Wie man aus Weltraumschrott eine Mondbasis baut

Das Mondprogramm der NASA sieht eine Bodenstation vor. Sie lässt sich möglicherweise aus Recycling-Material bauen.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 36 Kommentare lesen

Der WARR-Rover soll ein mobiles Baugerät werden.

(Bild: WARR-Projekt)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Otto Geissler
Inhaltsverzeichnis

Das Artemis-Programm der Nasa sieht früher oder später eine Bodenstation auf dem Mond vor. Doch dazu wären aufwändige und teure Materialtransporte von der Erde nötig. Eine Alternative könnte die "In Situ Resource Utilization" (ISRU) sein - also die Verwendung von Material, das sich ohnehin bereits im All beziehungsweise auf dem Mond befindet.

Mehr als 9000 Tonnen Weltraumschrott in Form von rund 900.000 Schrottstücken kreisen derzeit im Erdorbit. Dahinter verbirgt sich ein Milliardenschatz für die Raumfahrt-Industrie. Aus diesem Grund hat der Diplom-Physiker Frank Koch die "Orbit Recycling Initiative" aus der Taufe gehoben, die mit verschiedenen Hochschulen und Projekten kooperiert. "Indem alte Satelliten und verbrauchte Raketenkörper für neue Raumfahrtprojekte recycelt werden, lässt sich nicht nur Weltraumschrott reduzieren, sondern auch Startkosten in Milliardenhöhe einsparen", sagt er.

Satelliten bestehen teilweise aus wertvollen Materialien wie Aluminium oder Goldfolien zur Isolation. Aber im Grunde ist alles, was man hochschießt, wegen der extremen Startkosten sehr teuer. Ein Kilogramm Gold kostet auf der Erde knapp 50.000 Euro. Im Orbit kostet ein Kilogramm von irgendetwas schon allein wegen der Transportkosten genauso viel.

Am besten eignen sich Raketen-Oberstufen für das Recycling. Sie tauchen zahlreich in ähnlicher Form auf, enthalten meist wenig Elektronik und sind überwiegend aus Aluminium gefertigt - bei der Ariane sind es rund vier Tonnen. Und Aluminium ist eines der attraktivsten Materialien, da es sich einfach recyceln lässt.

Um die idealen Recycling-Ziele zu identifizieren, wäre ein detaillierter Katalog von Oberstufen im Geotransferorbit (GTO) zu erstellen, einschließlich der Materialzusammensetzung und der verwendeten Komponenten. Für das Rotations- und Taumelverhalten von Oberstufen laufen bereits Lichtkurvenmessungen des CastelGAUSS-Observatoriums und des Fraunhofer FHR TIRA-Instruments.

Daraus müssten sich dann Tumbling- und Rotationsmodelle ableiten lassen, erklärt Koch. Zudem braucht es noch eine berührungslose Lösung zur Stabilisierung unkontrollierter Weltraumobjekte, Greifer sowie Raumschlepper für den Transport zum Mond.

Eine besondere Rolle dabei spielt auch Mondstaub (Regolith). "Orbit Recycling hat zusammen mit seinen Partnern erste Prototypen für eine Gießerei auf dem Mond entwickelt, die ausschließlich Regolith und Materialien aus Weltraumschrott verwendet", so Koch. "Das daraus entstandene Verbundmaterial nennen wir ALReCo." Beim Raumfahrt-Innovationswettbewerb INNOspace Masters 2020/2021 wurde das Projekt mit einem dritten Platz ausgezeichnet.

ALReCo verfügt über eine hohe Wärmekapazität und -leitfähigkeit. Daher lässt es sich sowohl als Konstruktionselement als auch als Energiespeicher einsetzen. Durch die Integration von Aluminiumstrukturen und Flanschen aus Regolith-Teilen ließen sich modulare Rahmenkonstruktionen für eine Mondbasis erstellen.

Erste Prototypen einer mobilen Sinterlösung sowie einer stationären Lösung zum Gießen großer Objekte mit Abmessungen von bis zu vier mal fünf Metern wurden bereits entwickelt. Beide Ansätze verwenden Fresnel-Linsen, die das Sonnenlicht bündeln. Experimente zeigen, dass damit Temperaturen von 1100 Grad erreicht werden können, was für das Sintern von Regolith und das Schmelzen von Aluminium genügt. Große Solarzellen oder Batterien sind dann nicht mehr notwendig. Diese Experimente zeigen auch, dass es möglich ist, Aluminiumteile mit Regolith-Formen zu gießen. Durch Sintern kann die Form gehärtet werden. So sind mehrere Abgüsse in Serie möglich. (bsc)