Netzgemeinde wirft Ursula von der Leyen Ignoranz vor

Die Initiatorin der Petition gegen Web-Sperren, Franziska Heine, zog nach einem Gespräch mit der Familienministerin ein ernüchtertes Fazit, während Zensurgegner an den Bundesrat appellieren, das entsprechende Gesetz nicht passieren zu lassen.

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Die Initiatorin der Rekord-Petition gegen das Gesetz zu Web-Sperren, Franziska Heine, zog nach einem Gespräch mit Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU) ein ernüchtertes Fazit. Zwar habe sich das Ministerium interessiert daran gezeigt, weitere Informationen zur Bekämpfung von rechtswidrigen Inhalten im Internet zu erhalten, erklärte die Berliner Mediengestalterin. Die Bereitschaft, sich auch nur einen Millimeter zu bewegen, sei aber nicht zu erkennen gewesen: "Das Problem, dass durch das Gesetz eine technische Infrastruktur zur polizeilichen Kontrolle der Verbreitung von beliebigen Inhalten geschaffen wird – noch dazu durch eine intransparente Sperrliste –, ignoriert Frau von der Leyen." Bis in der Politik ein Verständnis für effektive Lösungen entwickelt werde, die nicht für Zensurmaßnahmen missbraucht werden können, sei es wohl noch ein weiter Weg.

Den in den letzten Wochen begonnenen Dialog mit der Politik will Heine aber auch nach der Unterredung, an der auch ein Vertreter der Whistleblower-Seite Wikileaks teilnahm, nicht abreißen lassen. Nachdem das "Zugangserschwerungsgesetz" vom Bundestag verabschiedet worden sei, müsse die Netzgemeinde jetzt den Blick auf den Bundestagswahlkampf richten. Den Erfolg der von über 134.000 Nutzern gezeichneten Petition, ohne die das Gesetz wohl "noch wesentlich schlechter aussehen würde", sei zum Anlass zu nehmen, weiter online wie offline für die Grundrechte zu kämpfen.

Konkret verweist Heine dabei auch auf andere netzpolitisch wichtige Themen wie die umstrittene Vorratsdatenspeicherung hin. Auch die "Attacke" von Verlegern gegen Google und das Internet, mit der die "alten" Medienunternehmen ein erweitertes urheberrechtliches "Verlegerprivileg" einfordern würden, sei in den Augen der Netzgemeinde besorgniserregend. Als klares Signal rufe der Arbeitskreis gegen Internet-Sperren und Zensur daher mit zu der am 12. September geplanten Demonstration "Freiheit statt Angst" auf.

Kurzfristig sieht der AK Zensur am morgigen Freitag bei der Plenarsitzung des Bundesrates die Oppositionsparteien FDP, Grüne und Linke gefordert, dem umkämpften Gesetz für Web-Sperren ihre Zustimmung zu verweigern. Die Vereinigung ruft die entsprechenden Landtagsfraktionen mit Regierungsbeteiligung in Bayern, Baden-Württemberg, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Bremen, Hamburg und Berlin auf, die Positionen der Bundesparteien gegen das Vorhaben zu unterstützen. Sie müssten darauf dringen, dass die Länderkammer den Vermittlungsausschuss mit dem Bundestag anrufe. Alvar Freude vom Arbeitskreis Zensur betonte: "Die Bundesratssitzung am Freitag wird zum Prüfstein für die kleinen Parteien."

Freude verwies weiter darauf, dass in der Debatte um das Zugangserschwerungsgesetz neben inhaltlichen Mängeln vor allem verfassungsrechtliche Bedenken thematisiert worden wären. Polizeirecht sei demnach Ländersache. Die Länder seien so gehalten, "ihre Kompetenzen zu wahren und derartige Eingriffe nicht widerspruchslos hinzunehmen".

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(Stefan Krempl) / (jk)