Genschere CRISPR funktioniert auch bei Beuteltieren – warum das so spannend ist

Wegen ihrer komplexen Fortpflanzung ließ sich die Technik bislang nicht bei Marsupialia verwenden. Eine Opossum-Art zeigt nun, dass es doch geht.

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(Bild: Riken)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Casey Crownhart
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Ob Tomate, Mensch oder nahezu jeder andere Organismus dazwischen: Die Genom-Editing-Technik CRISPR wurde bereits fast überall eingesetzt, um Gene zu verändern. Doch eine Unterklasse der Säugetiere blieb bislang außen vor: Weil sie eine einzigartige Fortpflanzungsbiologie haben und nur sehr selten als Labortiere gehalten werden, waren Beuteltiere dem CRISPR-Hype bislang entgangen.

Doch jetzt ist es einem Forscherteam des japanischen Riken-Instituts gelungen, dies zu ändern. Wissenschaftler der nationalen Forschungseinrichtung nutzten CRISPR, um das Erbgut einer südamerikanischen Opossum-Art zu korrigieren. Die Studie mit den neuen Ergebnissen wurde kürzlich in der Zeitschrift Current Biology veröffentlicht. Mit der Möglichkeit, die Genome von Beuteltieren zu verändern, könnten Biologen mehr über die Tiere erfahren und Immunreaktionen, Entwicklungsbiologie und sogar Krankheiten wie Melanome erforschen, die die Arten heimsuchen und die bislang kaum verstanden werden. Das wiederum erlaubt Rückschlüsse auf Krebs beim Menschen.

"Ich freue mich sehr über diese Studie. Ich hätte nicht gedacht, dass so etwas noch zu meinen Lebzeiten passiert", kommentiert John VandeBerg, Genetiker an der University of Texas Rio Grande Valley, der nicht an der Arbeit beteiligt war.

Zwar sind ihre Beuteltier-Verwandten Känguru und Koala bekannter, doch für Laborexperimente verwenden Forscher meist Opossums, weil sie kleiner und leichter zu halten sind. Die in der Studie untersuchte Art, die Haus-Spitzmausbeutelratte, ist mit den nordamerikanischen Virginia-Opossum verwandt, aber noch kleiner.

Die Forscher des Riken verwendeten CRISPR, um bei den Tieren ein Gen zu entfernen, das für die Produktion von Pigmenten verantwortlich ist. So können sie sofort sehen, ob das Experiment geglückt ist: Die Nachfahren der genveränderten Opossums wären Albinos, also komplett weiß, wenn beide Kopien des Gens ausgeschaltet wären. Wäre nur eine Kopie gelöscht worden, hätten sie ein geschecktes Fell.

Im nachfolgenden Wurf gab es ein Albino-Opossum und ein geschecktes. Die Forscher verpaarten die beiden, was zu einem kompletten Albino-Wurf führte. Das zeigt, dass die Fellfärbung genetisch vererbbar ist.

Um das Opossum-Genom zu bearbeiten, mussten die Forscher allerdings einige Schwierigkeiten überwinden. Denn dass es so schwer sei, Beuteltiere genetisch zu verändern, habe weniger mit CRISPR zu tun als mit der besonderen Fortpflanzungsbiologie der Beuteltiere, sagt Hiroshi Kiyonari, Hauptautor der neuen Studie.

So etwa, dass die Eizellen der Beuteltiere schon bald nach der Befruchtung eine dicke zähe Schleimhülle um sich herum entwickeln. Dadurch ist es schwieriger, CRISPR praktisch durchzuführen. In den ersten Versuchen konnte die Genschere die Hülle entweder nicht durchdringen oder sie wurde beschädigt, sodass die Embryonen nicht überlebensfähig waren, sagt Kiyonari.

Die Forscher erkannten, dass es einfacher war, die Genschere früher anzusetzen, bevor die Hülle um die Eizelle zu zäh wird. Indem sie das Licht in den Laboren später ausschalteten, brachten sie die nachtaktiven Opossums zudem dazu, sich später am Abend zu paaren. Die Eier waren dann am übernächsten Morgen bereit für die Injektion. Die Forscher benutzten dabei einen sogenannten piezoelektrischen Bohrer, der elektrische Ladung nutzt, um die Membran leichter zu durchdringen. So konnten sie die Genschere leichter in die Zellen injizieren, ohne sie zu beschädigen. "Ein fantastisches Ergebnis", sagt Richard Behringer, Genetiker an der Universität von Texas. "Die Kollegen haben gezeigt, dass es machbar ist. Jetzt ist es an der Zeit, die Biologie dahinter zu erforschen", fügt er hinzu.

Opossums werden seit den 1970er-Jahren als Labortiere verwendet, und Forscher versuchen seit mindestens 25 Jahren, ihre Gene zu verändern, sagt VandeBerg. Bereits 1978 begann er, die Tiere im Labor zu züchten. Das Opossum war auch das erste Beuteltier, dessen Genom im Jahr 2007 vollständig sequenziert wurde.

Biologen hoffen, dass die Möglichkeit, Opossums genetisch zu verändern, ihnen helfen wird, mehr über die einzigartige Biologie von Beuteltieren zu erfahren. "Wir finden bei Beuteltieren Gene und Genome, die wir Menschen nicht haben. Da stellt sich die Frage, welche Wirkung sie entfalten", sagt Rob Miller, Immunologe an der Universität von New Mexico, der an Opossums forscht.

Ein Beispiel: Die meisten Wirbeltiere haben zwei Typen von T-Zellen, die eine wichtige Rolle im Immunsystem spielen, Eidechsen sogar nur einen. Beuteltiere jedoch, einschließlich Opossums, haben einen dritten Typ. Die Forscher sind sich nicht sicher, was er bewirkt und wie er funktioniert. Jetzt aber könnten sie sehen, was diese mysteriösen Zellen täten, wenn sie sie entfernen oder andere Teile des Immunsystems ausschalten, sagt Miller.

Opossums dienen auch der Erforschung von einigen menschlichen Krankheiten. Sie zählen zu den wenigen Säugetieren, die wie der Mensch Melanome (schwarzen Hautkrebs) entwickeln können. Interessant ist auch, dass Opossums nur 14 Tage nach der Befruchtung geboren werden. Sie sind kaum mehr als winzige Zellbälle mit Armen, mit deren Hilfe sie auf die Brust ihrer Mutter krabbeln. Diese kleinen Lebewesen entwickeln ihre Augen, ihre hinteren Gliedmaßen und den größten Teil ihres Immunsystems erst, nachdem sie bereits auf der Welt sind.

Da ein so großer Teil ihrer Entwicklung erst nach der Geburt stattfindet, könnte es viel einfacher als bei anderen Labortieren wie Mäusen sein, ihr Wachstum zu studieren und zu manipulieren. Kiyonari etwa will mit seinem Team nach Möglichkeiten suchen, die Gene des Opossums so zu verändern, dass er die Organentwicklung der Tiere untersuchen kann.

Miller und andere Forscher hoffen, mithilfe von Gen-Editing nicht nur mehr die Biologie des Opposums zu erfahren, sondern auch neue Erkenntnisse über uns selbst zu erhalten. "Manchmal enthüllt ein vergleichender Blick auf die Biologie verschiedener Arten, was wirklich wichtig ist", sagt er. "Das, was wir gemeinsam haben, ist von fundamentaler Bedeutung – und das, was anders ist, könnte spannend sein." (bsc)