Forscher entwickelt Computer ohne Maus und Tastatur

Der auf Fingerzeig und Zuruf reagierende Computer gehört möglicherweise schon bald zur Standardausrüstung in deutschen Haushalten.

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Von
  • Udo Lorenz
  • dpa

Der auf Fingerzeig und Zuruf reagierende Computer gehört möglicherweise schon bald zur Standardausrüstung in deutschen Haushalten. Zumindest arbeitet der Informatiker Wolfgang Wahlster, der von Bundespräsident Johannes Rau mit dem Deutschen Zukunftspreis 2001 ausgezeichnet wurde, daran. Der Professor entwickelt am Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) in Saarbrücken und Kaiserslautern einen Computer ohne Maus und Tastatur.

Erste Erprobungen der so genannten SmartKom-Software, die den Computer quasi zum "elektronischen Butler" machen, sind bereits erfolgreich verlaufen. Sein neues SmartKom-PC-System verzichtet bereits völlig auf Maus und Tastatur und verfügt nur über Mikrofon, Lautsprecher und Videokamera. "Bundespräsident Rau will sich im August in Saarbrücken aus erster Hand über unsere Entwicklungen der Sprachtechnologie informieren", sagt der 49-jährige Wahlster und wehrt sich gegen den Eindruck, dass es um seine Forschungsergebnisse etwas ruhiger geworden sei. Vielmehr sei die Nachfrage nach den Forschungsresultaten am DFKI sprunghaft gestiegen. "Durch den Preis ist meine Zeit noch knapper geworden", erzählt der Wissenschaftler.

Alleine auf mündliche Kommandos oder Gesten per Hand kann das neue PC-System bereits das gewünschte Fernsehprogramm aussuchen, auf einem anderen Kanal einen Film auf Video aufzeichnen, dazu vielleicht bald die Kaffeemaschine einschalten und die Heizung regulieren sowie eine Kino- oder Theaterkarte fürs nächste Wochenende reservieren. Der Clou: Der Computer fragt im Dialog mit dem Benutzer selbst nach, wenn er irgendetwas nicht versteht, was er ausführen soll.

"Wir wollen den Computer künftig genau so populär wie den Fernseher machen", sagt Wahlster. "Dann können wir auch die 60 Prozent Bürger erreichen, die bisher noch keinen Computer mit Internet nutzen". Bereits seit 1999 forscht und experimentiert Wahlster mit rund 50 Informatikern am DFKI an der Mensch-Technik- Interaktion über spezielle Softwareprogramme mit dynamischer Sprachmodellierung. Beteiligt sind Partnerfirmen wie etwa DaimlerChrysler, Siemens, Philips und Sony. Unterstützt wird der Projekt-Etat von 25 Millionen Euro zu knapp zwei Dritteln vom Bundesforschungsministerium.

Manches bei dem SmartKom-System ist bereits so ausgereift, dass die Saarbrücker Informatiker zur nächsten Computermesse CeBIT 2003 in Hannover einen Prototypen für die Sprachsteuerung bei Unterhaltungselektronik vorstellen wollen -- angefangen vom Autoradio bis zum Heimfernseher und vom CD- oder DVD-Player bis zum Videorecorder. "Ein Preis dafür steht noch nicht fest", sagt Wahlster. Branchenexperten schätzen allerdings, dass erste Versionen dieser Software nicht unter 5000 Euro zu haben sein werden.

Das SmartKom-System baut auf den Ergebnissen des live Fremdsprachen übersetzenden Telefons auf, für das Wahlster im vergangenen Jahr den mit rund 250.000 Euro dotierten Preis bekam. Für die sprachverstehende Computerversion wurden tausende verschiedener menschlicher Stimmen von Flensburg bis Berchtesgaden und von Aachen bis Dresden gesammelt, gespeichert und verarbeitet. Nur so ist es möglich, dass der Computer auch Dialekte und mehrdeutige Wortbegriffe richtig verstehen und sich mit seinem Benutzer über vorgegebene Themen unterhalten kann. Vom Computer "gelernte" Videobilder menschlichen Verhaltens wie Kopfschütteln oder herabhängende Mundwinkel lassen den Computer außerdem mittels Kamera erkennen, ob der Nutzer mit den elektronischen Butlerdiensten zufrieden ist oder nicht.

"Hier stehen wir aber noch ganz am Anfang", gesteht der Informatiker ein. Im Idealfall sei sein elektronischer Butler zwar fünf Mal so schnell wie ein per Tastatur gesteuerter Computer. Dennoch gebe es auch Grenzen. "Einen Auto-Außenspiegel zu verstellen, wird per Hand immer schneller gehen als mit einzelnen Sprachkommandos. Und eine gute Sekretärin wird einen gesprochenen Text immer fehlerfreier tippen können als ein sprachverstehender Computer", räumt der Wissenschaftler ein. (Udo Lorenz, dpa) / ()