für die Suche nach außerirdischem Leben so interessant, weil es auf der Erde sowohl durch nicht-biologische als auch durch biologische Prozesse entstehen kann. Die entscheidende Frage ist nun: Ist das Methan im Enceladus-Ozean durch Lebewesen produziert worden oder abiotisch?

Die direkte Erforschung eines solchen Lebensraums tief unter der Oberfläche eines anderen Himmelskörpers dürfte noch für Jahrzehnte unmöglich sein, erklärt nun der Hauptautor der aktuellen Studie, Antonin Affholder. Darum haben er und seine Kollegen hier eine mathematische Methode erprobt: die bayesische Statistik. "Wir haben mathematische Modelle für die Erklärung der Cassini-Daten konstruiert, um die Wahrscheinlichkeit für die unterschiedlichen Erklärungsansätze zu quantifizieren."

Die Forscher haben sich also überlegt, welche der Methan-Entstehungen die Cassini-Daten am besten erklären könnte und daraus ein geophysikalisches Modell entwickelt. Auf dieser Basis haben sie dann die Wahrscheinlichkeit für die beiden ausgewählten Hypothesen berechnet, eine durch Lebensformen und eine ohne. Die abiotische Methanproduktion geschieht in irdischen Ozeanen unter hohen Drücken und Temperaturen in besonders wasserhaltigen grünlichen Gesteinen durch die sogenannte Serpentiniserung, etwa an Hydrothermal-Quellen. Allerdings nur in geringem Maß und langsam, so Affholder. Weitaus mehr und schneller produzieren Mikroorganismen das farblose Gas in einem Prozess namens Methanogenese.

Die von Cassini gemessene Methanmenge kann mit der abiotischen Entstehung von Methan also nicht erklärt werden und ist darum die unwahrscheinlichere der beiden Hypothesen. "Sollten wir daraus nun schlussfolgern, dass erdähnliche Mikroben die Tiefen des Enceladus-Ozeans bevölkern? Absolut nicht, wenngleich es faszinierend wäre" meint Affholder. "Unsere Studie erzählt vielmehr eine andere Geschichte, nämlich die eines negativen Resultats!"

Hier ging es um das Testen der Wahrscheinlichkeit verschiedener Hypothesen. Das Verwerfen der weniger wahrscheinlichen Hypothese bedeutet nicht, dass dann automatisch die andere, etwas weniger unwahrscheinliche Erklärung korrekt sein müsse. Sondern vielmehr, dass die Fakten im Moment einfach noch nicht ausreichen, um die Frage nach möglichem Leben im Enceladus-Ozean zu beantworten. So bleibt es die Aufgabe zukünftiger Eismond-Missionen, die noch unbekannten Methan-Quellen weiter zu erforschen und ihren Ursprung zu entdecken. Die bayesische Statistik habe sich als Modell zum Abwägen von Wahrscheinlichkeiten bei der Suche nach außerirdischen Lebensspuren jedenfalls bewährt.

Die Forscher glauben also keineswegs an Methan produzierende Aliens im Saturnorbit, sondern, dass die vorliegenden Daten für eine plausible Begründung noch nicht ausreichen. Auch wenn es sich hier um eine eher trocken erscheinende mathematische Arbeit handelt, hat das Thema, nämlich die Suche nach Leben außerhalb der Erde, Medien und Öffentlichkeit mal wieder zuverlässig aufgeregt. Die Methanspuren auf dem Mars sorgen übrigens aus dem gleichen Grund immer wieder für Schlagzeilen. Auch wenn, wie in der aktuellen ESA-Meldung, nur steht, dass die vom Trace-Gas-Orbiter gemessenen Methanspuren niedriger sind, als zunächst angenommen.

(mho)