Urheberrecht: EuGH muss knifflige Fragen zu Streaming und Geoblocking lösen

Der Oberste Gerichtshof Österreichs hat dem EuGH zwei Fälle vorgelegt, in denen es um Online-Videorekorder für IPTV und Streaming im Ausland geht.

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(Bild: Bruce Rolff/Shutterstock.com)

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Die mit Upload-Filtern verknüpfte EU-Urheberrechtsreform haben viele Mitgliedsstaaten noch gar nicht umgesetzt, doch auch die ursprüngliche Copyright-Richtlinie von 2001 enthält noch einige ungelöste Probleme. So hat der Oberste Gerichtshof Österreichs den Europäischen Gerichtshof (EuGH) vor Kurzem in zwei Fällen um eine Vorabentscheidung gebeten, in denen es erneut um den Urheberrechtsschutz bei Internet-Fernsehen und Streaming sowie Geoblocking geht.

Die Beklagte in dem einen Rechtsstreit (Az.: 4 Ob 40/21t), über den das Fachblog IPKat jetzt berichtet bietet gegenüber gewerblichen Kunden wie Netzbetreibern, Hotels und Stadien individuelle IPTV-Komplettlösungen in einem geschlossenen Netz an. Diese umfassen neben Senderpaketen auch einen Online-Videorekorder, der zeitversetztes Fernsehen ermöglicht: Es können Einzel- oder Serienaufnahmen ganzer Programme angefertigt werden.

Der Dienst beinhaltet ferner eine Replay-Funktion, bei der bis zu sieben Tage zurückliegende Sendungsinhalte erneut ansteuerbar sind. Aufnahmen durch den Rekorder erfolgen nur, wenn ein Endnutzer eine entsprechende Programmierung vornimmt. Auch die Replay-Funktion muss zunächst aktiviert werden, den Rest führt das System vollautomatisch aus. Im Hintergrund läuft ein "De-Duplizierungsverfahren". Es bewirkt, dass bei übereinstimmender Programmierung von Aufzeichnungen für mehrere Kunden nicht mehrere Kopien der Inhalte erstellt werden.

Die Kläger sind zwei Fernsehsender mit Sitz in Deutschland und Österreich. Sie sehen ihre Rechte verletzt. Die Beklagte hält dem entgegen, die durch ihren Dienst erstellten Vervielfältigungen seien zulässige digitale Privatkopien. Endkunden werde nur die technische Infrastruktur samt Datenspeicher zur Verfügung gestellt, allein sie könnten einzelne Aufnahmen starten und beenden. Die Organisationshoheit für die Kopierfunktion und die Herrschaft über die Nutzung des Systems liege nicht bei der Beklagten, sie erstelle auch keine urheberrechtsrelevante Masterkopie. Das im Hintergrund laufende Verfahren der De-Duplizierung diene nur der Ressourcenoptimierung. Im Ergebnis werde bloß das System des Rekorders umgesetzt.

Das österreichische Gericht will nun vom EuGH wissen, ob der Betrieb eines von einem kommerziellen Anbieter bereitgestellten Online-Videorekorders inklusive Wochenrückschau mit der Urheberrechtsrichtlinie vereinbar ist. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die Technik lediglich auf eine bereits vorhandene Kopie verweise, wenn diese bereits von einem anderen Nutzer erstellt wurde. Eine Einwilligung der Rechteinhaber liege aber nicht vor.

Die zweite Frage bezieht sich darauf, ob eine potenziell illegale "öffentliche Wiedergabe" vorliegt. Entscheidend sei hier, dass der Nutzer auch Zugang zu Inhalten erhalte, die vom Sender nicht für die Online-Verwertung freigegeben worden seien. Der Systemanbieter wisse, dass sein Dienst auch den Empfang von geschützten Inhalten ohne Zustimmung des Rechteinhabers ermögliche, werbe aber nicht mit dieser Option. Kunden würden bei Vertragsabschluss vielmehr darauf hingewiesen, dass sie sich eigenverantwortlich um die Rechteeinräumung kümmern müssten.

Dass der Verkauf eines Mediaplayers für illegale Streams gegen die Richtlinie verstößt, hatte der EuGH bereits 2017 in der Auseinandersetzung zwischen der Anti-Piraterie-Behörde Stichting Brein vs. Filmspeler entschieden. Hier ist die Lage aufgrund der eingesetzten Technik aber komplizierter. Das vorlegende Gericht ist zwar geneigt, in beiden Fragen zugunsten der Rechteinhaber zu entscheiden. Es will aber angesichts verbliebener Unklarheiten auf Nummer sicher gehen.

Der zweite Fall (Az.:4 Ob 44/21f) betrifft eine Streaming-Plattform, die sich an Emigranten aus dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawien in der EU und den USA richtet. Die Beklagte betrieb die Lösung auf Basis von Lizenzverträgen mit TV-Sendern. Demnach war sie verpflichtet, das Streaming-Signal für bestimmte Sendungen in bestimmten Gebieten zu blockieren.

Die Klägerin ist eine Gesellschaft mit Sitz in Serbien. Sie betreibt ein Medienunternehmen, das unter anderem vier – in Ländern des früheren Jugoslawiens beliebte – Fernsehshows produziert. Sie behauptet, dass die Umgehung der Geoblocking-Maßnahmen der Beklagten relativ einfach sei, dass diese von Kunden wisse, die ihren Dienst außerhalb des lizenzierten Gebiets nutzten, und dass sie es unterlasse, eine solche illegale Inanspruchnahme zu verhindern.

Auch hier bittet das österreichische Gericht um eine Interpretation des Begriffs der "öffentlichen Wiedergabe" im Sinne der Richtlinie. Es hebt dabei etwa hervor, dass über den Streaming-Dienst der Empfang von Inhalten, die von den Rechteinhabern nicht autorisiert wurden, über mehrere Wochen auch ohne Virtual Private Network (VPN) möglich gewesen sei. Ferner sei zu klären, ob Dritte, die für den Service werben, Testabonnements mit Endkunden abschließen, einen Kundendienst betreiben und Zahlungen entgegennehmen, ebenfalls für eine potenziell rechtswidrige Wiedergabe haften.

Mit Urteilen der Luxemburger Richter ist binnen anderthalb Jahren zu rechnen. (vbr)