Vierter Netzbetreiber: 1&1 baut sein Mobilfunknetz mit Rakuten und Open RAN

Der japanische Handelskonzern soll seine Erfahrungen mit dem eigenen 5G-Netz beim Netzaufbau für 1&1 einbringen – mit viel Virtualisierung, Cloud und Open RAN.​

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(Bild: Sunshine Studio/Shutterstock.com)

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1&1 wird sein deutsches Mobilfunknetz auf Grundlage des offenen Standards Open RAN bauen und setzt dabei auf den Konzern Rakuten, der bereits so ein Netz in Japan betreibt. Rakuten werde als Generalunternehmer für Aufbau und Betrieb des 1&1-Netzes verantwortlich sein, teilte das Unternehmen am Mittwoch in Maintal mit. "Mit Rakuten haben wir den weltweit einzigen Open RAN-Experten an unserer Seite, der wirklich über umfangreiche Praxis-Erfahrung mit dieser neuen Technologie verfügt", sagte 1&1-CEO Ralph Dommermuth.

Die United-Internet-Tochter 1&1 hatte auf der Auktion der 5G-Frequenzen im Sommer 2019 einen Teil des Spektrums ersteigert und damit seinen Markteintritt als vierter Netzbetreiber vorbereitet. Nach Abschluss eines Roaming-Abkommens mit Telefónica Deutschland steht nun der Aufbau des eigenen Netzes bevor. Dieser solle im "nächsten Quartal" beginnen, hieß es dazu.

Viele Arbeiten seien in der Vorbereitung und während der Verhandlungen mit Telefónica bereits parallel verrichtet worden, sagte Dommermuth dem Handelsblatt. Das Unternehmen habe einen konkreten Zeitplan für die Erschließung der ersten Hälfte der deutschen Haushalte, der "sehr ambitioniert" sei. "Die Auflagen der Bundesnetzagentur werden wir jedenfalls einhalten." Bis Ende 2022 muss 1&1 insgesamt 1000 Antennenstandorte erschlossen haben

"Wir bauen im Gegensatz zu unseren Wettbewerbern ausschließlich echtes 5G", sagte Dommermuth der Zeitung weiter. Die Antennen würden direkt an das bundesweite Glasfasernetz der Schwestergesellschaft 1&1 Versatel angebunden werden. Darüber hinaus seien über 500 dezentrale Rechenzentren geplant, "die nah an den Antennen sind und Echtzeitanwendungen ermöglichen".

Bei Open RAN kommen Anwendungen von verschiedenen Zulieferern und mehr Standard-Hardware zum Einsatz. Mehr Netzkomponenten werden in der Cloud virtualisiert, bei 1&1 sollen es sämtliche Netzfunktionen sein. "Durch die vollständige Virtualisierung und den Einsatz von Standard-Hardware können wir die besten Produkte flexibel kombinieren", sagt Dommermuth. Open RAN verringert die Abhängigkeit des Netzbetreibers von den klassischen Ausrüstern wie Ericsson, Huawei, Nokia oder ZTE und ihren geschlossenen Systemen und langfristigen Serviceverträgen.

Damit steigt aber auch der Aufwand für die Integration der verschiedenen Komponenten. Diese Rolle soll auch Rakuten übernehmen. Antennentechnik kauft 1&1 zunächst bei NEC, dazu kommt Software des US-Anbieter Mavenir. Rakuten steuert die eigene Communications Platform (RCP) mit ihren Zugangs-, Kern-, Cloud- und Betriebslösungen sowie eine selbstentwickelte Orchestrierungs-Software bei. Auch auf die Partnerunternehmen von Rakuten kann 1&1 zurückgreifen. Die Aufbaukosten seien etwa die gleichen wie bei den klassischen Ausrüstern, schätzt Dommermuth, erwartet aber deutliches Einsparpotenzial im laufenden Netzbetrieb.

"Rakuten ergänzt unser Know-How bei Telekommunikationsnetzen, Rechenzentren und Cloud-Anwendungen optimal", sagte Dommermuth. Der Handelskonzern hatte nach einigen Verzögerungen im vergangenen Jahr in Japan ein eigenes Mobilfunknetz in Betrieb genommen. "Durch technische Innovation ist es uns gelungen, hochqualitative Mobilfunkservices zu einem kostengünstigen Preis anzubieten, die den Markt herausfordern", sagt Rakuten-CEO Mickey Mikita. "Wir freuen uns sehr, diese Erfahrung und dieses Know-how nun mit 1&1 teilen zu können."

Auch die etablierten Netzbetreiber experimentieren bereits mit Open RAN, allerdings in noch kleinerem Maßstab. Auch wegen der Sicherheitsbedenken hinsichtlich der Technik von chinesischen Ausrüstern Huawei und ZTE befassen sich die Telcos zunehmend mit dem Thema. Telefónica Deutschland hat Open RAN an ausgewählten Antennen in Landsberg am Lech bereits im Livebetrieb und will im Herbst mit dem Ausbau weiterer 1000 Open-RAN-Standorte beginnen. Die Telekom testet Open RAN in Neubrandenburg.

Update:

Rakuten will zudem den US-Softwareanbieter Altiostar Networks übernehmen. Das US-Unternehmen ist auf Open-RAN-Netzwerklösungen spezialisiert und gehört zu den Zulieferern für Rakutens Mobilfunknetz in Japan. Software von Altiostar ist zudem Teil der Rakuten Communications Platform, die nun auch beim Aufbau des 1&1-Netzes zum Einsatz kommt. Auch Telefónica Deutschland setzt Altiostar bei seinen Open-RAN-Tests ein. Die Übernahme wird laut Mitteilung auf über eine Milliarde US-Dollar beziffert.

(vbr)