Chatbot hilft bei Stress – bezahlt von der Krankenkasse

Erstmals zahlen gesetzliche Krankenkassen für einen Chatbot. Der "Pocketcoach" führt Stressgeplagte durch Übungen und psychologische Kurse.

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Eine Frau intergiert mit Pocketcoach auf ihrem Handy

Der Stellenwert geistiger Gesundheit steigt nun auch in Deutschland.

(Bild: Pocketcoach)

Lesezeit: 2 Min.

Zum ersten Mal erstatten deutsche gesetzliche Krankenkassen die Kosten für einen Chatbot. Er ist Teil der App Pocketcoach, die zu einfachen Übungen zur Stärkung der geistigen Gesundheit anleitet. Dazu gehört beispielsweise Hilfe bei Panikattacken, Einschlafstörungen, oder Stressbewältigung. Während einige Angebote gebührenfrei sind, kostet ein achtwöchiger Stress-Kurs 100 Euro. Die Zentrale Prüfstelle für Prävention und Gesundheitsförderung hat diesen Kurs zertifiziert.

Daher übernehmen die gesetzlichen Krankenkassen seit dieser Woche die Kosten für den Kurs, der nicht von einem Menschen, sondern einem simplen Chatbot geleitet wird – ein Novum in Deutschland. Der Bot führt User täglich durch kurze Konversationen, die die Wiener Psychotherapeutin Simone Engländer entwickelt hat. Zwei klinische Studien untersuchen derzeit die Wirksamkeit des Pocketcoach-Chatbots auf die Gesundheit der Teilnehmer.

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Die Chats sind stark strukturiert. Teilnehmer können nicht frei drauflosplaudern, sondern müssen aus vorgegebenen Antwortmöglichkeiten wählen. Ziel ist die Auseinandersetzung mit Stress-Quellen und Mustern. Übungen zu Achtsamkeit, Dankbarkeit oder Emotionen sollen dabei helfen, gesündere Denk- und Verhaltensweisen zu etablieren. Zu den Techniken zählen Zwerchfellatmung, gezieltes Entspannen von Körper und Geist, das Labeln eigener Gedanken und andere mehr.

Ersatz für echte Psychotherapeuten möchte Pocketcoach ausdrücklich nicht sein. Vielmehr soll es ein Werkzeug zur Selbsthilfe sein, das früh eingesetzt wird, um schwerwiegenderen Problemen vorzubeugen und die langen Wartezeiten für Psychotherapie zu überbrücken. Außerdem hoffen die Betreiber, dass sie Personen erreichen, die noch zögern, sich in echte, individuelle Therapie zu begeben.

Die App ist für Android und iOS verfügbar, aber nicht für Webbrowser.

heise online hat die Wiener Psychologin Marion Kern um ihre Einschätzung der Idee eines psychologischen Chatbots gebeten. Sie hält das Konzept zur Selbsthilfe in weniger schweren Fällen sowie als Überbrückung bis zu einer Therapie tauglich. "Gute Inputs wird es auf jeden Fall geben, was die Leute in Aktivität bringt", sagte Kern, "Man darf sich natürlich keine individuelle Behandlung erwarten. Persönliche Gespräche sind letztlich nicht ersetzbar. Aber der Bot kann eine konstruktive Ergänzung sein."

Schon vor der Erstattung durch Krankenkassen hat Pocketcoach nach eigenen Angaben über 100.000 Nutzer gewonnen, davon viele in Nordamerika und Großbritannien. Manuel Kraus und Philipp Omenitsch haben das Startup 2019 in Wien gegründet. In Leipzig holen sie sich Unterstützung durch den Startup-Accelerator Spinlab. Nach Abschluss des achtwöchigen Kurses erhalten Teilnehmer für ein Jahr vollen Zugriff auf alle anderen kostenpflichtigen Funktionen der Pocketcoach-App.

(ds)