Bioprogrammierung: Biontech entwickelt RNA-Vakzine gegen Malaria und Tuberkulose

Nun geht es Schlag auf Schlag: Kaum, dass die RNA-Technologie ihre Wirksamkeit gegen SARS-CoV-2 bewiesen hat, nimmt Biontech weitere Ziele ins Visier.

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(Bild: BioNTech)

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Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Dusan Zivadinovic
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Nicht einmal ein Jahr ist verstrichen, seit Biontech und Moderna mit zwei Corona-Virus-Impfstoffen gezeigt haben, wie gut sich RNAs (Ribonukleinsäuren) für therapeutische Zwecke eignen, da legt Biontech nach: Die Mainzer Firma will den ersten RNA-basierten Impfstoff zur Malaria-Prävention entwickeln und plant den Start einer klinischen Studie bis Ende 2022. Allerdings gibt es noch weitere technisch hochanspruchsvolle Methoden, Malaria zu bekämpfen, etwa unter Einsatz der Genschere CRISPR/Cas9.

In Fachkreisen hat man durchaus damit gerechnet, dass die Technik zur Bekämpfung verschiedener Erreger adaptiert wird, denn schließlich spitzt sich ein wesentlicher Teil der RNA-Grundlagenforschung seit ihren Anfängen in den 60er-Jahren darauf zu. Dass sich Biontech bereits jetzt dafür gerüstet sieht, kommt aber doch ein wenig überraschend. Der Zeitpunkt könnte aber kaum günstiger sein – die Firma kann den Schwung mitnehmen, den sie mit ihrem erfolgreichen Impfstoff gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 gewonnen hat.

Biontech hat sich zwei Ziele gesetzt: Die Firma will einen "hochwirksamen RNA-Impfstoff" gegen Malaria entwickeln und nachhaltige Lösungen für die Impfstoffproduktion und -versorgung auf dem afrikanischen Kontinent aufbauen. Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation zufolge erkrankten im Jahr 2019 weltweit rund 229 Millionen Menschen an Malaria, 409.000 starben. Allein 274.000 Todesfälle entfielen auf Kinder unter fünf Jahren.

In der ersten Etappe will Biontech markante Oberflächenelemente des Malaria-Erregers identifizieren und die zugehörigen Gene in spezielle RNAs einbauen. Bringt man solche RNAs in menschliche Zellen, synthetisieren die Ribosomen (Proteinfabriken im Nano-Format) das zugehörige Protein anhand der vorprogrammierten RNA-Sequenz massenhaft selbst. Im Weiteren dient es als Attrappe dazu, den lernfähigen Teil des Immunsystems zu trainieren.

Dafür konstruiert man die mRNA so, dass die Zelle die fremden Proteine selbst an ihre eigene Oberfläche bringt. Dort erkennt sie das adaptive Immunsystem als fremd und klassifiziert sie als feindlich. Trifft es später auf den Malaria-Erreger, behandelt es auch ihn als Eindringling und attackiert ihn. Das Vorgehen bei der Entwicklung des Malaria-Impfstoffs orientiert sich an jenem gegen das Coronavirus SARS-CoV-2. RNA-Impfstoffe sind Präzisionswaffen zur offensiven Bekämpfung von Erregern. Zugleich sind sie erste Vertreter einer neuen Impfstoffklasse, die man buchstäblich programmieren kann. Wie Biontechs Impfstoff gegen das SARS-CoV-2-Virus aufgebaut ist, welche Steuerelemente die Firma hinzugefügt hat und wie er funktioniert, haben wir ausführlich beschrieben (Corona-Impfung erklärt: So funktioniert der programmierbare Biontech-Impfstoff).

Markante Oberflächenelemente können schon bekannte Strukturen wie das CSP sein (Circumsporozoiten-Protein). CSP ist unter anderem an der Ankopplung an menschliche Zellen beteiligt. Biontech will aber mit spezialisierten Teams am Hauptsitz in Mainz auch nach weiteren Kandidaten suchen. Die mRNA-Impfstoffkandidaten werden zunächst unter Laborbedingungen getestet und bei Eignung für klinische Studien ausgewählt. Wenn alles gut geht, sollen die klinischen Studien Ende 2022 starten.

Biontechs Plan gehört zur Initiative "eradicateMalaria" der kENUP-Stiftung, die sich zum Ziel gesetzt hat, die Krankheit auszurotten. Die Weltgesundheitsorganisation, die Europäische Kommission, die Europäische Investitionsbank und die Gates-Stiftung gehören zu den Unterstützern von Biontech.

Uğur Şahin, CEO und Mitbegründer von Biontech sagte anlässlich der Ankündigung: "Wir sind mehr als dankbar, Teil der gemeinsamen Bemühungen der Initiative eradicateMalaria zu sein. Gemeinsam setzen wir alles daran, einen sicheren und wirksamen Malaria-Impfstoff auf mRNA-Basis zu entwickeln." Die Impfstoffentwicklung will Biontech mit "erheblichen Investitionen" anschieben, und auch den Aufbau von Produktionsanlagen und den Wissenstransfer zur Produktion "auf dem afrikanischen Kontinent und überall dort, wo er benötigt wird" fördern.

Doch damit nicht genug: Biontech will ebenfalls noch 2022 eine klinische Studie für seinen ersten Tuberkulose-Impfstoffkandidaten beginnen. Derzeit entwickelt Biontech mit Partnern Impfstoffe gegen neun verschiedene Infektionskrankheiten und arbeitet an 15 Programmen zur Krebsbekämpfung.

Mit seinem Impfstoff BNT162b2 gegen das SARS-CoV-2-Virus hat Biontech sein Fundament für die RNA-Therapie gelegt. Die Fortentwicklung zur Malaria-Bekämpfung dürfte zum Prüfstein werden, denn Forscher suchen bisher vergeblich nach einem zuverlässigen Impfstoff. Zwar läuft seit 2019 in den am schwersten betroffenen afrikanischen Ländern ein Pilotprojekt mit einem Wirkstoff des Pharma-Unternehmens Glaxo-Smith-Kline. Doch dieser erzielt eine nur bescheidene Schutzwirkung. Die am stärksten betroffene Gruppe sind Kinder und die Wirksamkeit beträgt bei geimpften Personen im Alter von 17 Monaten bis fünf Jahren nur 30 bis 40 Prozent. Die Schutzwirkung des SARS-CoV-2-Impfstoffs BNT162b2 beträgt je nach Virus-Mutante zwischen 80 und 95 Prozent.

Ein anderer Ansatz gilt der Bekämpfung der Mücken, die den Malaria-Erreger übertragen: Kyros Kyrou und Kollegen am Imperial College in London haben bereits 2018 gezeigt, wie sich die Genschere CRISPR/Cas9 zum Ausrotten einer ganzen Population der Anopheles-Mücken verwenden lässt. Die Vernichtungsmethode gründet auf einer molekularbiologisch eingeschleusten Fehlfunktion in das Erbgut der Männchen. Pflanzen sich die Männchen fort, geben sie die Fehlfunktion an ihre Nachfahren weiter. Entscheidend dabei ist, dass Weibchen, die die programmierte Fehlfunktion bei der Zeugung in zweifacher Ausführung mitbekommen (homozygot), unfruchtbar sind. Ausgehend von 300 Wildtyp-Weibchen, 150 Wildtyp-Männchen und nur 150 Männchen mit eingeschleustem Gendefekt, starben Testpopulationen nach nur 7 bis 11 Generationen aus, weil am Ende keine fruchtbaren Weibchen mehr gezeugt wurden.

[Update]: 30.07.21, 17:44, Populationsanteile und Anzahl der Generationen ergänzt

(dz)