Humanoids: Wie Roboter Arme und Hände zum Laufen nutzen

Sich beim Gehen abzustützen, ist für Menschen kein Problem. Ganz anders sieht das bei Robotern aus, zeigt sich auf der Konferenz Humanoids.

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Ein Roboter, der sich am Tisch abstützt.

(Bild: TUM Chair of Applied Mechanics)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Hans-Arthur Marsiske

Mit dem aufrechten Gang ist das so eine Sache. Manchmal reichen zwei Beine dafür nicht aus, insbesondere wenn der Boden uneben ist. Dann ist es gut, sich am Treppengeländer festhalten oder an der Wand abstützen zu können. Das klingt einfach und selbstverständlich, ist es aber nicht – jedenfalls nicht für einen humanoiden Roboter.

So brauchte der Roboter LOLA, der seit 2004 an der TU München entwickelt wird, erst einmal ein Upgrade für seinen Oberkörper. Die Arme hätten bislang vornehmlich dazu gedient, Schwankungen auszugleichen, die beim schnellen Gehen auftraten, erläuterte Philipp Seiwald jetzt bei der Konferenz Humanoids. Um sie auch zum Abstützen nutzen zu können, sei die Implementierung eines weiteren Freiheitsgrades in Gestalt eines rotierenden Oberarms nötig gewesen. Dadurch konnte das von den Armspitzen (Hände hat LOLA noch nicht) erreichbare Volumen von 0,286 auf 1,303 Kubikmeter erweitert werden. Außerdem habe sich gezeigt, dass die Steifheit von Rücken und Schultern nicht ausreichend gewesen sei, was einen komplett neu gestalteten Torso erforderlich gemacht hätte.

Der neue Oberkörper benötigt wiederum neue Software, um ihn zu steuern. Sie errechnet aus den Daten der RGB-D-Kamera und der Inertialsensoren zunächst ein Modell der Umgebung wie auch der Ausrichtung des Roboters darin. Daraus leitet sie ein angemessenes Laufverhalten ab, das wiederum durch ein eigenes Softwaremodul stabilisiert wird. Die Architektur der Software sei fertig entwickelt, sagte Seiwald. An den einzelnen Algorithmen werde aber noch gearbeitet. Bei den ersten Experimenten sei das Abstützen an den Wänden daher noch von Hand programmiert worden. Allerdings sei der Roboter durchaus in der Lage, Abweichungen im Bereich von wenigen Zentimetern selbst auszugleichen.

Sich am Treppengeländer festhalten, falls es mit dem Gleichgewicht mal sehr kritisch wird, könnte LOLA aber noch nicht. Dazu sind die kugelförmigen Stumpen an den Enden der Arme nicht geeignet. Doch auch daran wird gearbeitet. So entwickelt ein anderes Forschungsteam an der TU München ein Handgelenk, dessen zwei Freiheitsgrade durch lediglich drei Sehnen gesteuert werden – was das theoretische Optimum darstellt, wie Alexander Toedtheide erläuterte. Ein von der Firma Shadow entwickeltes, ähnliches Handgelenk arbeite dagegen mit vier Sehnen. Ein Vorteil bei der Steuerung durch Sehnen statt durch Motorgetriebe sei die leichter zu realisierende Nachgiebigkeit und Anpassungsfähigkeit des Gelenks, so Toedtheide.

Das Handgelenk dient der Ausrichtung der Hand, die dann mit ihren fünf Fingern eine beeindruckende Vielfalt von Bewegungen ausführen kann. Ein von Thomas Feix (Yale University) geleitetes Forschungsteam hat vor fünf Jahren versucht, diese Vielfalt in den Griff zu kriegen, und eine Taxonomie von 33 Grundgriffen vorgeschlagen. Auf die bezog sich Li Tian (Nanyang Technological University) jetzt bei der Humanoids-Konferenz und stellte eine künstliche Hand vor, die sich an der Taxonomie orientiert. In Videoaufnahmen ist zu sehen, wie diese Hand kleine Kunststückchen vollbringt wie das Drehen eines Bleistifts oder das Hantieren mit Essstäbchen. Durch die Fertigung mithilfe von 3D-Druck kostet sie weniger als gängige Roboterhände, hat aber auch weniger Kraft und ist nicht so robust. Mit einem Griff zum Treppengeländer könnte LOLA mit dieser Hand wohl keinen Sturz verhindern. Aber die bei der Humanoids vorgestellten Forschungsprojekte nähren immerhin die Erwartung, dass humanoide Roboter bald nicht nur auf zwei Beinen laufen werden, sondern auch Arme und Hände gezielt zu Hilfe nehmen können.

(mho)